19. März 2007
Garri Kasparov ließ sich gestern in Köln blicken auf der "lit.cologne". Unser Artikeldienstmitarbeiter Frank Jarchov war vor Ort.
lit.Cologne, 18.03.07, Ort:Rhein Das Leben des anderen Garri Kasparow
"Ich konnte Schach spielen, bevor ich eine Ahnung vom Leben hatte"
Auf der lit.Cologne stellte der Piper Verlag das neue Buch "Strategie und die Kunst zu leben" von Garri Kasparow vor. Und viele Schachspieler und politisch Interressierte wollten von diesem Schachgenie lernen. Klaus Bednarz stellte den Ex-Weltmeister vor und verlieh ihm zur russischen Staatbürgerschaft gleich noch die US-amerikanische dazu. Kasparow schmunzelte und wies diese "neue" Staatsbürgerschaft erst mal formell zurück. Gewohnt schlagfertig, eröffnete er nach der Begrüßung, bei soviel Lob über seine Karriere gerate er immer ins Schwanken oder würde es vielleicht am Schiff liegen?Unterhaltsam schilderte er sein Leben "nach dem Schach": Auch seine Freunde würden es folgendermaßen beschreiben: Er würde in der Welt umherreisen, vor Managern Vorträge halten, Bücher schreiben und sich in der restlichen Zeit politisch engagieren. Da es nun aber hier um sein Buch ging, beschrieb Kasparow Idee und Entstehung seines neuen Werkes:
Vor 12 Jahren bekam er das Angebot, 52 Kolumnen für die "Welt am Sonntag" zu schreiben, daraus wurden schließlich 64 - die Basis für seine drei Bücher "My great Predecessors", auf Deutsch werden jetzt wohl acht Bände von "Meine großen Vorkämpfer" erscheinen.
So berichtet er über die analytische Arbeit: Bei der Erstellung der vielen Analysen versucht er das Rationale in seinen Entscheidungen zu finden, was für ihn (den Einzelnen!) den Unterschied zwischen Niederlage und Erfolg ausmachet. Den besten Zug in einer Stellung gibt es für ihn nicht mehr. Die beste Entscheidung muss sich nach der Persönlichkeit des Spielers richten. Der Spieler muss seine Schwächen und Stärken genau kennen, um seinen Zug zu finden, und: Er muss seine Entscheidungen bewußt treffen, um sich selber als Schachspieler zu formen.
Im Buch wählt er einen breiteren Ansatz, um ein größeres Publikum anzusprechen. Seine Grundlagen der Entscheidungsfindung hat er aber vorher auf Vorträgen hautsächlich vor Managern in den USA getestet. Falsch findet es Garri, einfache und plumpe Ratschläge zu geben. Die Mechanismen müssen erklärt sein, welche Bestandteile in einem Prozess wirken, auch bei gleichen Prozessen könne etwas unterschiedliches entstehen.
"Decision making is like a fingerprint of a person"
Ganz wichtig war ihm auch die Analyse der eigenen Erfolge. Das Ergründen, warum man gesiegt hat, ist sehr wichtig. Sonst wird es der Gegner tun und der sollte aus unseren Fehlern nicht als erstes lernen!
Für die deutsche Ausgabe wurde er vom Verlag gebeten, die politische Situation zu beschreiben. Kurz beantwortete er die Frage, was er von den westlichen Regierungen für die russische Opposition erwarten würde:"Nothing! I am objective."
Heute Abend ist Garri Kasparow noch in der Sendung "Beckmann" zu sehen und am Sonntag bei "Christiansen".
Es gibt weitere Berichte über Kasparovs Aufenthalt in Deutschland. Chessbase beschreibt in zwei weiteren Artikeln die "deutsche Woche" des wohl immer noch stärksten Spielers aller Zeiten.
http://www.chessbase.de
Frank Jarchov
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 5157