17. Februar 2014
Zum Beginn jedes Jahres trifft sich die ein oder andere Kommission des DSB im hessischen Land um über vergangene Entwicklungen und zukünftige Aufgaben zu beraten. Einstmals war da Fulda der Mittelpunkt Deutschlands, inzwischen trifft man sich ein bißchen weiter weg in Kassel - aber immer noch in Deutschlands Mitte.
Am 14. und 15. Februar rief nun der Vorsitzende der Wertungskommission, Rainer Blanquett, in der documenta-Stadt seine Schäfchen zusammen. Hauptthema war dabei die nach der DeWIS-Einführung notwendige Überarbeitung der Wertungsordnung.
Neben Blanquett waren von Seiten der Wertungszentrale gekommen: Eric Tietz (Referent der DSJ), Joachim Fleischer (Referent der Zentralen Wertungsdatenbank), Christian Krause (FIDE Rating Officer), Werner Dangelmayer (Württemberg) und Ralf Chadt-Rausch (Nordrhein-Westfalen). Als Gäste waren der DSB-Vizepräsident für Finanzen, Michael S. Langer, Berthold Plischke (Wertungsreferent Niederrhein) und der Autor dieser Zeilen eingeladen.
Die Zeit war wieder einmal viel zu kurz, um alle Themen wirklich ausführlich zu behandeln. Am Freitag saßen die neun Herren von 17 bis etwa 22 Uhr im City-Hotel in der Wilhelmshöher Allee zusammen, am Sonnabend wurde von 9 bis 16 Uhr debattiert.
Als unmittelbar spürbares Ergebnis für die Schachspieler in Deutschland wird die in den 1990er Jahren abgeschaffte sogenannte Sonderwertung wieder eingeführt. Dabei wurden Spieler, die in einem Turnier eine Leistung von mehr als 200 Punkten über ihrer alten DWZ erreichten, mit dieser Leistung für ihre Gegner gewertet. Der einzige Unterschied zu damals: die Differenz beträgt jetzt 300 Punkte.
Initiator der Wiedereinführung war Michael S. Langer, der sein Anliegen zwar nicht mit konkreten Beispielen oder einer wissenschaftlichen Studie untermauerte, dafür aber mit vielen Argumenten die Mehrzahl der Anwesenden auf seine Seite zog. Selbst Christian Krause, der davon sprach, daß das Wertungssystem kein Belohnungssystem sei, stimmte am Ende für die Änderung. Wie auch vier andere Mitglieder der Wertungszentrale. Nur Eric Tietz enthielt sich.
Der Vorschlag von Berthold Plischke, die DWZ besonders im Bereich unter 1500 einmalig zu reformieren, fand dagegen nicht die von Plischke erhoffte Resonanz. Hier fehlte ebenso wie bei Langer die wissenschaftliche Grundlage, wobei die Eingriffe in das Wertungssystem deutlich gravierender ausfallen würden. Plischke wollte die DWZ der FIDE-Elo angleichen und dazu alle DWZ unter 800 um 300 Punkte oder alle DWZ unter 1500 um 200 Punkte anheben.
Beide Vorschläge machten deutlich, daß der Wertungszentrale seit Jahren ein Verantwortlicher für die Systemkontrolle fehlt. Jemand, der in der Lage ist, anhand ausführlicher Analysen Fehlentwicklungen im Wertungssystem zu entdecken und entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen. Zuletzt gab es solche Untersuchungen in der Ära von Uwe Bade. Sein Nachfolger Holger Kubiak blieb dagegen weitgehend unauffällig und spätestens seit 2012 dürfte dieser wichtige Posten als unbesetzt gegolten haben.
Mathematiker Berthold Plischke machte noch weitere Ausführungen zum Wertungssystem, insbesondere zur Wahrscheinlichkeitstabelle bzw. den Formeln dazu. Spontan wollte er sich aber nicht zur Übernahme der Systemkontrolle bereiterklären.
Vakant ist auch das Amt des Referenten der Zentralen Wertungsdatenbank. Aber nicht weil Joachim Fleischer (78) diese Aufgabe nicht mehr weiterführen wollte, sondern weil durch die DeWIS-Einführung die Grundlage dafür weggefallen ist. Eine zentral geführte Wertungsdatenbank, wie sie 2004 eingeführt wurde, gibt es seit August 2013 in der alten Form nicht mehr. An deren Stelle ist eine Onlineversion getreten, auf die alle Wertungsreferenten und andere ausgesuchte Personen Zugriff haben.
Ein neues Betätigungsfeld für Fleischer könnten die Auslandsturniere sein, deren Auswertung er schon seit Jahren mit noch anderen Kollegen (Werner Schreyer, der sich allerdings zur Ruhe setzt, und Dietmar Gebhard) vornimmt.
Das Thema Auslandsturniere war ohnehin ein etwas längeres zu Beginn der Tagung. Dabei wurde der Wildwuchs beklagt, wirklich jedes nur erdenkliche Turnier mit Beteiligung von DSB-Mitgliedern in die Auswertungen einzubeziehen. Zukünftig sollen nur noch ausländische Turniere berücksichtigt werden, deren Auswertung zuvor vom DSB oder vom Veranstalter bekanntgegeben wurde.
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9442