14. August 2012
Wie werden Ideen geboren? Oft hilft hierzu ein spezieller Anlass. Der 12 Jahre alte interkulturelle, ursprünglich mal von türkischstämmigen Mitgliedern begründete Kölner Schachverein "Satranç Club 2000" hat Schachsportler aus aller Herren Länder unter seinem Dach vereint. Gerne nimmt der nach wie vor überschaubare Verein einen aktuellen Anlaß und weist auf diesen mit einem besonderen Event hin, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zumindest für einen Moment wieder auf den Schachsport zu lenken. War es zum Beispiel im Jahre 2008 die Schacholympiade in Dresden, ist dies nun die Schacholympiade 2012 in Istanbul.
Hinzu kommt noch ein weiterer Umstand: Köln und Istanbul sind seit 15 Jahren Partnerstädte. Im Jahre 1997 unterzeichneten der leider in diesem Jahr verstorbene damalige Kölner Oberbürgermeister Norbert Burger und Recep Tayyip Erdogan, damals noch Istanbuler OB und jetziger Ministerpräsident der Türkei die Städtepartnerschaftsurkunde. Seitdem arbeitet der im gleichen Jahr gegründete Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln - Istanbul e.V. für gute Beziehungen zwischen den beiden Städten.
Als Herr Güven Manay vom Satranç Club 2000 im Februar diesen Jahres auf seine Bekannten Walter Kluth (von 1989 – 2009 Mitglied des Kölner Stadtrates) und Monika Bongartz aus dem Vorstand des Köln-Istanbul-Vereines zukam, um ein Event zu besprechen, war klar: Eine gute Möglichkeit wäre die Durchführung eines Online-Schachturnieres zwischen zwei Auswahlmannschaften von Köln und Istanbul.
Was sollte nun die Besonderheit dieses Turnieres sein? Beide Mannschaften sollten dennoch in einem Raum sitzen, und nicht etwa, wie oft bei Onlineschachturnieren üblich, etwas anonym zuhause.
Da Herr Walter Kluth zufällig auch noch Vorsitzender des Ehrenfelder Vereines für Arbeit und Qualifizierung (eva) ist und dieser Verein obendrein auch noch über EDV-Schulungsräume verfügt, ging die Idee perfekt auf. Die Kölner Mannschaft hatte in kürzester Zeit einen Spielsaal gefunden.
Güven Manay ging mit dieser Idee nun auch auf den Deutschen und den Türkischen Schachbund zu. Beide waren begeistert über diese Initiative. Prompt hatte man auch Kontakt zu der von Herrn Fuat Ergür geleiteten Istanbuler Schachföderation. Diese wiederum organisierten die Räumlichkeiten des im Jahre 1943 gegründeten Schachvereines Istanbul Satranc Dernegi im Istanbuler Stadtteil Sisli.
Als Termin wurde der 12. August gewählt, damit die Istanbuler Schachfreunde anschließend unabgelenkt die letzten Vorbereitungen auf die Schacholympiade treffen können. Der Nachteil für die Kölner war wiederum, dass viele wichtige Spieler, darunter gar Großmeister, gerne dabei gewesen wären, jedoch aufgrund der Sommerferien verreist waren. Somit einigte man sich darauf, dass Köln die Spielstärke vorgibt und Istanbul eine vergleichbare Mannschaft zusammenstellt. Dies ist Istanbul aufgrund eines (zumindest während der Sommerferien) größeren Spielerpools möglich und so konnte es auch ein ausgeglichenes Match geben. Mehrere Vereinsvorstände taten Ihr möglichstes um Spieler bereitzustellen. Ein nach Bayern verreister starker Kölner Spieler bot sogar an, sich von dort aus in das Turnier einzuloggen. Dieses und andere sehr lobenswerte Angebote behielt man sich zwar für den Notfall vor, entschied sich aber aufgrund des Eventcharakters für 10 Spieler vor Ort.
Auch die Online-Schiedsrichterin des Wettkampfes bei Chessbase ist symbolträchtig für die Interkulturelle Verständigung: Es handelt sich um die Frauen-Fidemeisterin Emine Yanik Süral. Sie ist in Dortmund aufgewachsen und lebt derzeit in der Türkei. Dass in der Kölner Mannschaft mit Uli Thiemonds sogar ein ehemaliger Betreuer von ihr bei einer Junioren-WM aus den 90er Jahren dabei ist, zeigt wie klein die Welt ist.
Unter den vereinslosen Kölner Teilnehmern fiel das Augenmerk schnell auf das Ehepaar Lücke, mit dem Internationalen Meister Norbert und der Frauen-Fidemeistern Eneida, die bei der Schacholympiade in Istanbul auch im Kader der Nationalmannschaft der Dominikanischen Republik ist.
