24. November 2013
Bis vor wenigen Wochen wußte der Berliner Friedhof-Geschäftsführer Bernd Thürling noch gar nicht, welche Berühmtheit da auf seinem 1902 angelegten Karlshorster und Neuen Friedrichsfelder Friedhof begraben lag. Beinahe wäre ihm für seine Führungen auf dem Gelände eine Grabstätte abhanden gekommen, wäre da nicht "ein Herr Stolze vom Schachverband Deutschlands" (Thürling) durch seine Bürotür eingetreten, der sich nach dem Grab von Kurt Richter erkundigte. Das war zu diesem Zeitpunkt bereits abgeräumt worden, aber noch nicht neu vergeben. Raymund Stolze kam gerade noch rechtzeitig, um die Ruhestätte eines der größten deutschen Schachmeister zu retten!
Stolze unternahm sofort alles Mögliche, um die Grabstätte weiter zu erhalten. Gegenüber uns sagte er dazu in einem Interview vor wenigen Tagen:
Die Grabstätte war [...] längst aufgelöst, aber da es eine Erdbestattung gewesen ist und Bruder Gerhard nach Ablauf der Liegefrist diese noch einmal um fünf Jahre verlängert hatte, gab es noch keine Neubelegung. Ich habe also in Einvernehmen mit Herrn Thürling die Grabstätte erst einmal bis 4. Januar 2014 angemietet. Dazu kamen eine Neueinfassung, Muttererdenaustausch und eine schlichte Bepflanzung mit Efeu.
Da Kurt Richters Lieblingsfigur der Springer gewesen ist, habe ich beim Schachhaus Mädler in Dresden nachgefragt, ob es nicht möglich wäre, aus gegebenen Anlass einen „Rappen“ in Gartenschachgröße zu spenden. Monika und Manfred waren dazu sofort bereit.
Schließlich kam noch ein Hinweisschild auf der Grabstelle dazu, und nun gibt es sogar eine Text-Bildtafel im Verwaltungsgebäude, wo alle verdienstvollen Karlshorster Bürger vorgestellt werden, die auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhestätte haben.
Da die Bemühungen zur Wiederentdeckung und Erhaltung der Grabstätte durch eine Buchrecherche von Michael Dombrowsky ausgelöst wurde, lag es auf der Hand Dombrowsky's Buch "Berliner Schachlegenden" genau an diesem Tag der Öffentlichkeit vorzustellen, den Tag des 113. Geburtstages von Kurt Richter. In dem Buch bekam Richter neben weiteren Größen wie beispielsweise Hans-Joachim Hecht, Wolfram Bialas, Rudolf Teschner oder Jürgen Dueball seinen angemessenen Platz. Dombrowsky, der der Buchpremiere nicht beiwohnen konnte, konzentrierte sich in seinem Werk auf die Schachmeister, die er noch persönlich kennenlernte. Die in Ostberlin seßhaften Schachgrößen kamen für den Hamburger Journalisten und Ex-Trabrennfahrer, abgesehen vom Grenzwanderer Richter, nicht für dieses Buch in Frage. Es ist also noch genügend Stoff für weitere Bände der "Berliner Schachlegenden" vorhanden.
Für die insgesamt 20-köpfige Gruppe hatte Thürling sein "Haus der Begegnung" zur Verfügung gestellt, nur unweit vom Grabe Richters entfernt.
Arno Nickel hatte sein Auto vollgepackt und neben den noch druckfrischen Buchexemplaren einige ältere Richter-Werke mitgebracht. Raymund Stolze hatte ein Blumengebinde dabei, das er später auf dem Grab des 1969 verstorbenen Meisters ablegte. Paul Werner Wagner, Vorsitzender der Emanuel Lasker Gesellschaft, gesellte sich zu den beiden und eröffnete um kurz vor halb Zwölf das Treffen.
Die drei wechselten sich in den nächsten rund eineinhalb Stunden bei der Gesprächsführung ab. Wagner erinnerte an die zahlreichen Beerdigungen denen er bereits beiwohnte, wie z.B. Lothar Zinn, Hans Platz, Heinz Lehmann und Wolfgang Unzicker. Raymund Stolze erzählte von den Geschehnissen rund um die Wiederentdeckung des Grabes und Arno Nickel las einige Absätze aus den "Berliner Schachlegenden". Dombrowsky's Schreibweise ist sehr erfrischend und sorgte immer wieder für Lacher. Hier war genau der richtige Autor am Werk, der dem Buch durch seine journalistische Erfahrung einen großen Erfolg bescheren könnte.
Unter den Zuhörern befanden sich mit Helmut Kuzaj und Dr. Fritz Baumbach zwei Schachspieler, die Kurt Richter noch persönlich kannten. Baumbach, der durch seine grandiosen Erfolge im Nahschach (1970 DDR-Meister) und besonders im Fernschach (Weltmeister und Olympiasieger) selbst eine lebende Legende ist, traf Richter insgesamt zweimal. Am Brett konnte er ihn bei einer Berliner Meisterschaft besiegen, ein weiteres Mal besuchte er Richter an seiner Wohnadresse in der Karlshorster Döhnhoffstraße. "Ich habe gar keine Zeit" empfing ihn der Meister mürrisch, ließ den ihm noch unbekannten jungen Herrn aber trotzdem ein. Später schaute aber Baumbach ständig zur Uhr, weil er jetzt keine Zeit mehr hatte...
Kuzaj führte danach eine Partie aus der zweiten Offenen Berliner Meisterschaft vom 23. Oktober 1962 vor, die er gegen den schon 61-jährigen Richter unentschieden halten konnte. Gespielt wurde die Partie im Haus der DSF (Deutsch-Sowjetische Freundschaft).
Während der heutigen Veranstaltung konnten 147 Euro an Barspenden für das Grab von Kurt Richter eingesammelt werden, womit zusammen mit den bisherigen Spenden dessen Aufrechterhaltung bis Januar 2016 finanziell gesichert ist. Weitere Spenden sind erwünscht!
Raymund Stolze
Geldinstitut: Sparkasse Märkisch-Oderland
Bankleitzahl: 17054040
Konto-Nummer: 3000312535
Stichwort: Kurt-Richter-Grab
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9276