30. April 2014
Anna Endress ist der aktuellste Neuzugang der Friedberger Burgfräuleins, einem Synonym für die Frauenbundesligamannschaft der Schachfreunde 1891 Friedberg. Die Olympiateilnehmerin von 2008 wechselt vom TSV Schott Mainz nach Hessen und wird dort den Dritten der abgelaufenen Frauenbundesligasaison verstärken. Eine andere deutsche Olympiateilnehmerin von damals spielt bereits in Friedberg: Melanie Ohme.
Für ein Fotoshooting mit der vor Kurzem noch 20-jährigen Rheinländerin reiste Martin Herwig-Päutz in das rund 80 Kilometer Luftlinie entfernte Alzey und dabei entstand für uns auch gleich noch ein schönes Interview mit ihr.
Herzlich willkommen, Anna! Du wechselst wie wir auf Facebook gelesen haben vom TSV Schott Mainz zu den Friedberger Burgfräuleins, dem Team der Schachfreunde Friedberg in der 1. Frauenbundesliga. Vielleicht erzählst Du uns erstmal kurz in eigenen Worten wie der Wechsel nach Friedberg zustande kamen?
Der Kontakt bestand schon vor zwei Jahren. Ich habe in der ganzen Zeit immer wieder die Schachfreunde Friedberg verfolgt und immer mal mit Martin geredet. Natürlich auch wenn meine frühere Mannschaft TSV Schott Mainz, die nun leider in die zweite Liga absteigen musste, und die Schachfreunde Friedberg in der 1. Bundesliga einen gemeinsamen Spielort hatten. Auch wieder dieses Jahr in Mülheim. Und dann ging alles ganz schnell. In den letzen zwei Jahren hat sich sehr viel in Friedberg getan finde ich und Martin hat mir erneut von seinen Projekten erzählt und was er sich für die Zukunft vorstellt und mir war klar, dass ich wechseln muss.
Du hast sehr lange für den TSV Schott Mainz gespielt. Wie lange genau? Es wäre nun, nachdem der Verein am Saisonenende nun leider den Gang zurück in die zweite Liga antreten muss, nicht das erste Mal das Du mit den Mainzern absteigen würdest. Was ist diesmal anders als beim Abstieg 2012? Warum verlässt Du Mainz nun doch? Was sind die Hintergründe?
Ja sehr lange habe ich in Mainz gespielt, 10 Jahre. Deshalb fiel mir die Entscheidung anfangs auch nicht leicht. Nun ja, irgendwann hat man keine Lust mehr abzusteigen würde ich sagen. Am ersten Brett ist es auch nicht immer leicht gegen Weltklasse-Frauen zu spielen. Und wenn man sich Friedberg anschaut: Drittplazierter in der ersten Bundesliga und vorher Deutscher Vizemeister.
Insider, Freunde und mancher Fan der Friedberger Burgfräuleins hat mit Dir eigentlich schon beim Abstieg vor zwei Jahren gerechnet. Wer den Videoclip auf der Friedberger Vereinshomepage anschaut weiss warum. Die Vereinsverantwortlichen hatten in der Saison 2011/12 einen Kameramann mit dabei und aus dieser Saison einen tollen dreiminütigen Videoclip geschnitten. Du wurdest als einziges "Nicht-Burgfräulein" in einer kurzen Szene trotzdem mit hineingeschnitten. Wie hast Du das damals erlebt als Du das Video zum ersten mal gesehen hast? Und wie hast Du diesen ganz offensichtlichen Wink mit dem Zaunpfahl empfunden? Und wie kam es dazu das es eben am Ende damals doch zu nichts kam? Was ist heute anders als vor zwei Jahren?
Ich finde der Clip ist richtig klasse geworden. Es ist mir ein Rätsel warum der nicht bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Oberhof lief. Da hätte ich ihn erwartet. Die Musik passt, die Bilder, man wird richtig mitgerissen. Es hat mich schon gefreut mich dort zu sehen. Wenn ich ehrlich bin hab ich mir alles mehrmals angesehen, weil ich sehen wollte, dass ich doch tatsächlich mit in dem Video bin. 2012 hatte ich erst mit meinem Studium begonnen, ich musste mich dort auch erst einmal zurecht finden. Ich war damals noch jünger und hatte auch zunächst die Hoffnung mit Mainz die Klasse in der 1. Bundesliga zu halten.
