15. Februar 2017
Bundesturnierdirektor – was und wer ist das? Eine zentrale Position im DSB mit viel Arbeit, Verantwortung und hohen ehrenamtlichen Engagement! Und mit einer oftmaligen Fehleinschätzung: Wer denkt, ein Bundesturnierdirektor sitzt nur am Tisch, irrt sich gewaltig. Live kann man den aktiven Einsatz am Brett und im Saal erleben. Und darüber hinaus gilt es, die nicht gerade wenigen DSB-Turniere bundesweit zu organisieren, zu leiten und attraktiv zu gestalten. Seit vielen Jahren wird dieses Amt von Ralph Alt ausgeführt. Lesen Sie anbei, wie man Ausrichter findet, Meisterschaften attraktiver machen kann und die ganze Arbeit leistet und wie man eine Erhöhung der Tagespauschalen beim DSB erreicht.
Ralph, Du bist seit über einem Jahrzehnt Bundesturnierdirektor. Wofür ist man in diesem Amt des DSB so alles zuständig?
Als Bundesturnierdirektor bin ich zum einen Vorsitzender der Bundesspielkommission, zum anderen Turnierleiter für verschiedene einzelne Verbandsturniere.
Die Bundesspielkommission besteht nach der Satzung des DSB aus den Turnierleitern (zu denen ich noch kommen werde) und den Spielleitern der Landesverbände. Sie ist zuständig für die Deutschen Schachmeisterschaften im Standardschach, im Schnellschach und im Blitzschach (Einzel und Mannschaft) sowie für die Pokalmeisterschaften und die 2. Schach-Bundesliga. Vielfach spricht man von den "Herrenmeisterschaften", um sie vom Frauen-, Senioren- und Jugendschach zu unterscheiden; tatsächlich gibt es aber keine Beschränkungen nach Alter oder Geschlecht. Die Bundesspielkommission ist allgemein für die Gestaltung des Spielbetriebs und den Terminplan der von ihr verwalteten Turniere zuständig. Änderungen der Turnierordnung gehen aber nur mit Zustimmung des DSB-Bundeskongresses.
Die Organisation der verschiedenen Meisterschaften obliegt sog. "Turnierleitern", die von der Bundesspielkommission bestellt werden. Es gibt einen Zentralen Leiter der 2. Schach-Bundesliga (Jürgen Kohlstädt), der von den Gruppenleitern der vier Zweitliga-Staffeln unterstützt wird (Michael Voß, Frank Strozewski, Jürgen Dammann, Thomas Wiedmann), und einen Pokal-Spielleiter (Thomas Wiedmann). Ich selbst bin als Bundesturnierdirektor nach der DSB-Turnierordnung Turnierleiter der Deutschen Schachmeisterschaften im Standardschach (kurz DEM), im Schnellschach und im Blitzschach (Einzel und Mannschaft).
Das ist noch nicht alles. Das Amt ist verbunden mit der Mitgliedschaft in der Schiedsrichter-Kommission und in der Gemeinsamen Kommission Bundesliga. Das ist ein Gremium, das die den Spielbetrieb der 1. und 2. Schach-Bundesliga gemeinsam betreffenden Probleme behandelt, z.B. den Spielplan oder Auf- und Abstieg. Zudem vertrete ich in der Regel – mal allein, mal zusammen mit einem Präsidiumsmitglied – den DSB in den Mitgliederversammlungen des Schachbundesliga e.V.
Das ist eine ganz schön lange Liste! Das Amt des Bundesturnierdirektors ist offensichtlich zentral für den DSB, u.a. wegen der vielen Deutschen Meisterschaften unter Deiner Ägide. Wie lange hast Du dieses Ehrenamt schon inne und warum hast Du es seinerzeit angenommen?
