17. November 2012
Schon im Vorfeld des ersten Eppinger Bundesligaevents der Saison 2012/13 war klar, dass das Samstagspiel gegen die Schachfreunde Berlin 1903 die eigentliche Aufgabe für die Eppinger sein würde. Zu unterschiedlich war die Qualität der beiden Wochenendgegner. Die Berliner hatten jeweils vier Großmeister und vier Internationale Meister mit großer Bundesligaerfahrung mitgebracht. Hans Dekan verzichtete auf den Einsatz seiner Dreierspitze (Bologan, Harikrishna, Berkes) und auch auf GM Bindrich bis zur abschließenden Klärung des gegen ihn erhobenen Manipulationsverdachts beim Startwochenende in Mülheim/Ruhr. Dafür kam zum ersten Mal das hoffnungsvolle SCE-"Eigengewächs" Christopher Noe zu einem Bundesligaeinsatz. Der 16-Jährige hat sich das durch hervorragende Turnierleistungen in jüngerer Zeit redlich verdient. Mit 7 Großmeistern und Noe waren die Fachwerkstädter gemäß der Prognose 4,70:3,30-Favorit.
Es entwickelte sich ein zäher Kampf, in dem lange keine klare Tendenz erkennbar war. Schließlich war es Namig Gulijew, der seinen beiden Siegen in Mülheim eine dritte Gewinnpartie hinzufügte. Nach Remisen von Tiwjakow und Postny und dem Gewinn von Ruck gingen die Eppinger mit einer beruhigenden 3:1-Führung in die zweite Hälfte des Matches. Christopher Noe hatte bis zum 38. Zug gut mitgehalten, griff aber dann gegen IM Agopov daneben und geriet in eine Verluststellung, aus der ihn der finnische Nationalspieler nicht mehr entkommen ließ. Teamchef Hans Dekan war gleichwohl mit der Leistung des Youngsters zufrieden. Als Peter Acs seinen Freibauern verwertete, war der alte Vorsprung wieder hergestellt und die beiden noch laufenden Partien konnten nicht mehr verloren gehen. Arik Braun akzeptierte in ungewinnbarer Stellung das Remis, womit der Sieg sicher gestellt war. Csaba Balogh vergab seine Gewinnstellung und mühte sich dann bis zum bis 95. Zug vergeblich. Auch hier ein Remis! Parallel gewann Eppingens Reisepartner SV Hockenheim mit 7,0:1,0 gegen die überforderten Ostfranken des SC Forchheim. Vorübergehend drohte sogar die Höchststrafe!
Inzwischen hat Turnierleiter Jürgen Kohlstädt (Hamburg) seine Entscheidung über den Protest des SV Mülheim gegen die Wertung des Spiels der 1. Runde gegen den SC Eppingen getroffen und den Einspruch der Gastgeber zurückgewiesen, da sich aus dem Bericht des Schiedsrichters kein Manipulationsverdacht ableiten ließ. Somit bleibt es beim 4,5:3,5-Erfolg der Eppinger in der 1. Runde. Es ist nicht bekannt geworden, dass Mülheim das Turniergericht angerufen hätte. Die Frist für eine Berufung war bis 12.11.2012 gesetzt!
Ein hoher Sieg Eppingens gegen die überforderten Franken des SC Forchheim war programmiert. Die Prognose sah die Fachwerkstädter mit 6,53:1,47 vorne. Am Brett war das noch zu wenig. Das 7,5:0,5 stellt den höchsten Sieg in der Eppinger Bundesligageschichte dar.
Csaba Balogh eröffnete den Reigen mit einem schnellen Erfolg. Das 2:0 steuerte Christopher Noe nach gerade mal 21 Zügen bei. Der Jungstar war freilich wegen seiner unglücklichen Vortagesniederlage in Zeitnot gegen IM Agopov noch immer betrübt. Dass der starke Finne am Sonntag auch gegen IM/WGM Elisabeth Pähtz gewann, tröstete ihn nur wenig. Für das 3:0 sorgte Arik Braun. Danach erhöhten Peter Acs und Sergej Tiwjakow zum 5:0. Einzig Namig Gulijew, bis dahin mit drei Siegen der Topscorer des SCE geriet in Verlustgefahr. Sein Forchheimer Gegner ließ wohl im Endspiel den Gewinn aus und der Aseri rettete sich auf sehenswerte Weise ins Remis. Dann brachte Jewgenij Postny seine Vorteile zur Geltung. Die längste Partie spielte Robert Ruck. Sein Gewinn nach einem zähen positionellen Duell stellte den Endstand non 7,5:0,5 her. Parallel tat sich Eppingens Reisepartner SV Hockenheim gegen die SF Berlin beim 4,5:3,5 (Prognose: 4,91:3,09) schwerer. Aber auch die Rennstädter schafften den angestrebten Doppelsieg. Der Kampf war früher entschieden, als das knappe Ergebnis aussagt. Es stand lange 4,5:2,5, bis Elisabeth Pähtz patzte und noch verlor. Ein erfolgreiches Wochenende also für die beiden nordbadischen Klubs!
