25. Oktober 2013
Im Juli haben der Deutsche Schachbund und die Schachföderation Norwegens in Frankfurt einen Kooperationsvertrag unterschrieben. Im Anschluss an den FIDE-Kongress in Tallinn (Estland) Anfang Oktober bot sich nun die Gelegenheit zu weiteren Gesprächen. Herbert Bastian unterhielt sich mit dem Präsidenten der norwegischen Schachföderation Jöran Aulin-Jansson (52) über aktuelle Themen der internationalen Schachpolitik.
Lieber Jöran,
seit einiger Zeit erlebt der Schachsport in Norwegen einen gewaltigen Aufschwung. Es finden teure Spitzenturniere statt und man hofft, mit Magnus Carlsen einen norwegischen Weltmeister zu bekommen. Du bist berufstätig und hast Familie. Wir schaffst Du es, alle diese Dinge zu regeln?
Antwort: Um ehrlich zu sein, ich bin nicht sicher ob ich das wirklich hinbekomme. Aber ich hoffe, dass ich meine Belastungen einigermaßen fair ausbalanciere. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass mir viele Leute in der norwegischen Schachgemeinde helfen.
Seit wann bist Du Präsident der norwegischen Schachföderation?
Antwort: Ich wurde im Juli 2007 gewählt.
Während des FIDE-Kongress in Tallinn haben wir mit Horst Metzing zusammen einige Gespräche über Schachpolitik geführt. Es ist bekannt, dass Garri Kasparow Sympathien für Norwegen hat. Als Ausrichter der Schacholympiade verhält Norwegen sich derzeit neutral. Welche Wünsche sollten die Europäer Deiner Meinung nach an die künftige FIDE-Führung richten?
Antwort: Meine Hoffnungen an die in Tromsø zu wählende Führung gehen dahin, dass sie es schaffen, Schach auf eine bessere Weise mit einem potenten Partner, der ein Partner der gesamten Schachwelt sein möchte, zu vermarkten. Außerdem hoffe ich, dass sie dazu in der Lage sind, den maßgeblichen Autoritäten zu zeigen, auf welch positive Weise das Schachspiel auf Kinder einwirken kann. Berechenbarkeit und Innovation sind ebenfalls Schlüsselworte für mich.
Kannst Du uns außer Schulschach drei große Themen nennen, um die sich die Schachpolitik in den nächsten Jahren international kümmern muss, sowohl ECU als auch FIDE?
Antwort: Schach in der Erziehung, Schach als ein Instrument, um die Gemeinschaft zu verbessern, und die Herstellung von Gegenwerten für Sponsoren für das Geld, das sie geben.
Vor ein paar Monaten haben der Deutsche Schachbund und die Norwegische Schachföderation einen Kooperationsvertrag unterschrieben. Erste Verabredungen über gemeinsame Aktivitäten sind getroffen. So nimmt an der kommenden ND-Gala eine Spielerin aus Norwegen teil. Was verspricht sich Norwegen von der Kooperation?
Antwort: Ich hoffe, mehr darüber zu lernen, wie der große Deutsche Schachbund organisiert ist, und ich hätte gerne die Gelegenheit, mit sehr guten deutschen Schachspielern zu trainieren. Schulschach ist ebenfalls sehr interessant.
Kannst Du uns ein Thema nennen, von dem du glaubst, dass der Deutsche Schachbund etwas von den Norwegern lernen könnte?
Antwort: Nun, ich weiß nicht ob wir euch etwas lehren können, aber wir freuen uns sehr, wenn wir Erfahrungen austauschen können.
In Tallinn hat es ernste Überlegungen dazu gegeben, im kommenden Frühjahr ein Treffen der europäischen Schachnationen durchzuführen. Man will die momentane Lage in den europäischen Verbänden analysieren, um daraus Erwartungen an die künftige Führung vor allem der ECU abzuleiten. Der Schachsport benötigt neue Ideen über die Kampagne um das Schulschach hinaus, um sich in der Landschaft des Sports zu behaupten. Wie denkst Du darüber?
Antwort: Ich schaue jedem Treffen mit einer solchen Agenda positiv entgegen.
Nochmal zum Schulschach. Wie kann man Deiner Meinung nach die Aufgabe lösen, einen merklichen Anteil der Kinder, die in den Schulen das Schachspiel erlernen, dauerhaft in die Vereine und Clubs zu führen?
Antwort: In Norwegen haben wir dieses Problem noch nicht gelöst. Aber ich glaube dass die Antwort darin zu finden ist, wie wir unsere Schachclubs organisieren und unterstützen. Wir müssen in den Clubs mehr Aktivitäten schaffen, so dass es erstrebenswert ist, Clubmitglied zu werden und den Club regelmäßig zu besuchen.
Seit 2011 gibt es gemeinsame Bestrebungen in Deutschland und Österreich, das Frauenschach zu einem europäischen Thema zu machen. Es geht darum, mehr als die bisher etwa 7% weibliche Mitglieder in die Clubs zu bekommen. Was glaubst Du, wie man Fortschritte erzielen kann, und denkst Du, dass die Männer schon bereit sind, mehr Frauen in den Schachclubs zuzulassen?
Antwort: Ich glaube nicht dass das Problem darin besteht, dass die Männer Frauen in den Clubs nicht akzeptieren, es liegt mehr daran, dass wir in den Clubs keine angenehme Umgebung für Frauen schaffen.
Noch eine Frage aus einem anderen Bereich. Wie geht man in der Norwegischen Schachföderation mit dem Thema „Marketing“ um? Gibt es eine dafür beauftragte Person?
Antwort: Wir haben keine spezielle Person für diese Aufgabe, aber ich ermutige alle Mitglieder meines Teams danach Ausschau zu halten, wie man Türen öffnen kann. Persönlich tue ich das auch, jedoch mit begrenztem Erfolg.
Abschließend: Was bedeutet Dir persönlich das Schachspiel?
Antwort: Gut, es sagen viele Leute, dass sie das Schachspiel lieben, aber ich tue es wirklich. Ich bin nahe dran, süchtig danach zu sein. Ich begann mit dem Schachspielen, als ich 10 war, und in den nächsten 41 Jahren und mit Ausnahme von vielleicht 5 Tagen habe ich jeden Tag mindestens eine Partie gespielt. Davor hatte ich meine Frau gewarnt, aber damals glaubte sie mir noch nicht. Nach mehr als zehn Jahren Ehe ist sie nun davon überzeugt!
Lieber Jöran, herzlichen Dank für Deine Antworten!
Herbert Bastian
DSB-Präsident
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9195