26. Januar 2017
Ganz so schwungvoll wie auf dem nebenstehenden Bild geht es leider nicht aufwärts mit unseren Mitgliederzahlen. Aber im vergangenen Jahr ist ein zartes Pflänzchen von 76 zusätzlichen Mitgliedern herangewachsen, auf dem in den nächsten Jahren aufgebaut werden kann. Mit 89.271 Mitgliedern zum 1. Januar 2017 kann sich der DSB erstmals seit 11 Jahren über einen wenn auch kleinen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr freuen.
Zwischen 2006 und 2016 hatte der DSB über 7.800 Mitglieder verloren. Und das trotz der Schacholympiade 2008, die zwar in der Öffentlichkeit sehr gut wahrgenommen wurde, allerdings nicht zu einem Zuwachs der Mitgliederzahlen geführt hatte.
Mit der Wiedervereinigung 1990 hätte der Traum von 100.000 aktiven Schachspielern Wirklichkeit werden können. Der Deutsche Schachbund zählte in dem Jahr 86.264 Mitglieder, und damit fast soviel wie heute. Für den Deutschen Schachverband der DDR gab es Schätzungen die wohl irgendwo zwischen 30 und 40.000* lagen. Es waren wohl zu optimistische Zahlen. Allein wenn man die Bevölkerung vergleicht, kann die DDR-Zahl nicht stimmen: 61 Millionen (1987, BRD-Volkszählung) gegen 16,7 Millionen (1981, DDR-Volkszählung). Bei etwa vergleichbarer Schachbegeisterung hätte die DDR realistisch etwa 23.000 aktive Schachspieler haben müssen.
Hatte sie aber wohl nicht! Jedenfalls wuchs die Mitgliederzahl 1992 mit der Aufnahme der ostdeutschen Vereinsmitglieder in die DSB-Mitgliederverwaltung gerade einmal um rund 10.500. Zu wenig um die magische Marke zu knacken, aber genug um mit 97.624 Mitgliedern einen bis heute gültigen Rekord festzumachen.
10.500 statt 23.000 oder 30 bis 40.000 DDR-Schachspieler? Die Ursache für die große Differenz wird allgemein auf die Verwaltung vieler Karteileichen geschoben. So ganz einfach ist es aber nicht. Jedes Mitglied hatte einen Mitgliedsausweis des DTSB, in das der Vereinskassierer bei bezahltem Beitrag die Marken einklebte. Und der Kassierer wiederum mußte mit dem Sportverein abrechnen, der wiederum darüber sicher eine Statistik führte und die Zahlen weitermeldete. Ich habe deshalb durchaus schon Vertrauen in die propagierten Zahlen. Für mich liegt die Ursache für den Mitgliederschwund im privaten und beruflichen Umfeld. Viele DDR-Schachspieler verloren ihren Job und stürzten damit auch in eine private Krise. Allein mein damaliger Verein mit rund 30 Mitgliedern löste sich praktisch in Nichts auf. Die meisten hörten auf mit aktiven Schach, vielleicht eine Handvoll blieb bei der Stange, wechselte aber teilweise auch zu anderen Vereinen.
Der Aderlaß ging in der ersten Hälfte der 1990er Jahre weiter. So existierten noch in den 1980er Jahren allein 7 Vereine auf engstem Raum im Ostberliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg. Von denen sind noch drei übrig geblieben, die allerdings dadurch auch einen teilweise enormen Mitgliederzuwachs verzeichnen.
Wie Sie unserer Statistik hier entnehmen können ist das Vereinssterben inzwischen auch ein gesamtdeutsches Problem. Von 1994 bis 2015 hat der DSB über 1.000 Vereine eingebüßt! Eine große Zahl der dadurch heimatlos gewordenen Schachspieler findet allerdings eine neue Bleibe bei einem anderen Verein. Gab es Mitte 2011 nur 63 Vereine mit 100 oder mehr Mitgliedern waren es Ende 2016 schon 84. Die mit weitem Abstand meisten Mitglieder haben der Hamburger SK (679) und die Schachzwerge Magdeburg (564).
Zurück zum eingangs erwähnten kleinen Pflänzlein.
Sehr positive Auswirkungen auf die neue Entwicklung haben die Mädchen und Frauen, die einem DSB-Verein angehören. 1994 gab es 5.084 weibliche Mitglieder. Das waren gerade einmal 5,33% aller Mitglieder. 23 Jahre später ist der Anteil auf 8,1% gestiegen. Das hört sich nicht viel an. Die Anzahl der weiblichen Mitglieder hat sich allerdings um 41,9% auf 7.216 erhöht!
Der positive Trend bei unseren weiblichen Mitgliedern spiegelt sich auch in den drei großen Altersbereichen wieder. Überall Zuwächse, egal ob Jugendliche oder jüngere und ältere Erwachsene (Senioren). Die beiden Trendlinien der erwachsenen Männer bewegen sich auf einer schiefen Bahn. Fast scheint es so, als würden die 18-59-jährigen Männer kontinuierlich nach 60+ abwandern. Die relative Horizontale bei den männlichen Jugendlichen in den letzten acht Jahren vermag den Verlust im "Mittelalter" nicht zu kompensieren. Was da gerade passiert, macht wohl eine genauere Untersuchung mit noch kleineren Altersbereichen unabdinglich. Sonst gibt es in 20 Jahren Männer- statt Frauenschachinitiativen.
*Quellen lagen mir zum Zeitpunkt dieses Berichtes nicht vor.
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 21647