14. Juni 2014
Wenn man einmal drei bekannte Großmeister auf der DJEM zu Gast hat, muss man diese einmalige Chance natürlich nutzen und sie zum Gespräch bitten. Im Interview standen uns Arkadij Naiditsch, Artur Jussupow und Niclas Huschenbeth Rede und Antwort zu verschiedenen aktuellen schachlichen Themen.
Könntet Ihr kurz Euren Gesamteindruck bezüglich der Meisterschaft schildern?
Artur Jussupow: Die Meisterschaft ist sehr gut organisiert und hat ideale Spielbedingungen in einem schönen Hotel. Die Schachspieler fühlen sich bei dieser super Veranstaltung sehr wohl. Das hier ist vielleicht das Beste, was in Deutschland passiert. Ich war jetzt dreimal dabei und hatte immer einen guten Eindruck. Es ist wichtig, dass es solche Turniere gibt und die Kinder das immer wieder erleben wollen, das schafft Motivation und so entsteht eine Leistungspyramide.
Niclas Huschenbeth: Ich kann mich dem nur anschließen. Das hier ist ein beeindruckendes Hotel und der Spielsaal ist top. Auch das Frühstück ist toll, Mittag- und Abendessen sind in Ordnung. Ich war schon sehr oft dabei und es gab nie etwas Großes zu beanstanden.
Artur Jussupow: Wie oft hast du gespielt?
Niclas Huschenbeth: Hm, so oft…
Hast Du eine Veränderung in den ganzen Jahren festgestellt?
Niclas Huschenbeth: Eigentlich nicht. Ich wurde immer melancholisch am Abreisetag, wollte wieder kommen und fand es schade, dass es noch ein Jahr dauert. Ich war wirklich immer traurig. Als Zuschauer bin ich immer gerne da, aber das ist natürlich ein anderes Gefühl. Das Hotel war eigentlich immer gut.
Arkadij Naiditsch: Ich habe jetzt zwei DJEM's hintereinander besucht und das Maritim ist eine deutliche Steigerung zu Oberhof. Das Hotel ist gut gelegen, direkt am Bahnhof und Magdeburg ist eine schöne Stadt. Die Halle bietet super Spielbedingungen. Das ist auf jeden Fall ein positiver Progress.
Welcher Eindruck entstand während der Livekommentierung der DEM-Partien? Können wir zufrieden sein mit den Entwicklungen im deutschen Jugendschach?
Niclas Huschenbeth: Ich habe nur einen kurzen Einblick bekommen, aus einer Stichprobe heraus ist das schwer zu sagen. Aber Sorgen müssen wir uns natürlich nicht machen. Es kommen immer neue starke Spieler nach, z.B. Vincent Keymer, der in der U10 immer noch 100% hat.
Artur Jussupow: Wichtiger als die Stärke der Spitze ist es, Struktur zu schaffen. Wir müssen nicht unbedingt Spitzensportler produzieren, wenn die Struktur und Basis stimmt, kommt der Rest von alleine. Ich habe gute Partien gesehen. Mir ist immer wichtig, dass gekämpft wird und das war der Fall. Die DJEM ist gut so und muss ein Topevent bleiben. Es ist in Ordnung, wie von den Spielern Einsatz gebracht wird. Fehler können immer einmal passieren.
Arkadij Naiditsch: Die Zeit ist zu kurz, um das richtig zu beurteilen. Dazu müsste man sich mit den einzelnen Spielern selbst auseinandersetzen. Zwei Stunden reichen nicht, um einen genaueren Eindruck zu bekommen.
Talent allein reicht nicht aus. Welchen Tipp könnt Ihr den Teilnehmern in Bezug auf ihre weitere Entwicklung geben?
Niclas Huschenbeth: Natürlich sind harte Arbeit und Disziplin elementar, obwohl Talent wichtig ist. Bei mir stand immer das Kämpferische vorne. Spielen ist das beste Training. Man sollte alles ausspielen und Remis ablehnen. Dadurch lernt man am meisten, auch wenn man nach dem Remisablehnen mal verliert.
Artur Jussupow: Ich sehe es etwas anders. Natürlich ist es wichtig, die DJEM zu spielen und sich dann möglichst auf Europa- und Weltmeisterschaften mit den Besten zu messen. Aber man muss auch im Training Informationen herausarbeiten, eigene Fehler analysieren und daraus lernen. Training und gute Turniere gehören zusammen.