Ich bin erstmals 2005 beim Bundeskongress in Pfullingen zum Bundesturnierdirektor gewählt worden. Ich war zuvor schon viele Jahre als Spielleiter auf Bezirks- und Landesebene tätig, seit 1985 als Bundesliga-Schiedsrichter im Einsatz und stand acht Jahre dem Bundesturniergericht vor. So kam ich früh mit den sich aus den zunehmenden Verselbständigungsbestrebungen der Erstligavereine ergebenden Konflikten in Berührung, denen gegenüber sich der seinerzeitige Amtsträger desinteressiert verhielt. DSB-Präsident Egon Ditt musste gar die Bundesliga zur Chefsache erklären. Dass solches nicht noch einmal passierte, war mein Anliegen, als ich meine Kandidatur angemeldet hatte.
Die Suche nach Ausrichtern ist eine heikle und schwierige Aufgabe. Was hat der DSB getan, damit es besser wird?
Bis 2012 lief die Vergabe der Meisterschaften verhältnismäßig problemlos. Die kleine Einschränkung mache ich deshalb, weil es in den letzten zwölf Jahren nur einmal vorgekommen ist, dass ich mehr als einen Bewerber für eine Meisterschaft zur Auswahl hatte. Bei den Deutschen Schachmeisterschaften 2013 bis 2015 und der Schnellschach-Meisterschaft 2016 sprangen Mitglieder des DSB-Präsidiums mit ihren Landesverbänden kurzfristig ein, um die Durchführung der Turniere zu retten. Erstmals bei der Vergabe der DEM 2016 mussten Abstriche bei den Konditionen gemacht werden.
Schon 2013 hat der DSB-Kongress die Zuschüsse des Verbandes an die Ausrichter erhöht. Nunmehr, im Oktober 2016 in Lübeck, hat der DSB-Hauptausschuss einer Erhöhung der Startgelder von 75 auf 100 EUR je Übernachtung und Teilnehmer zugestimmt, nachdem noch 2013 ein entsprechender Antrag keine Mehrheit im Kongress gefunden hatte. Es sollte jetzt eher möglich sein, Deutsche Meisterschaften auch in Großstädten, wo sie mehr Beachtung finden können, zu organisieren.
Außer den finanziellen Hürden gibt es noch viele andere Hindernisse, deretwegen Vereine und Verbände nicht bereit sind, eine Deutsche Meisterschaft zu organisieren: Engagement der Vereinsmitglieder, fehlendes Mäzenatentum, fehlende Verbindung zu möglichen Sponsoren aus der örtlichen Wirtschaft, fehlende Bereitschaft, für Schach Geld in die Hand zu nehmen.
Du hast im vorigen Jahr die Erhöhung der Tagessätze des DSB für die Veranstalter pro Teilnehmer von 75 auf 100 Euro ab 1.1.2017 erreicht. Ist dies nach Deiner Meinung ausreichend? Wie können sich interessierte Ausrichter bewerben? Was müsste noch weiter unternommen werden?
Wer Interesse an der Ausrichtung einer Deutschen Meisterschaft hat, kann sich auf der Seite „Spielbetrieb“ der DSB-Website informieren. Dort steht eine Kurzfassung der Richtlinien für die Ausrichtung Deutscher Schachmeisterschaften, welche die wichtigsten Fragen beantworten kann. Detaillierte Informationen erhält, wer sich an bundesturnierdirektor@schachbund.de, d.h. an mich wendet.
Die Deutsche Einzelmeisterschaft 2016 in Lübeck wurde ohne Preisgeld ausgetragen, also „nur“ für Ruhm und Ehre. Notlösung oder tragfähiges Modell?
Mit oder ohne Preisgeld - "Ruhm und Ehre" bringt der Meistertitel kaum. Wie viele Schachspieler interessieren sich denn dafür, wer der amtierende Deutsche Schachmeister ist? Die Elo-Liste, nicht die Rangliste einer noch so gut besetzten DEM bestimmt, wer die deutschen Topspieler sind. Der Spitzenspieler einer DEM muss bei der derzeitigen Zusammensetzung des Teilnehmerkreises eher befürchten, dass er Elo-Punkte und damit an Wert verliert.
