6. November 2014
Als ob sich Bayern München, Borussia Dortmund und Mönchengladbach zusammentun würden: Ähnlich beeindruckend, wie die drei Rekordmeister bisher die Fußballbundesliga dominiert haben, ist die Performance dieser zwei Frauen seit dem Start der nd-Schachgala 2006 gewesen. Deutschlands Vorzeigespielerin Elisabeth Pähtz hat das Turnier schon viermal gewonnen, ihre russische Kollegin und amtierende Europameisterin Walentina Gunina, mit der die gebürtige Erfurterin am heutigen Donnerstag ein Team gegen ein ehrgeiziges Jungmänner-Gespann bildet, ging in den beiden vergangenen Jahren als Erste durchs Ziel. Die zwei Gala-Ladys haben daher 75 Prozent der Titel abgeräumt: eine Traumquote, an die nicht einmal das Spitzentrio aus der Bundesliga heranreicht, die Großen Drei kommen dort auf bloß knapp 65 Prozent. Entsprechend optimistisch sieht Elisabeth Pähtz dem Wettkampf am Franz-Mehring-Platz entgegen: "Unsere Chancen stehen ganz gut", sagt die 29-Jährige, zu deren Triumphen nicht zuletzt die Juniorenweltmeisterschaft 2005 gehört, im nd-Gespräch.
Unbestreitbar sei die diesjährige neunte Ausgabe des Turniers "das bislang stärkste Duell", so die Einschätzung von Elisabeth Pähtz, aber gerade das mache für sie den Reiz aus. Zumal die ohnehin stets spannende Atmosphäre während der Schachgala durch einen neuen Modus einen Extrakick kriegt, schließlich verwandelt sich der Münzenberg-Saal des nd-Verlagshauses ab 15 Uhr zum ersten Mal in den Schauplatz eines brisanten Duells zwischen den Geschlechtern. Die Topstars Walentina Gunina und Elisabeth Pähtz werden jetzt herausgefordert vom 17-jährigen Internationalen Meister Dennis Wagner, der beim Bundesligisten SV Hockenheim unter Vertrag steht, und dem gleichaltrigen Matthias Blübaum, der auf dem nächsten Kongress des Weltschachbundes FIDE zum Großmeister ernannt wird, nachdem der Abiturient aus Lemgo, wie von den Statuten gefordert, auf drei hochkarätig besetzten Turnieren glänzende Leistungen gezeigt hat.
Boys Meet Girls, Jungs treffen Mädels, in leichter Abwandlung des Namens eines US-Pop-Duos aus den 80-er Jahren: Das sei eine Konstellation, die besonderes Interesse in der Öffentlichkeit wecke, urteilt Elisabeth Pähtz. Und dankt an dieser Stelle dem nd-Geschäftsführer Olaf Koppe ausdrücklich dafür, dass er "in den letzten neun Jahren mehr als nur unter Beweis gestellt hat, dass er ein wahrer Förderer des Frauenschachs ist".
Das Elo-Rating aller Beteiligten im gemischten Viererpack liegt auf annähernd gleichem Level. Trotzdem vermutet Elisabeth Pähtz, dass die Männer mit einem gewissen Handicap ins Rennen gehen. Denn "die beiden Jungs" stünden wohl unter einem gewissen Druck, sich und anderen etwas beweisen zu "müssen".
Außerdem weiß die Frontfrau der Republik die stets kompromisslos agierende Walentina Gunina an ihrer Seite. Und die 25-jährige Russin ist eine Kämpferin, wächst unter Druck über sich hinaus. Das hat sie vor wenigen Monaten bewiesen, als sie im bulgarischen Plowdiw die Europameisterschaft gewann. Obwohl die Konkurrenz nicht schlief und die Lage oft kritisch wurde, habe sie konsequent versucht, "die Ruhe zu bewahren"; das sei ihr Erfolgsrezept gewesen, diktierte Walentina Gunina nach der Siegerehrung einem Reporter ins Aufnahmegerät.
Keine Panik, einfach cool bleiben: Das passt eben zu einer Frau, die an einem Februartag in Murmansk nördlich des Polarkreises geboren worden ist. Kein Ort für schwache Herzen. Und solche Menschen laufen zur Höchstform auf, wenn es gerade nicht mal glatt läuft. Insofern ist typisch, was Walentina Gunina vor dem Gewinn der russischen Meisterschaft 2011 zusätzlich motiviert hat: ein Megastress mit der Bank wegen eines Immobilienerwerbs, und genau dieser Ärger spornte sie an, es den anderen richtig zu zeigen.
Im Vergleich zu derartigen Widrigkeiten, wer diskutiert schon gerne mit Moskauer Finanziers, dürfte das Rendezvous mit den deutschen Schachjungs aus Sicht von Walentina Gunina einen kuscheligen Nachmittag am Brett plus lockeres Figurenrücken versprechen.
Dr. René Gralla
Eine gekürzte Version dieses Textes ist erschienen in der Tageszeitung "neues deutschland".
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19070