Arkadij Naiditsch: Artur hat das perfekt formuliert. Die Formel besteht aus Spielen und Analysieren. Es ist auch wichtig, jede Partie bis zum Ende zu spielen. Remis sollte es im Jugendbereich gar nicht geben, dadurch lernt man nichts.
Niclas Huschenbeth: Wichtig ist vor allem das Analysieren von Fehlern, um ein Muster zu erkennen und dann die Ursache zu bekämpfen.
Wie steht Ihr zu der zeitweise drohenden Kürzung bzw. Streichung von Leistungssportfördermitteln durch das BMI?
Niclas Huschenbeth: Ich bin froh, dass es eine Änderung gab. Diese Entscheidung war ein harter Schlag für den DSB. Ich fand es schon fast witzig, bei ChessBase zu lesen, dass Sportarten, wo man im Prinzip nur mit dem Finger wackeln muss, wie Schießen, Sport sein sollen, aber Schach nicht. Hoffen wir, dass die Förderung fortgesetzt wird!
Artur Jussupow: Zu diesem Thema könnte man sehr viel sagen. Ich möchte nur auf einen Aspekt eingehen. Es geht hier um Missverständnisse und um diese auszuräumen, müssen wir uns richtig definieren. Man sieht Sport als Bewegungskultur, Schach aber ist definiert als Denksport und Teil der geistigen Kultur. Beide Bereiche sind wichtig. Schach ist zum Beispiel wichtig für den erzieherischen Bereich. Unsere Kinder sollen gut mit dem Ball sein, aber auch gut im Denken. Wir sind kein Bewegungssport, aber eine wichtige geistige Tätigkeit, deshalb sollte für uns jede Unterstützung möglich sein.
Arkadij Naiditsch: Ich sehe Schach definitiv als Sport. Aber ich kenne mich nicht aus im politischen Bereich, bin kein Politiker. Die Kriterien kann ich nicht einschätzen. Meine Meinung ist bei der Entscheidung nicht so wichtig, aber ich persönlich sehe es so.
Könnt Ihr unseren Teilnehmern kurz berichten, welche Projekte in nächster Zeit bei Euch anstehen?
Niclas Huschenbeth: Ich habe in letzter Zeit viele Videoserien aufgenommen mit Chess24. Mein Eröffnungsrepertoire mit Weiß haben wir komplett aufgenommen sowie das mit Schwarz gegen 1. e4. Das war wirklich ein Mammutprojekt. Von meiner „Fritztrainer Taktik-Turbo 9“-DVD habe ich drei Exemplare mitgebracht, diese möchte ich morgen unter den Simultanteilnehmern verteilen. Diese Projekte hatten bei mir zuletzt Priorität, aber ich spiele auch noch Schach. Als nächstes steht das St. Pauli Open Ende Juli an. Am 5. Juli habe ich noch ein Seminar beim HSK zum Thema „Mein Weg zum GM“.
Artur Jussupow: Ich mache viel Internettraining und trainiere die Schweizer Junioren. Kürzlich habe ich eine überraschende Einladung nach China zu einem Schnellschachturnier erhalten. Man bildet dort zusammen mit einer Frau ein Team. Die chinesischen Frauen spielen gut, ich werde also mit einer von ihnen eine Mannschaft bilden und gegen andere Teams antreten. Das Ganze findet Ende Juli statt. Aber Arkadij hat sicher das interessanteste Programm von uns.
Arkadij Naiditsch: Bei mir stehen sehr viele Turniere an. Ich fliege von hier direkt zur Weltschnellschach- und Weltblitzschachmeisterschaft nach Dubai. Gleich danach geht es weiter zu einem Rundenturnier nach China und dann stehen schon die Dortmunder Schachtage an. Höhepunkt ist natürlich die Schacholympiade.
Was traust du dem deutschen Team dort zu?
Arkadij Naiditsch: Wir haben die stärkste Mannschaft seit Langem. Nicht unter die Top 10 zu kommen, wäre eine Enttäuschung. Ob wir ganz vorne mitmischen können, ist unklar. Aber wir werden unser Bestes geben!
Vielen Dank für das Interview!
Sonja Klotz
Anm. Red.: Die Fotos entstanden bei der Podiumsdiskussion mit den drei Großmeistern.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9861