Aber zurück zur Frage! Die DEM 2016 in Lübeck war eine Notlösung; das war allen bewusst. Sie war auch nicht Gegenstand oder Ergebnis einer vorangegangenen Debatte, obwohl diese angesichts der seit 2013 anhaltenden Schwierigkeiten der Ausrichtersuche dringend nötig gewesen wäre und von mir auch angemahnt worden war.
Die grundsätzliche Auseinandersetzung darüber, ob der Deutsche Meister möglichst der beste deutsche Spieler oder der Sieger eines Turniers der Landesmeister sein soll, steht noch aus. Hier hat sich nach Lübeck schon einiges bewegt, worüber ich aber an dieser Stelle nichts sagen will. Die Debatte wird zunächst unter den Präsidenten der Landesverbände geführt, die letztlich bei Finanzen und Regelwerken entscheidend mitbestimmen.
Die DEM in Lübeck hat trotz ihrer finanzbedingten Zusammensetzung zwei wichtige Wege zu der immer wieder geforderten „Vermarktung“ des Turniers aufgezeigt:
Wenn heute die gute Schachfee beim DSB vorbeischweben würde und Du hättest drei Wünsche frei für Dein Amt. Was wären dann Deine Wünsche an den DSB, Landesverbände und Ausrichter für zukünftige Deutsche Meisterschaften?
Die Antwort scheint einfach: „1. Viel Medienberichte, 2. Sponsoren, 3. Geld“. Das wäre zu oberflächlich. Die Märchen, in denen es um drei Wünsche geht, sind eine Parabel für unbedachtes Streben nach kurzfristigem Vorteil. Man sollte eher nach den Gründen suchen, warum uns 1 bis 3 fehlen.
Das geht damit los, dass die Deutschen Schachmeisterschaften „wertlos“ erscheinen. Wer Deutscher Fußballmeister ist, weiß die ganze Welt. Wer Deutscher Schachmeister ist, weiß nur ein kleiner Prozentsatz der 90.000 Vereinsschachspieler. Warum soll ein Journalist einer Öffentlichkeit über eine Schachveranstaltung berichten, von der nicht einmal die eigenen Verbandsspieler Kenntnis nehmen? Deshalb geht mein erster Wunsch dahin, die gute Fee solle dafür sorgen, dass die 90.000 Vereinsschachspieler wissen, wer die amtierenden deutschen Schachmeister sind, dass sie vielleicht auch noch einige frühere kennen, dass sie wissen, dass (und wann) eine Deutsche Schachmeisterschaft stattfindet, und sich an den Trainingsabenden in den Vereinen einzelne Partien ebenso anschauen wie die kürzlich in New York gespielten.
Da sich die Spieler aus den Landesverbänden regelmäßig über Landesmeisterschaften qualifizieren, geht der zweite Wunsch an die Amtsträger in den Landesverbänden, doch bitte die Deutsche Meisterschaft auch als „ihre“ Meisterschaft anzusehen, auf der „ihr“ Vertreter mitspielt, und dass sie alle Kommunikationsmittel einsetzen, um das Schicksal „ihres“ Meisters in der laufenden Meisterschaft zu begleiten, um bei den Vereinsspielern ein Bewusstsein für die Deutsche Meisterschaft zu schaffen.
Der dritte Wunsch betrifft die Vereinsspieler wie auch die Amtsträger auf allen Ebenen. Zu viele hängen dem Glauben an, Schach sei eine einfache und billige Sportart, für die sich kaum jemand in der Öffentlichkeit interessiert. Beides ist falsch. Die gute Fee möge dafür sorgen, dass damit zu Ende ist; und sie möge bei den Amtsträgern beginnen.
Lieber Ralph, danke für das spannende und offene Interview. Ich lese und erkenne darin erste Arbeits“aufträge“ für uns und viele Gemeinsamkeiten in den Ideen. Packen wir es an! Der Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Verbandsentwicklung trägt gerne aktiv seinen Teil dazu bei, dass es mit den Turnieren des DSB wieder aufwärts geht.
Uwe Pfenning
DSB-Vizepräsident für Verbandsentwicklung
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 21702