11. Juli 2017
Das Sparkassen Chess-Meeting 2017, das vom 15. - 23. Juli 2017 im Orchesterzentrum in der Brückstraße stattfinden wird, trägt den Untertitel „Wladimir-Kramnik-Turnier“ und wird damit einem der bedeutendsten Schachspieler aller Zeiten gewidmet. Der Grund: Seit genau 25 Jahren gibt es eine Schachliaison zwischen dem dreifachen Weltmeister und der Dortmunder Veranstaltung. Weitgehend Hand in Hand haben Kramnik und das Sparkassen Chess-Meeting Weltkarrieren gemacht und können 2017 somit „Silberhochzeit“ feiern.
Hier die Geschichte einer eindrucksvollen Partnerschaft:
Über 10.000 begeisterte Schachfreunde strömten 1992 in die Westfalenhallen, um anlässlich der 20. Internationalen Dortmunder Schachtage die großen Stars der internationalen Schachszene zu erleben. Eine Etage darunter, in der Schwemme der „kleinen“ Westfalenhalle, zeigten Hunderte Amateure und Nachwuchsspieler ihre ebenfalls beachtliche Klasse. Darunter der 16-jährige Wladimir Kramnik, geboren am 25. Juni 1979 in Tuapse am Schwarzen Meer, ein Meisterschüler des legendären Schachweltmeisters Michail Botwinnik (1911 – 1995). Er faszinierte mit seinem formidablen „Zauberhändchen“ und schrieb sich mit dem 2. Platz in seinem Open in die Siegerliste ein. Den Fachleuten war klar: Hier reift ein künftiger Weltklassespieler heran.
1993 tauchte Wladimir Kramnik erstmalig im Großmeisterturnier auf. Die Veranstaltung im Berufsförderungswerk in Dortmund-Hacheney wurde noch einmal vom langjährigen Weltmeister Anatoli Karpow dominiert. Er siegte mit 5,5 Punkten vor Kramnik, der auf 4,0 Punkte kam und dem großen Anatoli immerhin ein Remis abtrotzte.
1995 gewann Kramnik ohne eine einzige Verlustpartie mit 7,0 Punkten und ließ Stars und Sternchen wie Karpow, Lautier und den 15-jährigen Peter Leko hinter sich. Das Turnier faszinierte die Besucher dermaßen, dass das Schausspielhaus mehrfach ausverkauft war.
Ein Jahr später das gleiche Bild: Wladimir Kramnik wurde erneut Erster und verlor wieder keine Partie.
Das Opernhaus erlebte 1997 die 25. Auflage des Turniers, das sich mittlerweile in der absoluten Weltspitze etabliert hatte und zu den drei wichtigsten Schachveranstaltungen der Welt gehörte, wie die FIDE, der Weltschachverband, anerkennend bestätigte. Das erlesene Teilnehmerfeld, die innovative Übertragungstechnologie und die Qualität des Veranstaltungsortes würden internationale Maßstäbe setzen, so die FIDE.
Das russische und das indische Fersehen waren vor Ort und berichteten in ihrer Heimat täglich zur besten Sendezeit. Wladimir Kramnik, erneut in Topform, setzte sich – wie gewohnt ungeschlagen – vor Anand und Topalow durch. Als er 1998 den vierten Dortmund-Sieg in Folge landete, meldete er unausgesprochen, aber trotzdem unüberhörbar, seinen Anspruch auf die absolute Spitzenposition im Weltschach an.
1999 wurde der Dortmunder Siegeszug von Wladimir Kramnik „jäh“ unterbrochen: Peter Leko, Ungarns Spitzenspieler, gewann vor dem „Serientäter“ der letzten Jahre. Dieser war im Milleniumsjahr 2000 wieder ganz der Alte und landet Sieg Nr. 5. Danach griff er in London nach der Weltkrone seines Sports, besiegte Titelverteidiger Garri Kasparow, wurde der Champion einer staunenden Schachwelt und läutete eine neue Ära im modernen Schachsport ein. Da konnte es nicht verwundern, dass der Weltmeister im Jahr danach Dortmund wie selbstverständlich erneut im Sturm eroberte. Sieg Nr. 6.
2002 war für das Sparkassen Chess-Meeting ein ganz besonderes Jahr: Der Herausforderer von Weltmeister Wladimir Kramnik wurde ausgespielt. Kramnik war also zwangsläufig zum Zuschauen verdammt. Das hinderte ihn aber nicht daran, täglich vor Ort im Goldsaal der Westfalenhalle zu sein, wohin die Veranstalter diesmal „umgezogen“ waren. Und als mit Witali Klitschko ein guter Freund Kramniks und schachlich versierter Boxweltmeister am Veranstaltungsort auftauchte, war die Medienresonanz enorm.
Peter Leko kam, sah und siegte, wurde Kramniks Herausforderer und scheiterte anschließend im WM-Kampf nur hauchdünn.
2006, im Jahr des Fußball-Sommermärchens, trug sich der amtierende Weltmeister dann wieder als Turniersieger in die Dortmunder Annalen ein und ließ auch 2007 nichts anbrennen. Quasi zwischendurch hatte er seinen WM-Titel in Tschechien gegen Weselin Topalow verteidigt, im darauf folgenden Titelkampf die Schachkrone aber an Vishi Anand abtreten müssen.
Damit war auch die glorreiche Zeit der Seriensiege Geschichte. Große Geschichte!
Nach einem „Leistungshänger“ 2008 (Platz 7) stand Kramnik 2009 wieder auf dem obersten Siegertreppchen und feierte 2011 seinen zehnten und bis dato letzten Sieg von Dortmund. 2013 und 2016 stand er kurz vor weiteren Erfolgen, wurde jedoch jeweils „nur“ ehrenvoller Zweiter. Und 2017? Wir werden sehen.
Und hier die Dortmunder Gesamtbilanz des dreifachen Weltmeisters und mehrfachen Schach-Olympiasiegers Wladimir Kramnik: Zehnmal Erster, siebenmal Zweiter, einmal Dritter, zweimal Vierter, einmal Sechster, zweimal Siebter. Eindrucksvoller kann man innerhalb von 25 Jahren einem Turnier wohl kaum seinen Stempel aufdrücken! Damit machte der mittlerweile zweifache Familienvater „Dortmund“ praktisch zu seinem persönlichen „Schach-Wohnzimmer“.
Wladimir Kramnik, Superstar!
Gerd Kolbe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 22128