Die Siege wirken sich auch in der Tabelle aus. Hinter Baden-Baden und Solingen liegt Eppingen bereits wieder auf Platz 3 und Hockenheim hat sich auf Platz 8 verbessert. Nach 4 von 15 Runden will das alles nicht viel heißen, aber das Erreichte bildet einen guten Grundstock für die weiteren Spiele.
Dietmar Gebhard
Aus der Not machte der SCE bei seinen ersten beiden Heimspielen in dieser Saison eine Tugend (oder besser - eine Jugend): Nachdem der Vorfall von Mülheim mit Falko Bindrich noch immer in der Schwebe ist, hat sich der SC Eppingen bekanntlich entschlossen, bis zur endgültigen Klärung der Betrugsvorwürfe auf ihn zu verzichten. An seiner Stelle kam an diesem Wochenende das sechzehnjährige "Eppinger Eigengewächs" Christopher Noe zu seinen ersten Bundesligaeinsätzen. Chris bestand seine Feuertaufe mit Bravour. Zwar unterlag er am Samstag nach hartem Kampf dem 2427 Elopunkte "schweren" finnischen IM in Berliner Diensten, Mikael Agopov. Dafür steuerte er am Sonntag mit seinem Erfolg über den Forchheimer Nachwuchsspieler Eduard Miller einen vollen Punkt bei zu dem Rekordsieg von 7,5:0,5 in der Eppinger Bundesligageschichte. Natürlich war die Bundesligapremiere eines in in der Fachwerkstadt aufgewachsenen und vom SCE ausgebildeten Jugendspielers das Thema Nummer 1 in der "Hardwaldhalle". Sein Einsatz erregte deshalb auch viel Aufsehen nicht nur in den Medien, sondern auch bei den Zuschauern und - nicht zu vergessen - bei den anwesenden Sponsoren.
Der Eppinger Spieler Zoltan Medvegy avancierte zum Phantom dieses Wochenendes, obwohl der Ungar nicht in Deutschland weilte. Wie das?? Durch einen Übertragungsfehler tauchte am Samstag sein Name vor dem Rundenstart plötzlich in der Mannschaftsaufstellung auf. Der Fehler wurde rechtzeitig bemerkt und korrigiert. Als dann am Sonntagmorgen die Spielernamen auf einer Ergebnisübersicht für die Zuschauer im Turniersaal aufnotiert wurden, tauchte der Name Medvegy abermals auf. Arik Braun trug wesentlich zur Entdeckung und Bereinigung dieses kleinen Fehlers bei, indem er die Verantwortlichen darauf hinwies, dass er selbst in dieser Übersicht fehlen würde. Die Liste wurde also schnell korrigiert. Aber als die Übertragung der Partien im Live-Portal begann, wer tauchte da unvermittelt an Brett 6 auf? Die geneigte Leserschaft ahnt es bereits, "das Phantom" hat erneut zugeschlagen. Reinhard Faber, seines Zeichens Schriftführer des SCE und Chef der Eppinger Liveübertragungen ins Internet, verbesserte schnell auch diesen kleinen Lapsus, noch bevor Schach-Deutschland darauf aufmerksam wurde.
