16. November 2014
Salzwedel in Sachsen-Anhalt liegt nur knapp 26 Kilometer Luftlinie südlich vom niedersächsischen Dannenberg. Doch bis vor 25 Jahren trennten beide Orte Welten. DDR-Bürger kamen nur im Rentenalter oder mit besonderen Privilegien in das "nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet". BRD-Bürger hatten es zwar leichter, aber eine Spritztour war auch hier nicht so einfach möglich.
Mit dem Mauerfall am 9. November 1989 änderte sich alles. Plötzlich konnten DDR-Bürger über die zuvor undurchlässige Grenze reisen. Ein einfacher Stempel im Reisepass oder auch im Personalausweis genügte. Und den bekam man praktisch an den meisten Grenzübergängen.
Mit der Öffnung der Grenzen begann auch wieder der schachsportliche Austausch zwischen beiden deutschen Staaten. Zwei der vielen Vereine waren der MTV Dannenberg und der SC Salzwedel, wobei letzterer damals weniger ein SC als wohl mehr eine BSG war.
Hans-Peter Berger, Stellvertretender Abteilungsleiter Schach im MTV (Männerturnverein) Dannenberg:
"Das beigefügte Foto ziert meinen persönlichen Schachkalender und erinnert mich jedes Jahr im März an den Mauerfall und einen seiner positiven Folgen im Bereich Sport und Freundschaften."
Und weiter schreibt Berger in einem geplanten Text für die Elbe-Jeetzel-Zeitung:
"Am 3. März 1990 hatte Hans-Peter Berger, Leiter der Schachabteilung im MTV Dannenberg, die Schachspieler des SC Salzwedel zum 1. Deutsch-Deutschen Schachvergleichskampf zwischen dem MTV Dannenberg und dem SC Salzwedel zu sich nach Hause in die Potsdamer Str. 15 in Dannenberg eingeladen.
Und die Schachfreunde aus Salzwedel kamen, brachten ihre Frauen mit und auf Bergers Terrasse entstanden Schachfreundschaften, die heute noch bestehen und dazu führten, dass Spieler aus Salzwedel bald die Dannenberger Mannschaften verstärkten – was auch jetzt noch der Fall ist.
Dieter Bieber, Bäcker in Salzwedel, hatte zu diesem Ereignis eigens einen riesigen Baumkuchen gebacken mit der Aufschrift '3.3.1990 – 1. Deutsch-Deutscher Schachvergleichskampf Salzwedel – Dannenberg in Dannenberg'."
Soweit Berger in seiner E-Mail die uns am 9. November erreichte.
An meine erste Begegnung mit einem Verein aus Westberlin habe ich nur noch wenige Erinnerungen. Damals spielte ich bei der BSG Medizin Berlin (heute SC Eintracht) im Ostteil der Stadt. Für die erste grenzüberschreitende Begegnung hatte sich unser Sektionsleiter ausgerechnet den ältesten Schachverein Deutschlands, die Berliner Schachgesellschaft 1827 Eckbauer, auserkoren.
Einer unserer Spieler, ein Pole, durfte nur an einem speziellen Grenzübergang die DDR-Hauptstadt Richtung Westberlin verlassen. Wir anderen Spieler nahmen gemeinsam einen anderen Übergang.
Es gab in Charlottenburg einen Vergleich mit wohl normaler Bedenkzeit und ein anschließendes Blitzturnier. Das gewann, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, der Schatzmeister des Berliner Schachverbandes, Werner Koch (Eckbauer). Ich landete knapp dahinter.
Koch ist übrigens noch immer Schatzmeister und ich arbeite seit 1996 mit ihm auf Verbandsebene zusammen.
Der freundschaftliche Vergleich mit Eckbauer blieb für unsere Sektion die einzige Begegnung mit einem Westverein. Nicht ganz zwei Jahre später löste sich die Sektion still auf. Wir hatten nach der politischen Wende viele Spieler aus beruflichen und privaten Gründen verloren. Nach der Euphorie des Mauerfalls folgte bei vielen die Ernüchterung, weil der Arbeitsplatz verloren ging und das Lebensnotwendigste teurer wurde.
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19113