12. Januar 2015
Das Wetter hätte noch etwas besser sein können, aber alles andere in der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM) lief wunderbar. Das war im Voraus gar nicht so zu vermuten, aber dazu später.
"Der" Sieger des Turniers war Lukas Hoffmann, der für "Lister Turm" spielt. Wer die "Lister Meile" kennt, weiß sofort: Das muss Hannover sein. Mit 4,0 Punkten lag er einen glatten halben Punkt vor den Verfolgern, die von Jens Wulf von Moers, Neumünster, dem Ratingfavoriten Hartmut Zieher, Hamburger SK, Falko Meyer aus Norderstedt und Denis Mager, Frankfurt/Main, angeführt wurden. Alle diese Spieler kamen auf 3,5 Punkte und mussten vom Ringrichter und von der Buchholzzahl getrennt werden.
Am Turnierbeginn wurden von allen einige "abtastende" Remisen vereinbart oder auch liegen gelassen, wie es jedenfalls dem Zuschauer so erschien; umso mehr musste in den Folgerunden bis zum Schluss gekämpft werden. Lukas Hoffmann (DWZ 2182, Elo 2197, bis zum zulässigen Maximum der TWZ 2300 hatte er also noch Luft) gelang eine gewiss nervenschonendere Strategie, indem er phänomenal als "Geist von der Bille" mit 3,0 Punkten startete und dann zwei Remisen folgen ließ, die auch nicht gerade leicht zu erringen waren. Geschenkt wird einem hier nichts. Unser laut FIDE 1986 geborene Schachfreund Hoffmann spielt recht viel (weiter so!) und erzielt dabei gelegentlich etwas mehr als 50%-Ergebnisse, dann aber auch Glänzendes wie sechseinhalb aus sieben in der Landesliga, viereinhalb aus fünf im Wieste-Cup oder auch unglaubliche zehn aus zehn(!!) in der ausgewerteten Vereinsmeisterschaft seines Clubs.
In der B-Gruppe wusste der von weither angereiste Dr. Philipp Heuser vom Münchener SC mitzureißen; seine 4,5 aus fünf sahen so aus, als ob er bei längerem Turnierverlauf auch so etwas wie 19 aus 20 hingelegt hätte. Die im großen Stil kämpfende Teodora Rogozenco enttäuschte überhaupt nicht; ihr zweiter Platz mit 4,0 Punkten deutet darauf hin, dass dem DSB bei den Damen ein weiteres, großes Talent zugewachsen ist. Bei den Damen kann er nicht mitmachen, aber er war ebenso gut wie die Zweite, nämlich der nur durch die Buchhölzer mit dem dritten Rang abschließende Peter Wolff aus Offenbach, der ebenfalls vier Punkte erzielte.
Ebenfalls zu überzeugen wussten in der C-Gruppe Johannes Reinhardt (Bad Schwartau) und Tino Paulsen (Sfr. Hamburg), die beide 4,5 Punkte erzielten. Beste Dame war hier Emily Rosmait (Harksheide) mit 4,0 Punkten inmitten weiterer Wettkämpfer.
In der D-Gruppe ließ Tom Linus Bosselmann sowohl den Kellner als auch das Vierer-Verfolgerfeld hinter sich und siegte mit 4,5 Punkten. Laut FIDE ist er Jahrgang 2003, DWZ 1558, Elo 1621 (damit 41. Platz der Setzrangliste). Er spielt für den Lübecker SV von 1873. Bei einem solchen Ergebnis eines erst knapp 12-Jährigen darf man hoffen: Da wächst vielleicht ein Talent heran!
Die E-Gruppe aber sah den wirklichen Star des Turniers: Ruben Gideon Köllner. Er siegte in unübertrefflicher Weise: Fünf Punkte!!! Hundert Prozent!!! (DWZ 1658, Elo 1649) mit überzeugenden 5,0 Punkten, also strammen 100%. Der laut FIDE 2004 geborene Jungen aus Bergneustadt/Dersch hat noch einen Bruder, nämlich Aaron Noah und eine Schwester, Ophelia. Beide spielten in der F-Gruppe und hielten dort wacker mit; wir haben es also mit einer netten und erfolgreichen "Schachfamilie" zu tun.
In der F-Gruppe erlebte der Schreiber zum ersten Mal, dass zwei Spieler einer Gruppe 100% erzielten, sie also offenbar vom Schweizer Sytem nicht wie sonst gegeneinander gelost wurden, was in "Runde 6" natürlich der Fall gewesen wäre. Jan Pubantz (Ricklingen) und Tzun Hong Foo (Hamburger SK) gelang dieses vielleicht einzigartige Kunststück.
Die Spieler werden es kaum gemerkt haben, aber das ausrichtende DSAM-Team war nicht nur gesundheitlich ein wenig geschwächt, so dass der reibungslose Ablauf ein überraschendes Zeichen für die Flexibilität des Teams war, in dem Frank Jäger und Jürgen Kohlstädt (einen halben Tag lang nicht am Ort) wegen anderer Termine fehlen mussten. Ausgerechnet im größten Turnier ... Mit 419 Schachspielern, davon 37 Schachspielerinnen = 8,83%, ist es schließlich das größte Turnier, das der Deutsche Schachbund an einem Ort veranstaltet. Die Teilnehmer-Zahl war auf dem hohen Niveau aller Vorjahre, Hamburg ist einfach ein Nukleus des deutschen Schachs. Lediglich im letzten Jahr, als ganz knapp nach Neujahr und damit noch innerhalb der Ferien gespielt werden konnte, lag die Spielerzahl sogar noch höher.
Ralf Mulde
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19301