17. August 2016
Der Satranç Club 2000 in Köln ist ein herausragendes Beispiel für gelungene Integration. Anfangs gab es bei den "Schachfreunden nichttürkischer Herkunft noch eine kleine Hemmschwelle" dem Verein beizutreten, wie Güven Manay in einem kürzlichen geführten Interview mit unserem Öffentlichkeitsreferenten Frank Neumann sagte. Doch ab dem zweiten Jahr seiner Existenz bekam der Verein auch aus der deutschen und anderen Kulturen Zulauf.
Lesen Sie nachfolgend das komplette Interview mit Güven Manay.
Sie engagieren sich seit Jahren in Köln für die Integration und veranstalten mit dem Schachverein ""Satranç Club"" das Turnier Interkulti. Geben Sie uns einen kleinen Einblick hinter die Kulissen!
Korrekt, wir haben unseren Verein um die Jahrtausendwende gegründet. Die meisten Gründungsmitglieder spielten zuvor in anderen Vereinen. Es war nach unserer Meinung notwendig, einen Verein zu gründen, der auch den Gedanken der interkulturellen Verständigung in seiner Satzung und in seinen Handlungen verankert. Zu Beginn schien es bei Schachfreunden nichttürkischer Herkunft noch eine kleine Hemmschwelle zu geben, uns beizutreten. Dies könnte am Vereinsnamen gelegen haben (Satranç ist das türkische Wort für Schach). Ab dem zweiten Vereinsjahr begann glücklicherweise der Damm zu brechen. Es kamen immer mehr Mitglieder aus vielen verschiedensten Kulturen und Weltanschauungen. Das ist toll. Diverse Kooperationen, wie zum Beispiel "Vereint gegen Rechtsextremismus" des Bundesinnenmisteriums gehören dazu. Wir führen einmal im Jahr das "Interkulturelle Schachturnier" durch, welches eine Art Markenzeichen, deutlich über die Kölner Grenzen geworden ist. Auch Städtepartnerschaftsturniere und andere Veranstaltungen zur Völkerverständigung waren immer wieder mal an der Tagesordnung.
Finden Sie inzwischen Nachahmer, angesichts der Tatsache, dass Ihr Thema inzwischen brandaktuell ist?
Das Thema war auch damals aktuell. Wenn es heute in Deutschland Übergriffe jedweder Extremisten gegen wehrlose Menschen in Flüchtlingsheimen, Silvesterfeiern, gegen Moscheen, Synagogen und Kirchen etc. gibt, waren damals auch schon die Brände in Solingen und Mölln noch frisch im Gedächtnis. Ich würde die anderen Vereine nicht als Nachahmer bezeichnen, aber in vielen Fällen waren wir eine Inspiration für diese. Vereine wie die Fidelen Bauern Leverkusen, Wittekinds Knappen oder Schachfreunde aus Lünen waren nach einem Besuch bei uns so begeistert, dass diese auch etwas eigenes auf die Beine gestellt haben. Diese Turniere habe ich auch persönlich besucht und war begeistert.
Auch andere Vereine bitten wir, Vergleichbares in die Tat umzusetzen. Interkulturelles Denken und Handeln darf kein 'Patent' von wenigen Vereinen sein, sondern muss Allgemeingut werden. Unser Bekanntheitsgrad führte dazu, dass auch andere Menschen mit uns in Kontakt kamen, die unabhängig von uns ebenfalls Schach für ein besseres Miteinander der Kulturen nutzen. Gerne lese ich zum Beispiel Berichte von Jürgen Woscidlo und Dr. René Gralla, die in Norddeutschland Veranstaltungen in verschiedensten, teils hier unbekannten historischen 'Schachversionen' aus Japan, Äthiopien, etc. durchführen, oder vergessen geglaubte Formen des Schachspieles wiederentdecken, wie z. B. von den Osmanen. Oder von Jan Erik Schaper, der immer über Schachveranstaltungen gegen Rechtsextreme in Kaltenkirchen berichtet... und viele mehr. Ich weiß auch von interkulturellen Veranstaltungen im Osten Deutschlands.
Mein Respekt gilt allen Schachfreunden, die Ihr Bestes tun, ein positives Image Ihrer Region zu vermitteln Auch Otto Borik vom Schach-Magazin, andere Zeitschriften oder alle seit Vereinsgründung im Amt befindlichen Pressereferenten des DSB berichten über uns. Toll war es, dass Medien aus der Türkei, Österreich, dem Vereinigten Königreich, anderen Ländern sowie das schwedische(!) Fernsehen immer wieder über uns berichteten.
Wie beurteilen Sie die Zukunft Ihrer Initiative? Welche Aktionen sind noch geplant?
Unser Hauptziel ist und bleibt natürlich weiterhin, Schach zu spielen. Dass wir dieses Jahr in den beiden höchsten Kölner Spielklassen als Gruppensieger aufgestiegen sind, ist nicht unser erster sportlicher Erfolg. Aktuell sind wir dabei, die "irdischen" Probleme zu lösen, die wir natürlich genauso wie jeder andere Schachverein haben. Themen wie Spiellokal, Vereinsabend und Mitgliederfluktuation stehen für uns genauso im Fokus wie für die meisten anderen Vereine. Bei allen genannten Themen freuen wir uns über externe Hilfe. Wir wissen aber auch, dass die heutige Gesellschaft keine andere Chance mehr hat, als kulturelle Besonderheiten des jeweils anderen Mitmenschen als selbstverständlich anzusehen und auf Augenhöhe zu betrachten. Im Beruf und im Privatleben muss dies gleichermaßen selbstverständlich sein. Wir müssen alle miteinander reden, statt übereinander.
Integration und Inklusion sind daher wichtige Begriffe, die es gilt mit Leben zu füllen… selbstverständlich unter Beibehaltung des vollen Respekts gegenüber der hiesigen Kultur.
Politische Einstellungen, religiose Überzeugungen sowie sonstige persönliche Weltanschauungen treten bei uns in den Hintergrund, wenn es um die Verwirklichung gemeinsamer Ziele geht, wie die Förderung des Schachs, beispielsweise durch interkulturelle Turniere und unsere Jugendarbeit. Toll ist zum Beispiel, dass unsere U14 im letzten Jahr den ersten Platz im Kölner Schachverband belegt hat, und zwar mit Schachfreunden aus Deutschland, der Türkei und Armenien. Zuvor hatten wir ein Meisterteam, in dem Kosovaren und Serben Seite an Seite spielten. Dass Türken und Griechen Seite an Seite spielen, ist genauso selbstverständlich. Ein weiteres Ziel wäre, Deutsche und Niederländer zusammen spielen zu lassen (lacht). Das Wichtigste ist am Ende der Spaß am Schach, der Rest stellt sich in Verbindung mit einer gesunden Weltanschauung von selber ein.
Güven Manay ist seit dem Jahre 2000 Vorsitzender des Interkulturellen Schachvereines Satranç Club 2000. Er ist in Köln geboren und aufgewachsen, und hat dort in den Neunziger Jahren sein Studium der Betriebswirtschaftslehre abgeschlossen. Er ist verheiratet, hat ein Kind und spielt seit den 80er Jahren Schach. Auch in anderen Bereichen setzt er sich für die Förderung der Interkulturellen Verständigung ein (als Vorstandsmitglied der Türkischen Akademiker Deutschlands e.V.). Er arbeitet im Management eines japanischen Unternehmens, so dass er aus vielerlei Bereichen um die Bedeutung des Themas Diversity weiss, um sehr gut miteinander leben und arbeiten zu können.
Interview: Frank Neumann
Einleitungstext: Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 21228