22. April 2014
Sehr asialastig kommt die Amateur-Weltmeisterschaft in diesem Jahr daher - kein Wunder - denn sie findet in Singapur statt. Die Singapurer führen somit mit 54 Teilnehmern gefolgt von der Mongolei, der Vereinigten Arabischen Emirate, Indien und den Philippinen. Den weiten Weg von Europa wollten nur 10 Spieler für ihr Hobby in Kauf nehmen; darunter immerhin drei Deutsche! Allen voran der Wormser Andreas Kirmeir (Elo 1745), der so überzeugter Amateurspieler ist, dass er jetzt zum dritten Mal in Folge dabei ist. Paul Buttenmüller kann mit seiner Elo von 1952 sogar ganz weit oben mitmischen. Er belegt Platz 9.
Dritter im (deutschen) Bunde ist Wolfgang Stang, der es mit einer Elo von 1897 immerhin auf Platz 33 bringt. Bei einer Teilnehmerzahl von 169 im offenen Turnier stehen wir also gut da.
Singapur ist ein Stadtstaat und von der Fläche her das kleinste Land Südostasiens. Die rund 712 km² (Hamburg 755 km²) verteilen sich auf insgesamt 60 Inseln am südlichen Zipfel von Malaysia. Mit 5,3 Millionen Einwohnern ist die Bevölkerungsdichte fast doppelt so hoch wie in Berlin. Auf einem Quadratkilometer leben rund 7.100 Menschen. Wenn man jetzt noch die zahlreichen Touristen hinzurechnet ist ganz schön was los. 2011 besuchten über 10 Millionen Menschen die asiatische Inselgruppe. Das ist in etwa soviel wie in Berlin.
Einer der drei deutschen Singapur-Fahrer ist Andreas Kirmeir. Seit seiner Teilnahme am ersten Deutschland-Cup 2008, der im Rahmenprogramm der Olympiade in Dresden stattfand, hat ihn das Reisefieber gepackt. "Nachdem mein Turnier zu Ende war, habe ich im nahe gelegenen 'Irish-Pub' Teile der Mannschaften von Wales und Irland bei der Analyse getroffen (Okay, ohne Bretter stattdessen mit Gitarren und anderen Musikinstrumenten). Jedenfalls haben wir schnell Kontakt geknüpft. - Schach verbindet eben, über Landes- und sogar Sprachgrenzen hinweg." beschreibt Kirmeir seine erste intensive Begegnung mit ausländischer Schachkultur.
Die nächsten Stationen waren dann aber auch erst vier Jahre später bei der Amateur-Weltmeisterschaft in Chalkidiki (Griechenland) und Iaşi (Rumänien) ein Jahr später. Beide Orte beeindruckten ihn auf unterschiedliche Weise: "In Iaşi (ganz im Osten von Rumänien, fast schon Moldawien) lag das Turnierhotel mitten in der Stadt. Diese und der Veranstaltungsort (Klöster, orthodoxe Kirchen aber auch ein gewaltiges Einkaufszentrum) hat alle meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Iaşi hatte wirklich viel mehr zu bieten als Schach!
Der absolute Kontrast hierzu fand sich in Griechenland ein Jahr zuvor: Ein eingezäuntes Luxusresort am 'Ende der Welt' mit 18-Loch-Golfplatz, eigener Marina und gefühlt 100 Kilometern Anfahrt vom Flughafen Thessaloniki entfernt. Wie man uns mitteilte war dies (alles) zum EU- Gipfel 2003 entstanden, um Europa und Frau Merkel eine würdige Bühne zu bereiten."
In Singapur wird Kirmeir einige Teilnehmer aus den USA zum dritten Mal treffen. Er hofft auch das sein "ganz spezieller Freund" aus Nordirland nach Südostasien reist. Der kann allerdings kein Wort Englisch! Ungewöhnlich für einen Briten.
Kirmeir: "Nun ja, dieses Jahr in Singapur erwarte ich zunächst einmal ein 'kleines' Abenteuer – als Europäer fast allein im großen Asien. Neben den architektonischen Highlights, hoffe ich auch noch ein bißchen etwas von der ursprünglichen Kultur zu erleben. Mein Reiseführer sagt chinesisch, indisch und malaiisch – alles einträchtig nebeneinander. Genau wie Buddhisten, Christen und Moslems. Zum Glück ist die ehemalige britische Kolonie wohl nicht viel größer als Hamburg. Also, selbst wenn ich mich verlaufe, finde ich bestimmt zurück ins Quartier."
Mit FIDE-Elo 1745 wäre er schon mit "9 Remisen aus 9 Partien" zufrieden. Da bliebe dann viel Zeit für touristische Ausflüge. Wenn der Gegner mitspielt: "Allerdings musste ich in den vergangenen Jahren lernen, dass neben den alten Hasen (und Füchsen) auch aufstrebende Jugendspieler antreten." Und die wären auch in Singapur sicher nicht auf einen schnellen Friedensschluß aus. Vielleicht behält ja am Ende die Autokorrektur seines Emailprogramms recht, welche aus "schachliche Ambitionen" "schwächliche Ambitionen" machen wollte?!
Louisa Nitsche/Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9676