Vor Beginn der Kämpfe zeigte ich Rainer Polzin im Rahmen eines kleinen Rundgangs noch kurz die "Hardwaldhalle", die "Stadthalle" und die "Mensa". Dort könnte 2014 eine zentrale Endrunde stattfinden. Der Schachclub Eppingen bemüht sich um die Ausrichtung der Finalrunde, weil der Verein in diesem Jahr 60 Jahre alt wird und eine zentrale Veranstaltung der Bundesliga gut tun würde, wie man an der Auftaktveranstaltung 2011 in Mülheim bereits gesehen hat. Der Berliner Mannschaftskapitän bekleidet bekanntlich auch das Amt des 2. Vorsitzenden des Schachbundesliga e.V. Er zeigte sich sehr angetan von den räumlichen Möglichkeiten in der Kraichaumetropole und bestärkte die Eppinger darin, bei der nächsten Tagung aller Bundeligavereine im Januar 2013 in Kassel einen entsprechenden Antrag einzubringen.
Ein Generationswechsel wurde an diesem Wochenende im Servicebereich in die Wege geleitet, nachdem der Großteil unseres über viele Jahre bewährten Damenteams um Gisela Funk aus den unterschiedlichsten Gründen leider nicht mehr zur Verfügung steht. Erfreulicherweise engagierten sich etliche "Schachmütter", aber auch einige aktive Mitglieder männlichen Geschlechts in der Küche, so dass die Versorgung von Spielern und Betreuern wiederum reibungslos klappte.
Mit gemischten Gefühlen fieberte ich dem Sponsorenempfang entgegen, der bei allen Eppinger Bundesligaheimspielen traditionell samstags gegen 17 Uhr auf dem Programm steht. Würden sich die Ereignisse von Mülheim bei unseren Freunden und Gönnern negativ auswirken? Würde der ein oder andere aufgrund dieses unliebsamen Vorfalls dem Empfang fernbleiben? Mit großer Erleichterung stellte ich fest, dass sich am späten Nachmittag doch eine stattliche Zahl von Ehrengästen im Foyer der "Hardwaldhalle" einfand: Unter ihnen befanden sich Oberbürgermeister Klaus Holaschke, der - wenn irgend möglich - alle Heimspiele "seines" SCE besucht, und Thomas Geier, der stellvertretende Vorstandssprecher der "Volksbank Kraichgau". Er war ostentativ an der Spitze einer mehrköpfigen Delegation seines Kreditinstituts zu dem Samstagmatch erschienen. Richtig beruhigt war ich allerdings erst, als beide in ihren kurzen Ansprachen versicherten: "Wir stehen zum SC Eppingen - egal wie dieser Fall ausgeht.."
Beim abendlichen Mannschaftsessen saß ich neben Namig Gulijew, der an Brett 7 mit denschwarzen Steinen fast in Rekordzeit einen Punkt zum ungefährdeten 5:3-Erfolg über die Berliner Schachfreunde beigesteuert hatte. Ich fragte ihn, wann er von seinem Gewinn überzeugt gewesen sei. Er entgegnete, dass er als Schwarzspieler bereits nach dem 5. Zug mit seiner Stellung sehr zufrieden gewesen sei. Und nach dem 8. Zug sei er sich sicher gewesen, dass er die Partie gewinnen würde. Ich fragte mich, ob sich hier der reichhaltige Erfahrungsschatz eines Schachprofis niederschlägt oder ob unser Aseri vielleicht sogar über seherische Fähigkeiten verfügt?
Etwas verwundert, vielleicht sogar verunsichert schauten am Sonntag kurz vor 13 Uhr die Aktiven im Turniersaal, Schiedsrichter Dr. Holger Moritz und die für Eppinger Verhältnisse übersichtliche Zuschauerzahl drein, als plötzlich eine uniformierte Polizeibeamtin den Raum betrat. Mancher mag sich gefragt haben, ob die Gastgeber jetzt sogar die Ordnungshüter eingeschaltet haben, um auf alle Fälle die Einhaltung der Turnierordnung zu gewährleisten!? Aber spätestens nach einem Begrüßungsküsschen für den Vereinspräsidenten war den Anwesenden klar, dass diese Vermutung nicht zutraf. Des Rätsels einfache Lösung: Nach Ende ihres Frühdienstes hatte Marion Eyer auf dem Nachhauseweg einen kurzen Stopp in der "Hardwaldhalle" eingelegt, um ihren Gatten (und Verfasser dieser Zeilen) am Sonntag wenigstens kurz zu sehen, bevor sie sich Schlafen legte. Denn um 19.45 Uhr begann bereits wieder ihr Nachtdienst....
Rudolf Eyer
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 589