15. März 2021
Vom Flickenteppich der sechzehn Bundesländer wurde anderenorts schon mehrfach berichtet. Auch im organisierten Sport gelten die Allgemeinverfügungen der jeweiligen Bundesländer und viele unterscheiden zwischen olympischen und nichtolympischen Sportarten in den Möglichkeiten des Trainierens und Spielens. [Landesverordnungen beim Thema Sport]
In Berlin sind wir als Sportart Schach vollwertig gleichgestellt und können Bundeskader trainieren lassen. Die Idee eines Kadertrainingsturnieres war entstanden. „Ich will doch nur spielen“ war ein häufiger Ausruf in den letzten Wochen. Vom Berliner Senat bekamen wir das OK für einen Bundeskaderlehrgang im großen Spielsaal der German Chess Academy (frühere FIDE-Trainerakademie) auf dem Gelände des Olympiaparks. Das Turnier konnte kurzfristig noch zur Elo-Auswertung eingereicht werden und wurde unter der fachkundigen Leitung von FIDE-Schiedsrichterin Brigitte Große-Honebrink von Freitag, 12. März bis Sonntag, 14. März durchgeführt.
Zwei Turniere fanden parallel statt. In einem Zweikampf über 6 Partien trafen sich IM Steve Berger und IM Jakob Pajeken. Beide sind waschechte Hamburger, wobei Steve schon seit Jahren in der Hauptstadt lebt. Daneben konnten sich die drei jüngeren Berliner DC-Kader Lepu Coco Zhou, Jonas Eilenberg und Magnus Ermitsch in einem Rundenturnier mit erwachsenen Kontrahenten messen. Für den ersten Durchgang stellte ich mich zur Verfügung und zum zweiten Umlauf meldete sich Moritz Greßmann bei der schachlich „ausgehungerten Meute“.
Damit jeder Teilnehmer guten Mutes Schach spielen kann, hatten wir im Vorfeld einige zusätzliche Vereinbarungen getroffen. Dazu gehörten neben dem üblichen Lüften und der Handdesinfektion auch weitergehende Maßnahmen. Michael Ermitsch, der Vater von Magnus, testete die Spieler und die Turnierleitung täglich vor Beginn der ersten Tagesrunde. Einige werden sagen, das ist zu viel des Guten, aber die Tests haben die Stimmung deutlich verbessert und alle lächelten unter ihrer Maske, welche die SpielerInnen freiwillig während der Partie trugen.
Gleich in der ersten Runde bekam ich es mit Magnus Ermitsch zu tun. Magnus wählte einen soliden Aufbau gegen meine Najdorf-Variante und ich unterschätzte ein wenig die Gefahr. Nach siebzehn Zügen stand ein weißer Bauer auf e7 direkt vor meiner Majestät. Mit so viel Frechheit konnte mein Monarch nicht umgehen und wurde wenig später zur Strecke gebracht. Was für ein Auftakt!
In der Mittagspause passierte ein „echter“ Unfall. Magnus turnte ein wenig übermütig an einer Steinmauer herum, rutschte aus und schlug sich das Schienbein blutig. Die Berliner Mauern gelten nicht umsonst als besonders gefährlich. Zu den Schmerzen kam auch ein leichter Schock hinzu und die Aufregung war groß. Kurzentschlossen suchte ich Rat und Hilfe bei Hertha BSC. Der Mannschaftsarzt begutachtete die Wunde, desinfizierte sie und mit einem echten Bundesligapflaster wurde Magnus verarztet. Der Arzt von seiner Hertha! Magnus vergaß die Schmerzen und konnte die kampflose Null gegen Jonas leichter ertragen.
Pl. | Name | Titel | Elo | DWZ | Land | Pkt. | SoBe | 1 | 2 | 3 | 4 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1. | Magnus Ermitsch | 1939 | 1972 | 2,0 | 2,50 | x | - | 1 | 1 | ||
2. | Jonas Eilenberg | 2155 | 2169 | 1,5 | 2,75 | + | x | ½ | 0 | ||
3. | Bernd Vökler | IM | 2359 | 2318 | 1,5 | 1,75 | 0 | ½ | x | 1 | |
4. | Lepu Coco Zhou | 1882 | 1948 | 1,0 | 1,50 | 0 | 1 | 0 | x |
Pl. | Name | Titel | Elo | DWZ | Land | Pkt. | SoBe | 1 | 2 | 3 | 4 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1. | Magnus Ermitsch | 1939 | 1972 | 2,0 | 3,00 | x | 1 | 0 | 1 | ||
2. | Jonas Eilenberg | 2155 | 2169 | 2,0 | 2,00 | 0 | x | 1 | 1 | ||
3. | Lepu Coco Zhou | 1882 | 1948 | 1,0 | 2,00 | 1 | 0 | x | 0 | ||
4. | Moritz Greßmann | 2164 | 2140 | 1,0 | 1,00 | 0 | 0 | 1 | x |
Der Zweikampf zwischen Steve Berger und Jakob Pajeken entwickelte sich zu einem kompromisslosen Schlagabtausch. Zur Halbzeit lag Steve mit 2:1 in Führung. Drei Weißsiege in den ersten drei Runden deuten einen Anzugsvorteil an. Besonders spektakulär war die Gewinnpartie von Jakob in Runde zwei.
Mit dem Schwarzsieg in Runde vier durchbrach Steve die Serie und gewann letztlich 4,5 zu 1,5. Ein wenig zu hoch, aber dennoch verdient. Jakob konnte die Spannung meist nicht über die volle Distanz aufrechterhalten. Gute Stellungen zu bekommen, ist nicht sein Problem. Gute Stellungen auszubauen und zu gewinnen, schon eher. Da konnte ihm Steve Berger den einen oder anderen Tipp geben.
Nr. | IM Steve Berger (Elo 2408) | Farbe | IM Jakob Leon Pajeken (Elo 2323) |
---|---|---|---|
Σ | 4½ | 1½ | |
1 | 1 | W-S | 0 |
2 | 0 | S-W | 1 |
3 | 1 | W-S | 0 |
4 | 1 | S-W | 0 |
5 | 1 | W-S | 0 |
6 | ½ | S-W | ½ |
Alle Teilnehmer zeigten sich zufrieden mit dem Ambiente, den Sicherheitsvorkehrungen aber vor allem mit dem herrlichen Gefühl, echte Figuren auf echten Brettern gegen echte Gegner zu ziehen.
Wir als Deutscher Schachbund zählen Schach zu den kontaktlosen Individualsporten. Unsere Einschätzung wurde nun ganz aktuell vom DOSB offiziell bestätigt. Das entsprechende Dokument können Sie hier herunterladen. Es kann Ihnen als Argumentationshilfe dienen, wenn Sie als Verein oder Verband z.B. die Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs oder Veranstaltungen bei lokalen Behörden beantragen.
(Aus unserer Meldung von gestern: DOSB: "Schach ist keine Kontaktsportart")
Ich appelliere an die Verantwortlichen in den Ländern, die Allgemeinverfügung zu studieren, kleine Trainingsturniere zu planen und so für eine Belebung des Schachs am Brett zu sorgen. Das Lächeln unter der Maske der SpielerInnen ist es allemal wert.
Bernd Vökler
Bundesnachwuchstrainer
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 10599