26. Februar 2015
Schachspielen in einem fremden Land. Für die einen harte Arbeit am Brett, egal wie schön und interessant die Umgebung ist. Und die anderen wollen jede Chance nutzen, neben dem Schach auch noch Land und Leute kennenzulernen. Ralf Schnabel zählt seit dem Malheur in Runde eins auf jeden Fall zu letzteren Spezies. Sehr schön für uns, denn so lernen wir Israel auch außerhalb der 64 Felder kennen.
Auch an seinem zweiten Spieltag machte sich unser Berichterstatter auf den Weg die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten zu erkunden. Beinahe hätte er bei all dem Füße-Wundlaufen auch noch die zweite Runde verpaßt. Von mir aus kann er sich diese Strapazen jeden Tag antun. Wir sitzen dafür entspannt im Sessel, lesen seine interessanten Reiseberichte und erfreuen uns an seinen Fotos!
Heute machte mir Sebastian beim Frühstück unmissverständlich klar, dass er insbesondere zum Schachspielen hier ist und ich doch bitte meine Tour allein gehen solle.
Das mag damit zusammen hängen, dass er am Nachmittag seinen zweiten 26er, Levan Pantsulaja vorgesetzt bekommt. Ich hingegen darf gegen einen jungen Wilden, dem 15-jährigen Isreali Itay Cohen (1871) antreten.
Überhaupt hatte sich Sebastian wesentlich gewissenhafter auf die Reise vorbereitet und unter anderem einen Kurs in Hebräisch belegt. Wenn ich mir die Schriftzeichen so betrachte weiß ich: Dass lernt der Ralf nimmermehr. Also machte ich mich allein auf den Weg, Richtung Old Town. Ich folgte den Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes und nutzte keine öffentlichen Verkehrsmittel wie Straßenbahn und Linienbusse. Das war dann aber nicht so schlau. Sicherheitsleute sitzen vor jedem Hotel, jedem Laden und prägen auch das Straßenbild. Man fühlt sich eigentlich so sicher, wie in Gottes Schoß, aber da wollte ich ja erst noch hin...
Google Maps hatte eine Stunde Fußmarsch vom Ramada Jerusalem Hotel, unserer Spiel- und Schlafstätte, zum Tempelberg veranschlagt und die habe ich auch benötigt. Jerusalem ist recht bergig und so fiel mir die Strecke nicht eben leicht, zumal sich die Sonne heute von ihrer schönsten Seite zeigte. Aber ich habe mich nicht verirrt und bewunderte Old Town Jerusalem in vollen Zügen.
An der Klagemauer dachte ich an meine erste Runde und beschloss, trotz fortgeschrittener Zeit, noch auf den Tempelberg zu steigen.
Hier war Anstehen angesagt, bis die Pforten der Holztreppe neben der Western Wall öffneten. Wir warteten etwa 50 Minuten in der Sonne und ich sah mich bereits die zweite Runde kampflos verlieren. Aber irgendwann hatte man ein Einsehen und ließ uns die einzige Strecke, auf der Nicht-Muslime den Tempelberg betreten dürfen, passieren. Natürlich erneut nicht ohne Sicherheitscheck. Nach der jüdisch geprägten Stadt spürt man auf einem der umstrittensten heiligen Orte der Welt deutlich eine andere Kultur. Aber ich möchte hier nicht ins Detail gehen; ich sah mir natürlich die al-Aqsa-Moschee und den Felsendom an und suchte nach einem geeigneten Abstieg. Den fand ich auch irgendwann und sputete mich, um gerade noch rechtzeitig zur zweiten Runde zu erscheinen. Ich fühlte mich wie meine Nachbarin im letzten Sommer, sie lief den Jakobsweg...
Inzwischen habe ich eine hübsche Partie gewonnen, spüre allerdings noch die Berge in den Füßen und die Sonne im Genick. Ein anderer deutscher Teilnehmer ist übrigens Lev Lukovski, der zwar hier in Jerusalem lebt, aber einmal 15 Jahre in Köln gewohnt und für Bayer Leverkusen gespielt hat. Seine Elo-Zahl hatte schon bessere Zeiten gesehen, aber mit 81 Jahren verdient sein Spiel natürlich höchsten Respekt. Er erzählte mir heute begeistert von einer Partie gegen Michail Tal, bei der nicht der virtuose Kombinationsspieler, sondern Lev Material ins Geschäft gesteckt hatte, um dem gegnerischen König zu Leibe zu rücken. Leider wurde sein Mut damals nicht mit einem Punkt in der Tabelle belohnt. Vielleicht glückt ihm dies heute - wobei das gegen seinen russischen Gegner David Kudischewitsch (2334) nicht eben leicht werden wird.
Ralf Schnabel
Frank Hoppe
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