23. Mai 2014
Am gestrigen Donnerstag wurde der Vizeweltmeister im Blinden- und Sehbehindertenschach, Oliver Müller daheim in seinem Verein Werder Bremen gebührend empfangen und gleich mit einer Trophäe, den stilisierten Bremer Stadtmusikanten geehrt. Die werden normalerweise nur Ehrenmitgliedern des Vereins überreicht, doch Werder-Präsident Klaus-Dieter Fischer machte für Oliver eine Ausnahme.
Werder.TV war beim Empfang dabei und stellte dem Geehrten noch einige Fragen. Dabei entstand auch das Zitat in unserem Titel. Und die Bilder von Andreas Burblies.
Auch dem Deutschen Schachbund (DSB) beantwortete Oliver Müller einige Fragen.
DSB: Oliver, Sie haben einen fulminanten 2. Platz bei der diesjährigen WM im Blindenschach hingelegt. Haben Sie annähernd mit diesem Ergebnis gerechnet? Wo hätten Sie sich realistischerweise selbst eingestuft bzw. welches wäre Ihr Mindestziel gewesen, um zufrieden die Heimreise antreten zu können?
Oliver Müller: Mein Minimalziel bei solchen Turnieren ist immer, den Setzlistenplatz zu erreichen, das war bei dieser WM Platz 5. Fest vorgenommen hatte ich mir aber, von diesem Turnier nicht mit leeren Händen nach Hause zu gehen, also irgendeine der drei Medaillen zu erspielen. Der dritte Platz wäre für mich somit auch absolut in Ordnung gewesen.
DSB: Wann war Ihnen klar, dass Sie in Katerini dabei sein werden? Haben Sie sich speziell auf die WM vorbereitet, spezielle Trainingseinheiten absolviert eventuell sogar einen Trainer angeheuert?
Oliver Müller: Dass ich zur WM fahre, war schon klar, bevor der Termin endgültig feststand. Aus meiner Sicht hätte ich mir die Zeit auf jeden Fall genommen, und für den DBSB ist es selbstverständlich, seine stärksten Spieler zu diesem Wettbewerb zu schicken, zu denen ich ja auch zähle.
Zur Turniervorbereitung habe ich das Osteropen in Norderstedt mitgespielt, das war in Bezug auf die Spielpraxis wichtig. Die theoretische Vorbereitung fand nur im stillen Kämmerlein statt, da ich für Trainigslehrgänge dann doch keine Zeit erübrigen konnte. Einen Trainer zu engagieren kam für mich als Amateur bisher nicht in Betracht.
DSB: Sind Sie einfach nur überglücklich, die Silbermedaille erhalten zu haben oder gibt es auch Grund zum Ärgern, dass es nicht Gold geworden ist? Gab es eventuell eine oder mehrere verpasste Chancen im Spielverlauf, so dass unter Umständen sogar der 1. Platz möglich gewesen wäre?
Oliver Müller: In der letzten Runde saß ich an Brett 1, hatte aber einen halben Punkt Rückstand auf meinen Gegner. Durch eine Ungenauigkeit in der Eröfnung war mir schnell klar, dass hier nicht mehr als ein Remis zu holen war, und da der spätere Weltmeister keinen Fehler machte, ist dieses Ergebnis auch eingetreten. Von einer verpassten Gewinnchance kann keine Rede sein, was für mich auch irgendwie beruhigend ist...
Nach meinem verkorksten Turnierstart hatte ich kaum noch damit gerechnet, um den Turniersieg mitspielen zu dürfen. Nachdem ich mich in der zweiten Turnierhälfte wieder ans Spitzenfeld herangekämpft hatte, fiel die Entscheidung in der 8. Runde, wo ich den Mitfavoriten IM Pachomow bezwingen konnte. Vom Turnierverlauf her bin ich mit der Silbemedaille sehr zufrieden und trauere nichts hinterher.
DSB: Sie haben sich bei der WM gegen sehr starke Gegner behauptet und das erste Mal seit 28 Jahren wieder eine Silbermedaille nach Deutschland geholt. Hat Sie dieser Sieg verändert - in Bezug auf Ihre schachlichen Ziele oder auch im sonstigen Leben? Oder geht alles wieder seinen gewohnten Gang?
Oliver Müller: Die Vizeweltmeisterschaft im Blinden- und Sehbehindertenschach ist ein schöner Erfolg, aber nicht so gewaltig, dass er mein Leben verändern könnte. Gefreut habe ich mich über die vielen Glückwünsche und die Anerkennung aus meinem Bekanntenkreis. Meine Schachfreunde von Werder Bremen haben mir kürzlich einen richtigen Empfang bereitet und eine kleine Feier organisiert, die mich ziemlich sprachlos machte, was nicht so oft vorkommt. Nach ein paar Wochen wird wieder absolute Normalität einkehren. Als schachliches Ziel habe ich mir gesetzt, in diesem Jahr meine zweite IM-Norm zu erspielen, wozu mich der gerade erreichte Erfolg natürlich sehr motiviert.
DSB: Was machen Sie, wenn Sie nicht Schach spielen?
Oliver Müller: Beruflich arbeite ich als CAD-Konstrukteur in einem Ingenieurbüro für Maschinenbau. Wenn ich in meiner Freizeit kein Schach spiele, arbeite ich ehrenamtlich als 2. Vorsitzender im Blinden- und Sehbehindertenverein Bremen e.V. und mache Musik am Klavier.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen für den DSB stellte Louisa Nitsche
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9794