27. April 2005
Der Schachsport in Uganda erfreut sich großer Beliebtheit.
So wurde jüngst der Sieger des Oster-Opens in Kampala zum Sportler des Jahres gekürt. Die Nationalmannschaft (6 Spieler und 2 bis 3 Offizielle) sucht Möglichkeiten, internationale Erfahrung zu sammeln. Die Reisekosten werden durch Sponsoren aufgebracht.
Es werden daher Veranstalter von offenen Turnieren in Deutschland gesucht, die bereit sind, der Nationalmannschaft eine Turnierteilnahme zu ermöglichen und deren Aufenthaltskosten zu tragen. Als Besuchszeitraum kämen die Monate Juli bis September 2005 in Frage. Entsprechende Kontakte zur Schachföderation von Uganda kann die DSB-Geschäftsstelle herstellen.
Der nachstehende Bericht zum Schach in Uganda stammt vom Ständigen Vertreter der Deutschen Botschaft in Uganda, Herrn Holger Seubert.
Louisa Nitsche
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
Kampala/Uganda
Schach in Uganda. Schach in Uganda?
Stellen Sie sich vor, Sie sind in Ostafrika, nahe dem Äquator. Das Wetter dort ist, wie’s immer ist (Äquator eben!), nämlich angenehm warm und trocken. Nun ja, Westafrikaner würden 25 Grad im Schatten wohl nicht als "angenehm" bezeichnen, sondern eher den Pulli rausholen. Aber Sie als Europäer fühlen sich an Urlaub in Italien erinnert und daher pudelwohl.
Die Menschen, die Sie sehen, sind arm, teilweise extrem arm, viele von ihnen müssen von weniger als 1 Euro pro Tag leben. Trotzdem (oder gerade deshalb?) sind alle sehr freundlich und zuvorkommend – erstaunlicherweise auch Ihnen gegenüber, obwohl Sie, unschwer zu erkennen, ein Muzungu (Sammelbezeichnung für die Weißen, wörtlich ‚der Weithergereiste’) sind und Ugander mit Ihresgleichen in den letzten 150 Jahren nicht immer die allerbesten Erfahrungen gemacht haben.
Stellen Sie sich weiter vor, Sie sitzen unter einem großen, schattenspendenden Mangobaum, auf einem wackeligen Stuhl, der wohl eher für Lasten bis 50 Kilo gedacht zu sein scheint. Vor Ihnen steht ein Plastiktisch, an dem sonst Matoke (Kochbanane) oder Posho (Maisbrei) verzehrt wird. Matoke und Posho sind DIE Grundnahrungsmittel in Uganda, auch für die Ärmsten der Armen erschwinglich, so dass in vielen Familien an einem Tag Matoke mit Posho und am nächsten Posho mit Matoke auf den Tisch kommt. Richtig satt wird davon niemand.
Stellen Sie sich nun noch vor, dass Ihnen gegenüber ein Ugander sitzt, so Mitte 40 (damit hätte er die durchschnittliche Lebenserwartung schon überschritten), Sie aufmerksam musternd. Er scheint auf irgendeine Reaktion Ihrerseits zu warten, aber Sie müssen sich erstmal sammeln und sinnieren, welche Laune des Schicksals Sie an diesen Ort gespült hat. Erst danach blicken Sie auf das Schachbrett vor Ihnen und merken, dass Ihr Gegenüber eine abgenutzte Figur, die in ihrem früheren Leben wohl mal ein Bauer war, nach e4 geschoben hat. Automatisch erwidern Sie 1…b6 (zumindest ist es das, was ich Ihnen raten würde) und die Partie beginnt.
