6. Januar 2014
In der Erinnerung auf das Neujahrs-Turnier der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM) in Bergedorf bei Hamburg wird vermutlich eine Zahl im Vordergrund stehen: 20.000. Der inzwischen zwanzigtausendste Teilnehmer der Turnierserie wurde in Bergedorf in einer wunderschönen kleinen Zeremonie geehrt und umjubelt. Selbstverständlich war zu diesem Anlass auch der DSB in Gestalt seines Vizepräsidenten Michael Woltmann und des zuständigen Referenten Walter Pungartnik im Turniersaal. Wir werden auf dieses im deutschen Schach einmalige Ereignis später noch einmal zu sprechen kommen. Zunächst aber sollen die Spieler und ihre Leistungen am Brett hervortreten.
Auch in Erinnerung bleiben wird, dass in Bergedorf fünfhundertfünfzehn Spieler an die Bretter strömten! "Veranstaltungen mit mehr als dreihundert Spielern sind für uns in der DSAM normal", sagte Turnierdirektor Dr. Dirk Jordan, "aber mehr als fünfhundert, das ließ uns die Dinge doch mit einigem Respekt angehen." Es dauert eben einfach alles ein bisschen länger. Die Erfassung der Spieler, das Aufstellen der Bretter zu jeder Runde, die Verarbeitung der Ergebnisse, die vielen, vielen Ausdrucke der Auslosungen und natürlich die Wege der Turnierleiter, die jedes Geschehen im Saal vollkommen im Blick haben müssen - und ganz nebenbei auch die Berichterstattung.
Alle schauen zuerst auf die A-Gruppe, obwohl wir die Leistungen der Spieler in allen Gruppen würdigen. Und in dieser Königsklasse trat ER hervor:
Emil Powierski vom "Elmshorner SC von 1896" erzielte trotz schwerster Konkurrenz phantastische 4,5 Punkte aus fünf Partien und wurde damit alleiniger Erster. Es war einfach ein tolles Turnier, das dem jungen Schleswig-Holsteiner mit 2244 Elo mit seiner 90%-Quote gelang.
Drei Spieler mit 4,0 Punkten waren ihm dicht auf den Hacken, wobei als kleine Kuriosität die Brüder (nicht Zwillinge) Benedict und Jonah Krause aus Bargteheide auffielen, die Dritter und Vierter wurden, aber durch die Feinwertung noch von Maximilian Weimann vom SK Altenkirchen als Zweitem übertroffen wurden.
Sebastian Buchholz, SK Doppelbauer Kiel (2096) siegte in der B-Gruppe, wozu ihm seine tollen 4,5 Punkte verhalfen. Wie eng es in der Tabelle, nicht aber im Spielsaal (trotz mehr als fünfhundert Spielern!) zuging, zeigt der Fakt, dass in der B-Gruppe sechs Spieler 4,0 Punkte erzielten, was an anderen Tagen schon zum Gruppensieg gereicht hat - aber nicht, wenn Sebastian Buchholz dabei ist.
Eine nicht mehr zu steigernde Leistung erzielte in der C-Gruppe Philipp Kossack von der SG Porz (1859), der diese Leistungsgruppe majorisierte und einen Durchmarsch hinlegte: 100%, also 5,0 Punkte in der von 1900 bis 1701 reichenden Ratinggruppe, das ist schon ein ganz großes Ding.
In der D-Gruppe gab es das Kuriosum, dass mit Tobias Niesel, Frank Rinkewitz, Ralf Bascheck und Frank-Christian Baum gleich vier (!) Spieler zu 90% knopsten, also 4,5 aus fünf holten. Die Feinwertung entschied für den Porzer Tobias Niesel, aber man muss einfach sehen, dass in einem so kurzen Turnier mit so vielen Spielern die Buchhölzer auch viel mit Glück zu tun haben: Wenn man in den ersten Runden gegen ein, zwei Spieler gelost wird, die im Turnierverlauf nichts holen, ist das einfach Pech - wirkt sich aber verheerend auf die Feinwertung aus. Aber es ist wie mit dem Elfmeterschießen: Irgendeine Entscheidung über die Rangfolge muss eben einfach her. Und aus Zeitmangel kommt ein Blitzentscheid nie in Frage.
Sven Dirking (1496) aus Wermelskirchen darf nicht vergessen werden, nur weil er in der E-Gruppe spielte. Denn ihm gelang hier der optimale Erfolg: Hundert Prozent, fünf Punkte und ein triumphales Turnier liegen hinter ihm: Gut gemacht! In der F-Gruppe waren sie gleich zu viert, die da mit 4,5 Punkten abschlossen; Klaus Bergann vom Turm Lüneburg hatte die beste Feinstaubwertung.
