4. Juni 2012
Kaum zu glauben, aber wahr: Vom 7. bis 9. Juni gibt es das große Finale der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft. Im RAMADA-Hotel in Halle-Peißen am Hansaplatz 1 findet dann die 11. Saison der erfolgreichsten Breitenschachveranstaltung des Deutschen Schachbundes ihren krönenden Abschluss. In sechs Leistungsklassen werden dabei die Meister ermittelt, wobei mit Berthold Bartsch (SC Forchheim) nur der Titelverteidiger der A-Gruppe am Start ist, der allerdings auf starke Konkurrenz treffen wird. Darunter ist auch die Frauen-Großmeisterin Barbara Hund (SK Freiburg Zähringen), die nicht nur moralische Unterstützung von ihrem Vater Gerhard Hund erhält. Der 80-Jährige vom SK Mering ist nicht nur Turnier-Nestor, sondern er wird selbst in der höchsten Leistungsklasse mitspielen.
Was die DSAM-Bestmarken angeht, so werden auch die beiden Rekordteilnehmer Uwe Scheunemann (Turnverein Witzheiden 1884) und Frank Stolzenwald (SF Hamburg), die bei jeweils 50 der bisher 61 Vorturniere dabei waren, in Halle (Saale) an den Brettern sitzen.
Apropos Frauen: Immerhin hat sich neben Barbara Hund mit Maria Franzenburg (SK Doppelbauer Kiel), Annika Pohlert (TuRa Harksheide), Claudia Meffert (USC Magdeburg) und Heidi Kuschel (SVG Lauterbach) ein weiteres weibliches Quintett angemeldet. Und bestimmt werden die nun "glorreichen Sechs" es den Männer nicht einfach machen. Das hat sich auch Judith Fuchs vorgenommen, die als siebte DSAM-Patin nach Ketino Kachiani-Gersinska zum Auftakt in Bad Soden, Elena Levushkina in Frankfurt (Oder), der Vizeweltmeisterin U16 Hanna Marie Klek in Aalen, Marta Michna in Hamburg-Bergedorf, Sarah Hoolt in Köln-Brühl und der frischgebackenen Deutschen Jugendmeisterin U16 Filiz Osmanodja in Magdeburg zum traditionellen Uhren-Handicap-Simultan an zehn Brettern nach der letzten Runde am frühen Sonnabendnachmittag bittet. Ich habe der 22-jährgen Leipziger Zahnmedizinstudentin wie auch den übrigen Patinnen die folgenden zehn Fragen gestellt:
Wann und wie sind Sie zum Schach gekommen?
Schachspielen habe ich von meinen Eltern gelernt als ich fünf Jahre war. Meine Schwester ist später über eine Schach-AG in den Verein gegangen und als ich acht war, bin ich einfach einmal mitgegangen und dabei geblieben.
Schach finden Sie gut, weil...
…es keine Altersgrenze gibt.
Was war bisher Ihr sportlich größter Erfolg auf den 64 Feldern und welche Partie war die beste?
Der vierte Rang, punktgleich mit der Zweitplatzierten, bei den 11. Studentenweltmeisterschaft in Zürich im September 2010.[1] Die vorletzte Runde gegen Andjelija Stojanovich aus Serbien war dabei ziemlich wichtig. Ob es die beste Partie ist, weiß ich nicht, aber für mich persönlich, war es eine der spannendsten Partien, die ich gespielt habe.[2]
Welche halten Sie für die beste und welche für die schädlichste Entwicklung im Schach?
Als positive Entwicklung sehe ich den zunehmenden Einfluss des Internets an. Von Turnieren wie zum Beispiel in Wijk aan Zee oder dem Weltcup können mittlerweile nicht nur die Partien live verfolgt werden. Durch Live-Videoübertragung aus dem Turniersaal und Interviews mit den Spielern direkt nach der Partie, wird das "Gesamtpaket Schach" für Außenstehende interessanter gemacht.
Für schädlich halte ich die aktuellen Betrugsfälle. Solche Vorfälle sprechen sich auch in Nichtschachspielerkreisen herum.
Ein großer Fan von Dopingkontrollen bin ich auch nicht, weil in meinen Augen durch die besagten Mittel keine Leistungssteigerung erreicht werden kann.
Welche Vorurteile über das "Frauen"-Schach ärgern Sie und wie reagieren Sie darauf?
Gelegentlich ärgert es mich, dass sich einige Personen über Partien aus dem Frauenbereich lustig machen, die sich aufgrund eigener Leistungen besser über niemanden amüsieren sollten. Ich ignoriere es aber eher als zu reagieren.
Was fällt Ihnen spontan über Ihre Mitstreiterinnen oder auch Konkurrentinnen in der Frauen-Nationalmannschaft ein und wie würden Sie das Klima innerhalb des Teams beschreiben?
Ich habe das Klima, während meiner Einsätze, immer als sehr angenehm empfunden.
Mit Sarah trainiere ich regelmäßig per Skype und ab der Saison 2011/12 haben wir auch zusammen in der 1. Frauenbundesliga für den Hamburger SK gespielt.