Br. | Istanbul | Elo | 5½:4½ | Köln | Elo |
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1 | IM Mert Erdogdu | 2435 | 0:1 | IM Norbert Lücke | 2360 |
2 | FM Selim Citak | 2345 | ½:½ | Reinhard Bonnmann | 2258 |
3 | Onur Kinsiz | 2205 | 1:0 | Martin Schmidt | |
4 | Bulent Guner | 2100 | 0:1 | Farhad Karimi | 2219 |
5 | FM Ates Ulker | 2083 | 1:0 | IM Evgenij Haskelman | 2190 |
6 | Deniz Seyhanoglu | 2072 | 1:0 | WFM Perez Eneida Lucke | 2073 |
7 | Deniz Firat | 1657 | 0:1 | Uli Thiemonds | |
8 | Hakan Mete Tastan | 2010 | 1:0 | Martin Bergemann | 1909 |
9 | Orkun Dizdar | 1876 | 1:0 | Dirk Langen | |
10 | Ahmet Ata Caglar | 1717 | 0:1 | Mesut Altok |
Nach kurzen Eröffnungsreden von Walter Kluth, Güven Manay und dem ebenfalls eingeladenen, frischgebackenen Vorsitzenden des Kölner Schachverbandes, Andreas Gerdau, mit dem Inhalt der Bestärkung der Städtepartnerschaft und Förderung des Schachsports konnte es losgehen.
Wie so oft, kommt es erstens etwas anders, und zweitens als man denkt. Ein Kölner Spieler musste kurzfristig absagen, für den einer der anwesenden Spieler des Satranç Club einsprang. Und ausgerechnet in Istanbul gab es ein fürchterliches Unwetter, weshalb neben dem Straßenverkehr zwischenzeitlich sogar die Internetverbindung drohte, abzubrechen. Trotz aller Widrigkeiten konnte der Startbutton für einen schönen und zwischenzeitlich sehr spannenden Wettkampf gedrückt werden.
Köln ging am siebten Brett schnell in Führung. An Brett 9 folgte nach einer halben Stunde das 1:1 durch die Niederlage des kurzfristig eingesprungenen Kölner Spielers. Brett 2 trennte sich remis... die Spannung bliebt also aufrecht bei einem Spielstand von 1½:1½. Nach einer längeren Zeit ohne besondere Vorkommnisse sollte es drei herbe Rückschläge in Folge geben. Brett 3, 5 und 8 verloren. So stand es auf einmal 1½:4½ gegen Köln! Manches deutete nun auf eine mögliche hohe Niederlage der Kölner hin. Dann jedoch bäumten sich die Kölner mit ihrer Endspielerfahrung gegen teilweise junge Istanbuler auf und es stand 4½:4½. Die letzte Partie sollte es entscheiden. Dort jedoch war die Lage mittlerweile hoffnungslos und man verlor an Brett 6. Schade aus Kölner Sicht und ein guter Start für die Istanbuler, aber es war ein spannender Kampf und sicherlich eine gute Saisonvorbereitung für alle!
Die Veranstalter Satranç Club und der Köln-Istanbuler Verein bedanken sich u. a. auch bei der Schachgemeinschaft Porz, dem Klub Kölner Schachfreunde, dem Schachverein Grünfeld und den Ford Schachfreunden für die zur Verfügung gestellten Spieler. Viele andere Kölner Vereine haben sich ebenfalls um Spieler bemüht, in Teilen sogar intensiv, wofür diesen ebenfalls ein Dank für die gute Absicht gebührt. Gleiches gilt auch für das Satranç Club-Mitglied Edgar Hennig, der seine EDV-Kenntnisse bei der Wartung der Rechner in Köln souverän umsetzte. Für die Teilnehmer gab es Urkunden und Anstecknadeln. Medaillen aus der Türkei sind als Dankeschön für die Teilnahme ebenfalls nach Köln unterwegs, genauso wie eine Urkunde des Satranç Club nach Istanbul und an den Köln-Istanbul-Verein für die sehr gute Kooperation. Nicht zuletzt gilt der Dank aber auch den Zuschauern, die die Bedeutung des Events auch hervorgehoben haben. Es war eine sehr interessante Mischung aus vor Ort anwesenden Zuschauern und virtuellen Kiebitzen aus aller Welt. Es hat allen Spaß gemacht, auch das vom Köln-Istanbul Verein organisierte Catering und die Dekoration hat sehr vielen gefallen. Der Satranç Club und der Istanbuler Schachverein Istanbul Satranç Dernegi planen auch die Erstellung eines gemeinsamen Turnierbüchleins für die Vereinsarchive.
Was das Sportliche angeht: Am Ende des Wettkampfes war gar von einem möglichen Revanchematch die Rede... wir sagen, warum nicht?
Köln wünscht der Stadt Istanbul viel Erfolg bei der Ausrichtung der Schacholympiade vom 27. August bis zum 10. September!
Güven Manay
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 474