Hier werden immer nur die Besten genannt. Das ist im Sport nun mal so. Spieler in der B-Gruppe wie zum Beispiel Gerd und Michael Wiechmann (möglicherweise nicht verwandt), werden nie genannt, die aber beide sehr gute 3,0 Punkte erzielten, also mehr als 50%. Die Wiechmänner stehen hier als "pars pro toto" für all die anderen, die ein richtig gutes Turnier spielten und am Ende eben nur nicht so ganz die Trittleiter auf das Siegertreppchen erwischten. Nicht ganz so erfolgreich waren diesmal die Damen, die in der letzten Runde vielerlei "Medaillen"-Chancen ausließen. Alle hoffen: Es wird besser werden!
Zwanzigtausend Teilnehmer in einer Turnierserie - das ist einfach unglaublich. Das sind nicht ganz sechshunderttausend Partien, weil erstens in den Anfangsjahren mit "nur" fünf Vorturnieren gespielt wurde und zweitens im Finale natürlich weniger Spieler als in den Vorturnieren kämpfen. Es gibt auch Veranstaltungen, in denen sogar noch mehr Schach gespielt wurde, zum Beispiel die Schacholympiaden etc.
Gesagt werden soll lediglich, dass der Deutsche Schachbund mit der DSAM ein Turnier hat, das ein anhaltend reißendes Interesse seiner Spieler findet und somit das erfolgreichste jemals vom DSB angebotene Turnier ist - und das schließt die seligen Zeiten seit Sigi Tarrasch und Max Lange mit ein. Wir werden an anderer Stelle noch einen Rückblick auf die 13 Jahre erstellen, die es erforderte, diese Marke aufzustellen.
Werfen wir doch einmal einen Blick auf die vorläufige Elo-Auswertung des Turniers, um zu sehen, wer sich am meisten verbessert hat. In der Leichtathletik kennt man als einen vernünftigen Maßstab, ob die "persönliche Bestleistung" ungefähr erreicht oder gar übertroffen wurde. Hier, in der Denkathletik, ist also diese "inoffizielle Elo-Auswertung" keine bloße Spielerei.
Verglichen wird dabei, ob der Spieler seine aktuelle(!) Zahl stark verbessert habe. Eigentlich müsste natürlich auch der in der gesamten erreichte Rating-Höchststand des Spielers hinzugezogen werden. Und es handelt sich ausschließlich um einen Elo- und nicht DWZ-Vergleich, so dass der für die E- und F-Gruppe nicht erstellt wurde, wo sich aber gewiss ähnlich großartige DWZ-Leistungen ereigneten. Insgesamt sehen wir: Hervorragende Leistungen werden keineswegs nur in der A-Gruppe abgeliefert! Manchmal muss man einfach nur ein wenig genauer hingucken.
Wer sein aktuelles Rating um "nur" zehn Punkte verbessert (und es hoffentlich beim nächsten Turnier nicht gleich wieder vermasselt), hat schon eine tolle Leistung vollbracht. Das sind aber unter den über fünfhundert zu viele, um sie darzustellen. Um über 25 Punkte hochgeschraubt haben sich die folgenden Spieler, unter denen sich plötzlich Volker Recklies (1733, SV Büsum) in der C-Gruppe mit einer Steigerung von +38,40 als eine Art Neben-Sieger des Turniers entpuppt - wer hätte das gedacht?
Tino Paulsen von den Schachfreunden Hamburg hätte mit +34,50 ebenfalls in der C-Gruppe diesen Rekord fast noch geknackt. Höher anzusetzen ist aber wohl sogar die Leistung von Jonah Krause in der A-Gruppe (oben ist's immer schwerer), der ebenfalls auf +34,50 kam. David Kardoeus wird sich gefreut haben, dass nun ein weiterer (der wenigen) Bremer den Weg zur DSAM fand, denn seine Steigerung von +29,25 in der B-Gruppe ist Ausdruck einer famosen Leistung. Und Sabine Herrmann in der D-Gruppe steigerte sich zwar "nur" um 21,30, ist damit aber die in diesem Sinne stärkste Frau: Weiter so!
A-Gruppe
Krause, Jonah (2069) 34,50+
Powierski, Emil (2195) 26,25+
B-Gruppe
Kardoeus, David (1960) 29,25+
C-Gruppe
Recklies, Volker (1733) 38,40+
Paulsen, Tino (1722) 34,50+
Damm, Nils (1718) 29,70+
Kollhoff, Josef (1711) 29,25+
Wegner, Florian (1786) 28,50+
Gutschenreiter, David (1703) 27,00+
D-Gruppe
Fischer, Bastian (1584) 27,90+
Herrmann, Sabine (1520) 21,30+
Ralf Mulde
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9359