1. Juni 2021
Die am Sonntag beendete Europa-Qualifikation für den FIDE World Cup war eines der ersten großen hybrid durchgeführten Turniere. Wie schon beim Mitropa Cup kamen die Spieler:innen also nicht an einem zentralen Ort zusammen, sondern spielten unter Aufsicht von Schiedsrichtern an verschiedenen Orten von ihren Rechnern aus gegeneinander. Der erfahrene Schiedsrichter und ehemalige Bundesturnierdirektor Ralph Alt war für den DSB am Spielort der deutschen Teilnehmer:innen in Magdeburg im Einsatz. Kevin Högy hat ihn für uns zur neuen Spielform Hybridschach befragt.
Wenn Du einmal vergleichst, welche Aufgaben Du als Schiedsrichter bei einem „normalen“ Präsenzschachturnier hast und wie es nun bei einem Hybridschachturnier aussieht, welche Unterschiede und Besonderheiten gibt es?
Manches ist einfacher: Der Schiedsrichter muss z. B. nicht aufpassen auf regelwidrige Züge, Stellungswiederholungen, 50 Züge-Regel, Berührt-geführt, Zeitüberschreitung; das macht alles die Spielplattform.
Was sich gleicht: Einhaltung der Fair Play-Regeln, also Kontrolle von Spielern und Turnierbereichen.
Anders: Die ständige Kommunikation mit dem in seinem Arbeitszimmer vor dem Computer sitzenden Hauptschiedsrichter oder dessen Deputy; Achtgeben, dass die Spieler richtig eingeloggt sind, dass die Verbindung zur Spielplattform steht, und Ähnliches.
Du bist selbst Internationer Schiedsrichter der zweithöchsten Kategorie (B), hier vor Ort in Magdeburg gemäß den Bestimmungen der ECU aber „nur“ lokaler technischer Schiedsrichter, denn der Hauptschiedsrichter sitzt in der Türkei. Wie funktioniert die Abstimmung mit den Kollegen aus ganz Europa?
Kleine Korrektur: Es gibt noch den „lokalen Hauptschiedsrichter“, der im Turniersaal die Abläufe organisieren muss, für die Kommunikation mit dem Hauptschiedsrichter oder dessen Stellvertreter sorgt, den Spielern alle notwendigen Hinweise gibt und auch einige Entscheidungen trifft. Dieser sollte nach den Turnierbedingungen nicht aus dem eigenen Land kommen. Hier in Magdeburg war es Arkadiusz Korbal aus Polen.
Apropos funktionieren – wie sieht es mit der Technik bei auch im Spielsaal aus? Im Vergleich zum Mitropa-Cup sind ja nun im gesamten Spielsaal LAN-Kabel verlegt. Funktioniert alles zu Deiner Zufriedenheit?
Ich denke, es hat bestens geklappt. Und ich selbst habe hier noch Einiges dazu gelernt.
Gibt es denn Spielsäle anderer Nationen, die Dir gut gefallen und von denen wir uns noch ein wenig abschauen können?
Im Vergleich zu andere Spielsälen, die ich per Videokonferenz sehen konnte, haben wir einen sehr guten Spielsaal gehabt. Den Vogel hat die Ukraine abgeschossen: ein großer Konferenzraum mit rundem Konferenztisch, vermutlich in einem Regierungsgebäude.
Du hast jetzt ja einige Runden Hybridschach im Turniersaal miterlebt. Fühlt sich Hybridschach aus Deiner Sicht wie ein „echtes Schachturnier“ an? Spürst Du die typische Anspannung, die in der Luft liegt?
Anspannung fühlt man schon. Trotzdem bleibt es immer das „halbe“ Turnier.
Hast Du vielleicht aus Deinen vielen Gesprächen mit den Spielern ein paar Einblicke sammeln können, welches Feedback sie einerseits für die Spielbedingungen vor Ort und andererseits für das Hybridschach insgesamt geben können?
Die Spielbedingungen hier in Magdeburg wurden als „super“ bezeichnet. Spielen am Brett wird eindeutig bevorzugt. Unter den gegenwärtigen Einschränkungen kommt das Hybridschach dem noch am nächsten, zumal die Gefahr von „Cheating“ hier nicht so hoch ist wie beim reinen Online-Schach. Manche sehen auch das Hybridschach als eine künftige Möglichkeit an, Schach zu spielen ohne lange Entfernungen und Reisezeiten auf sich nehmen zu müssen.
Vielen Dank für das Interview, Ralph!
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 23945