Melanie Ohme kenne ich am längsten von meinen Team-Kolleginnen. Wir haben ja seit wir neun Jahre alt waren in Leipzig zusammen trainiert und auch außerschachlich viel Zeit miteinander verbracht.
Welche Rolle spielt für Sie der Teamcoach?
Der Teamcoach ist entscheidend am Mannschaftsklima und am Erfolg des Teams beteiligt.
Mit welchem Slogan würden Sie für das deutsche Frauen-Team werben?
"We love to entertain you" (Ist ja aber leider schon vergeben…)
Wie würden Sie einem Ausländer sagen, wenn er Sie fragt, was Deutschland ist?
Bei so einer seltsamen Frage, wäre ich sprachlos.
Welche abschließende Frage würden Sie gern gestellt bekommen, und wie lautet Ihre Antwort?
Warum ich nach Hamburg gewechselt bin?
Natürlich, um mit der Frauenmannschaft deutscher Meister zu werden ;-)
[1] Nächstes sportliche Herausforderung in diesem Jahr wird für Judith voraussichtlich die 12. Studenten-Schachweltmeisterschaft sein, die vom 19. bis 26. August in Guimares (Portugal) stattfindet. Teilnahmeberechtigt sind dabei Studierende bis zum Alter von 28 Jahren.
[2] Und hier die von Judith erwähnte spannende Partie aus der vorletzten Runde der Studenten-WM 2010 in Zürich gegen die Serbin Andjelija Stojanovic, die immerhin damals bereits seit drei Jahren Frauen-Großmeisterin war.
Stojanovic, A. - Fuchs, J.
11. Studenten-WM, Runde 8, Zürich 2010
Englische Eröffnung/Botwinnik-Variante [A36]
1.c4 Sf6 2.Sc3 g6 3.g3 Lg7 4.Lg2 0–0 5.e4 d6 6.Sge2 c5 7.0–0 Sc6 8.d3 a6 9.h3 Ld7 10.Le3 e5 11.f4 Sd4 12.fxe5 dxe5 13.g4 Se8 14.Sg3 Sd6 15.Dd2 Le6 16.Tf2 b5 17.b3 Ta7 18.Taf1 Td7 19.Lh6 f6 20.Lxg7 Kxg7 21.De3 h6 22.Sd5 Tdf7 23.De1 Kh7 24.Se3 Kg7 25.h4 Dc8 26.h5 Lxg4 27.hxg6 Kxg6 28.Sgf5 Lxf5 29.exf5+ Kh7 30.Ld5 Tg7+ 31.Kh1 Tg5 32.Th2 Kg7 33.Dh4 Th8 34.Le4 S6xf5 35.Sxf5+ Sxf5 36.Txf5 Txf5 37.Lxf5 Dxf5 38.Tg2+ Kf7 39.Dg3 Dh5+ 40.Kg1 Dd1+ 41.Kh2 Dh5+ 42.Kg1 Ke6 43.Dg7 Dd1+ 44.Kh2 Dh5+ 45.Kg1 Td8 46.Tg6 Dd1+ 47.Kg2 De2+ 48.Kg1 De3+ 49.Kg2 De2+ 50.Kg1 Df3 51.Txh6 De3+ 52.Kg2 De2+ 53.Kg1 Df3 54.Th7 De3+ 55.Kh1 Dc1+ 56.Kh2 Dd2+ 57.Kh1 Dd1+ 58.Kh2 De2+ 59.Kg1 De3+ 60.Kh2 De2+ 61.Kg1 Kf5 62.Th6 Dg4+ 63.Dxg4+ Kxg4 64.Txf6 Txd3 65.Tc6 bxc4 66.bxc4 Kf3 67.Txc5 Td1+ 68.Kh2 e4 69.Tf5+ Ke2 70.c5 Tc1 71.Kg2 e3 72.Td5 Tc4 73.Kg3 Tc1 74.a4 Tc2 75.a5 Ke1 76.Kf3 e2 77.Kg2 Td2 78.Td6 Kd1, und Weiß gab auf! [0-1]
JUDITH FUCHS wurde am 23. Januar 1990 in Leipzig geboren und wohnt nach wie vor in der Messestadt. Dort verwirklicht sie auch ihren Berufswunsch Zahnärztin mit Erfolg, denn die dreifache Deutsche Jugend-Einzelmeisterin U10/2000, U16/2006 und U18/2007 ist bereits im achten Semester. Was ihren Spielstil angeht, so sieht sich Judith, deren Vorbilder Levon Aronjan und Bobby Fischer sind, eher zurückhaltend mit Stärken im taktischen Bereich und großen Kampfgeist. Sie hat zweimal an Schacholympiaden (2008 Dresden und 2010 Chanty Mansisk) teilgenommen und ist im Sommer 2011 mit Sarah Hoolt und Arik Braun bei der Universiade in China gestartet. Gegenwärtig ist die Leipzigerin mit einer aktuellen Elozahl von 2271 (Stand: 1. Mai), die in ihrer knappen Freizeit Violinenspiel als Hobby angibt, Mitglied beim Hamburger SK, wobei sie mit der Frauen-Bundesliga-Mannschaft in der abgelaufenen Saison 2011/12 einen dritten Platz belegte.
Raymund Stolze
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 370