18. September 2006
Jugend-Europameisterschaft in Herceg Novi vom 09. bis 20.09.2006
Nach sieben Runden noch ein Medaillenkandidat
Einen Tag „frei“, ein kleines Boot und fast die gesamte deutsche Mannschaft war tagsüber beschäftigt, die Weiten der Bucht von Kotor zu ergründen. Bereits nach zwei Stunden bei einem kurzem Aufenthalt auf der „Lady of Rock“, einer höchstens 50 mal 20 Meter großen aber fast 600 Jahre alten Kircheninsel, war allen Beteiligten klar, es war die beste Idee, vom schachlichen Geschehen abzulenken und neue Kraft zu schöpfen.
Danach steuerte der Kapitän unseres Schiffes vorbei an der Hochsee-Yacht des Managers von Chelsea London. Nur mit Mühe konnten die Augen unserer staunenden Spieler „gerettet“ werden. Der Aufenthalt in der mittelalterlichen Stadt Kontor verlief fast so wie immer bei solchen Gelegenheiten; Eis, Getränke und Souvenirs.
Auch die imposanten alten Gebäude wurde betrachtet, immerhin trafen vor Generationen Kämpfe gegen die einfallenden Türken geführt, Die Stadt fiel nie und wurde in das Weltkulturerbe aufgenommen. Die Abfahrtszeit war herangekommen und es fehlten zwei unserer Trainer. Sie hatten sich die Erstürmung des "Hausberges" vorgenommen; eine montenegrinische Fahne war das Ziel. Alle nehmen es gelassen, weil es ersten an diesem Tag unser Boot war und zweitens, die Kinder erlebten, dass auch Titelträger in "Zeitnot" kommen können. Erstmals strahlte auch die Sonne weniger, was der insgesamt mehr als achtstündigen Fahrt sogar sehr zu gute kam.
Am Tag darauf, am Tag der sechsten Runde, war die Sonne endgültig weg und es fing an zu regnen; Minuten vor der Runde goss es sogar richtig. Insgesamt war das wohl ein gutes Zeichen für alle Spieler oder nach Regen, nach den etwas weniger guten Runden, muss auch Sonnenschein, bessere Ergebnisse folgen.
Anfangs sah das Ergebnis der sechsten Runde recht passabel aus. Die ersten Sieger waren beide U10er, Philipp Kyas und Ahmed Abdelrasek. Danach kamen die U12er alle mit einem Remis, zweimal Dauerschach (Franz und Jonas) und auch Slavik "wollte" nicht mehr. Nur Max hatte zeitig einen Bauern gewonnen und musste noch lange spielen, ehe der Gegner aufgab. Und in der U18 hatte Paul mit seinem montenegrinischen Gegner kurzen Prozess gemacht. Dann setzte im wahrsten Sinne des Wortes der Regen ein. Tragisch ist immer, wenn die die vorn liegen, gute Aussichten haben verlieren. Julian kannte die Variante nicht, das bedeutete ein schnelles Aus. Manuela und Filiz spielten als Letzte noch. Sie hatte in Zeitnot den entscheidenden Bauern eingestellt in besserer Stellung und Manuela wollte das besser stehende Remisendspiel unbedingt gewinnen und übersah etwas in der Hitze des Gefechts der 30 Sekundenzüge.
Um nicht wieder als Erste herauszukommen, spielte Bianca in der U10 sehr lange. Nach 17 Zügen und zwei Bauern mehr hatte sie noch fünf Minuten für den Rest; der Einsteller war vorprogrammiert. Es ist also nicht einfach für die jüngsten Damen, die Zeit richtig einzuteilen. Auch in der Partie gegen den Armenier folgte bei Falko wieder das gleiche Spiel. Mit guter Vorbereitung hatte er wieder eine aussichtsreiche Stellung erreicht; der gegnerische König musste auf die Wanderschaft.
Aber das Sicherheitsdenken führte zur Klärung der Stellung in ein Endspiel, ein Unentschieden war unumkehrbar. Atila hielt sich zwar lange, brachte aber kein Bein auf den Boden; wenn auch mit zwei Springern in Verbindung noch ein Mattnetz geknüpft werden sollte. Dafür sprangen zwei weitere Spieler ein, das magere Ergebnis etwas aufzubessern. Ein Plus von 1 wurde es noch.
Etwas Glück des Tüchtigen hatte Benjamin in der U16; der polnische Gegner wickelte zu schnell in ein schlechtes Endspiel ab. In der fünften Runde etwas vom Pech verfolgt, spielte Saskia in der U16 eine sehr gute Partie. Mit viereinhalb bzw. vier Punkten haben beide gute Chancen auf eine vordere Platzierung.
Seit der sechsten Runde hat die deutsche Delegation einen zweiten Delegationsleiter, der die Partien der deutschen Spieler mit großem Interesse verfolgt. Aufgrund seiner Verbindung zu den Organisatoren gelang dem Betreuer von Ahmed Zutritt zu den drei Spielräumen.
Die siebente Runde begann wieder bei Regen. Scheinbar sollte Schach wieder in den "Vordergrund" gerückt werden. Zehn Punkte sind sicherlich ein gutes Ergebnis. Wenn dabei aber endgültig zwei Medaillenkandidaten ausfallen, ist es weniger wert; ein Pyrrhus-Sieg sozusagen. Und beide Falko und Filiz standen wieder besser, Falko auf Gewinn. Er kann einfach nicht mehr gewinnen, hat steht den Remisgedanken des Gegners im Kopf. Diesmal kam das Angebot nach zehn Zügen. Filiz fängt an zu opfern, wo es noch nichts zu opfern gab. Ihre Stellung war wieder gut. Beide können mit vier oder viereinhalb Punkten ihre angestrebten Ziele nicht mehr erreichen. Nur Benjamin, der für Falko in die Bresche gesprungen ist, hat nach einem tadelsfreien Sieg noch eine Medaillenchance.
Manuela konnte ihr Missgeschick vom Vortag schnell vergessen machen. Das Läuferpaar war nicht nur den gegnerischen Springern überlegen, sie trugen auch wesentlich zum Schlussangriff auf den König bei. Ebenfalls fünf Punkte haben Julian (U14) und Maximilian (U12). Überhaupt gelangen vorallem die Jungs von U10 und U12 das Ergebnis der siebten Runde aufzubessern. Beide Saskias haben ihre Partien verloren. In der U16 war die Ranglistenerste glücklich über den Sieg und mit mehr viereinhalb Stunden saß Saskia aus der U12 am längsten am Brett.
Die Skandinavische Eröffnung brachte ihr lang anhaltenden Vorteil. Bei der ersten Abwicklung handelte sie sich einen Einzelbauern ein. Trotzdem schaffte sie sich im Turmendspiel einen Freibauern und es sah gut aus; vielleicht hält die Gegnerin es noch. Dann kamen die Ereignisse zum Schnelllauf. Beide hatten noch König, Dame und Turm. Wer mit Schachbieten anfängt, der gewinnt. Und das war nicht Saskia.
Oswald Bindrich
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 4721