Gab es für Dich nur die Alternative Mainz oder Friedberg oder waren nun doch auch noch andere Vereine im Rennen?
Klar gab es auch zwischenzeitlich andere Vereine, ich wollte aber nach Friedberg.
Was möchtest Du Deinen Fans, und nach so langer Zeit sicher auch Deinen Freunden, in Mainz und natürlich auch im Rest von Deutschland mitteilen?
Oh Gott. Ich bin einfach gespannt auf die neue Zeit in Friedberg. Ich werde versuchen schachlich noch stärker zu werden. Ich hoffe das viele Leute an mir und meinen Partien Interesse haben. Ich werde auf meiner Facebook-Seite immer das Neueste posten.
Brett 1 wie in Mainz wirst Du in Friedberg mit Mannschaftskameradinnen wie den Großmeisterinnen und Nationalspielerinnen Melanie Ohme und Elena Levushkina nicht spielen. Hast Du schon Reaktionen von Elena oder Melanie erhalten? Was genau wird Deine Rolle in Friedberg sein?
Also Melanie und Elena freuen sich, dass ich zukünftig mit ihnen in einer Mannschaft spiele. Mir ist auch bewusst das ich erstmal hinten spielen werde in Friedberg. Ich bin aber zuversichtlich dort meine Punkte für die Mannschaft zu machen. Wir alle wollen dort in diesem Sommer und in der kommenden Saison deutlich mehr Promotion machen. Simultans, Sponsorenbesuche und es wird unglaublich tolle Bilder geben. Wir wollen noch viel, viel mehr Kinder für Schach begeistern. Was ich jetzt schon weiss ist das ich am 05.07.2014 auf dem Familiensportfest auf der Frankfurter Galopprennbahn ein Simultan im VIP-Zelt geben werde und eines auch am 20.07.2014 bei Mission Olympic in Rosbach v.d.H. - es wird viele öffentliche Auftritte geben. Da freue ich mich riesig drauf.
Melanie ist ja aktuell bereits in Ihrer neuen Rolle als Botschafterin der im August stattfindenden Schacholympiade in Tromsø zu Werbe- u. Filmaufnahmen in Norwegen mit dem Hundeschlitten unterwegs wie wir alle auf Facebook gesehen haben. Für ihre Berufung zur Olympia-Botschafterin war das von den Friedbergern mit dem Bundesministerium des Inneren entworfen Anti-Rassismus-Plakat nicht ganz unschuldig. Zug um Zug gegen Rassismus. Was denkst Du über die klaren Signale die die Schachfreunde Friedberg in dieser Angelegenheit aussenden?
Die Bilder habe ich auf Melanies Seite in Facebook gesehen und ich glaube was sie da macht ist zur Zeit ziemlich aufregend. Ich finde dieses Plakat zeigt ganz klar das Motto der Schachfreunde Friedberg. Und so etwas habe ich auch in all der Zeit, in der ich Schach spiele von noch keinem Verein gesehen.
Du kommst aus dem jungen Mainzer Team zu den "Friedberger Burgfräuleins". Die meisten der Mädels dort sind ebenfalls Mitte bis Anfang Zwanzig. Was bedeutet dieser Schritt in eine solche "Schachspielende Girlgroup" wie Martin Herwig-Päutz es einmal genannt hat für Dich? Ist es vielleicht nicht auch irgendwie ein Schritt der persönlichen Weiterentwicklung für Dich? Auf jeden Fall aber ist es ein Schritt wieder etwas mehr zurück in die Öffentlichkeit, aus der Du ja mit dem Beginn Deines Jurastudiums ein wenig verschwunden warst. Wie siehst Du das?
Ich freue mich natürlich in der Mannschaft zu sein. Ich spiele seit ich 5 Jahre bin Schach und habe schon mit so vielen Leuten gespielt. Auch in einer sonst reinen Männermannschaft. Da ist es doch ganz schön gleichaltrige Mädels manchmal neben sich zu haben, wo man doch ähnliche Themen hat über die man reden kann ;-). Auf jeden Fall rückt man wieder mehr in die Öffentlichkeit, aber das ist doch auch gut so, damit immer mehr Leute sehen wie junge Menschen Schach spielen.
Sollten wir Schachspieler nicht versuchen uns all den Nicht-Schachspielern ein wenig besser zu verkaufen? Wer die ungeheure Presse- und Öffentlichkeitsarbeitarbeit der Schachfreunde Friedberg verfolgt, fragt sich wo das alles noch hinführt. Kann vielleicht im Zuge dieser Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vielleicht nun doch irgendwie der Bogen zwischen dem von größeren Unternehmen zumeist gemiedenen Schachsport und den eben zumeist in anderen Sportarten investierenden großen deutschen Großunternehmen hinbekommen werden?
Ich hoffe es. Es gibt viele Schachvereine in Deutschland. Fast jeder hat schon einmal etwas von Schach gehört. Man muss den Leuten nur zeigen, was denn da eigentlich getan wird und wieviel Arbeit auch dahinter steckt. Und das Schachspielen nicht nur ein gemütliches Beisammensitzen ist, während man ein Gläschen Rotwein trinkt. Wieviele jugendliche Spieler gibt es. An vielen Turnieren werden ganze Sporthallen mit Schachbrettern gefüllt. Ich denke die Schachfreunde Friedberg und vor allem Martin sind dabei auf dem richtigen Weg immer mehr Menschen und hoffentlich auch Sponsoren zu gewinnen.
Die Friedberger Burgfräuleins haben seit vier Wochen eine eigene Fanpage auf Facebook die Tag für Tag immer neue Fans hinzugewinnt. Aktuell sind es schon fast 700. Was sagst Du dazu das Vereinsvorstand Martin Herwig-Päutz ankündigt, das es ihm gar nicht darauf ankommt Deutscher Meister zu werden, sondern darauf mit dem Team große Sponsoren zu gewinnen um zu versuchen in jede deutsche Grundschulklasse ein über Spenden und Sponsoren finanziertes Schachbrett zu bringen?
Ich denke man muss einfach einen Schritt nach dem anderen gehen. Und Sponsoren sind nun mal das Wichtigste. In anderen Ländern ist Schach Volkssport und die Kinder lernen schon im Kindesalter Schach. Es fördert die Konzentration, auswendig lernen kappt viel leichter und es fördert den Teamgeist in einer Mannschaft zu spielen, man lernt voraus zu denken und zu kombinieren.
Zum Abschluß noch eine nicht ganz so ernst gemeinte Frage: Mit Anna Iwanow und Dir hat Bundesligist Friedberg nun gleich zwei Annas im Team. Was glaubst Du - kommt die Stadt damit klar? Oder hat eine von Euch beiden vielleicht schon einen Spitznamen, damit es in der kommenden Saison keinen Durcheinander in den Zeitungen der Wetterau gibt?
Ich kenne Anna noch von der Mannschaftseuropameisterschaft in Pardubice (Tschechien). Ich denke das wir uns einig werden. Zum Glück haben wir zwei ja noch unsere Nachnamen. Ich finde sie hat einen sehr schönen Namen ;-)
Vielen Dank, Anna. Dein Interview lässt vermuten das wir künftig deutlich mehr von Dir hören und lesen werden. Darauf freuen wir uns. Viel Spaß und viel Erfolg in Friedberg.
Facebook: Friedberger Burgfräuleins | Anna Endress privat | Anna Endress Friedberger Fanpage | Anti-Rassismus-Kampagne Fanpage
Andere Links: Schachfreunde Friedberg | Video Burgfräuleins | Melanie Ohme Anti-Rassismus-Kampagne
Martin Herwig-Päutz, der 1. Vorsitzende der Schachfreunde Friedberg, schnappte sich Tisch, Stuhl und Schachmaterial und setzte sich samt Anna mitten in den Weinberg von deren Eltern. Dort entstanden dann insgesamt 150 Bilder, wobei die Beiden nicht nur unter der prallen Sonne (27 Grad!) litten, sondern auch Unebenheiten des Geländes ausgleichen mußten, wie die Zweckentfremdung des päutz'schen Schuhs beweist.
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9732