Unrealistisch? Keineswegs! In Uganda wird Schach gespielt, und das nicht schlecht. Aber der Reihe nach: Im Juli 2003 wurde ich als Ständiger Vertreter an die Deutsche Botschaft in Kampala versetzt (statt ‚Laune des Schicksals’ also eher ‚Laune des Auswärtigen Amts’...). Als begeisterter Schachspieler habe ich mich natürlich sogleich auf die Suche nach Gleichgesinnten begeben. Diese hoffte ich im Kreise meiner Diplomatenkollegen zu finden – angesichts der starken Präsenz russischer, englischer und amerikanischer Expatriates schien mir dies ein durchaus aussichtsreiches Unterfangen. Umso größer die Enttäuschung, als ich in der hiesigen Ausländergemeinde nur ein paar Anfänger (mit anderen Worten noch größere Patzer, als ich selbst) ausfindig machen konnte. Eher zufällig – auf einem der für meinen Beruf typischen Abendempfänge - begegnete ich einem älteren Herren, der sich mir als Vorsitzender der Uganda Chess Federation vorstellte. Am nächsten Tag war ich Mitglied in einem ugandischen ‚Schachclub’. Der Begriff ist allerdings irreführend: Meist handelt es sich um die Privatinitiative eines Einzelnen, der – welch Luxus! - ein oder zwei Schachbretter und –figuren sein Eigen nennt und sie einmal wöchentlich in eine Bar mitbringt. Gespielt wird nach dem Prinzip ‚Sieger bleibt sitzen’, was – angesichts einer ganzen Traube Wartender – dauern kann.
Zu meiner großen Überraschung erfuhr ich, dass es in Uganda sogar eine Schachliga gibt. Die National League besteht aus 12 Teams, gespielt wird an 4 Brettern. Letzteres – 4 Schachsätze organisieren zu müssen – stellt für manches Team eine große Herausforderung dar, so dass es durchaus vorkommen kann, dass (insbesondere an Brett 4) auch mal an einer Miniaturausgabe eines unvollständigen Steckschachs gespielt wird. Zu meinem Glück wurde ich ehrenhalber (als exotischer Muzungu, keineswegs aufgrund meiner Spielstärke) an Brett 1 meiner Mannschaft aufgestellt, wo mit der Luxusversion, d.h. mit einem in der Regel vollständigen Figurensatz, gespielt wird. Gewöhnungsbedürftig war für mich auch die Tatsache, dass es keine Schachuhren gibt – klar, wer sollte die auch bezahlen? Dies verleitet zu der Unsitte, schlechtere Stellungen gegebenenfalls "zum Remis auszusitzen". Denn wer hat schon Lust, um 8 Uhr Abends, wenn die Ehefrau zuhause schon das Nudelholz zurechtlegt, eine kleine Ewigkeit auf jeden Zug des Gegners zu warten? Ich finde so etwas – die ‚Erpressung’ eines Remis - natürlich unerhört und unsportlich und habe daher selbst nur gaaanz selten davon Gebrauch gemacht.
War die Existenz eines ugandischen Ligabetriebs schon eine Überraschung für mich, so konnte ich die Zeitungsmeldung, derzufolge eine ugandische Nationalmannschaft zur Schacholympiade nach Mallorca aufgebrochen sei, kaum glauben. Doch tatsächlich war es der Uganda Chess Federation gelungen, Sponsoren aufzutreiben, die die Teilnahme an der Olympiade ermöglicht haben. Die 6 furchtlosen Ugander, die sich in einer Vorausscheidung qualifizieren konnten, haben ELOs zwischen 2100 und 2250 – aus meiner Warte allemal respektabel, aber für Erfolge bei Olympia wohl doch zu wenig. Zum Glück spielte die Endplatzierung (Platz 99 von 129) keine große Rolle - den beiden großen Tageszeitungen, die täglich (!) ausführlich von den Taten der ugandischen Schachhelden berichteten, ging es lediglich um eine Platzierung vor dem Nachbarn Ruanda (was wieder gelang). Welches Potential in den Spielern steckt, wird daran ersichtlich, dass Uganda an der einen oder anderen Olympia-Überraschung beteiligt war: So konnte sich z.B. der an Brett 1 für Lettland spielende GM Sweschnikow glücklich schätzen, mit einem Remis davonzukommen (Kommentar seines ugandischen Gegners: ‚Kaum spielt er mal nicht Sweschnikow, schon steht er schlecht.’).
Schach ist in Uganda eine aufstrebende Sportart, und schon mit kleinen Gesten der Solidarität kann man den Menschen hier viel Freude bereiten. So wurde eine Materialspende (zwei Dutzend Schachsätze und Uhren) meines Heimatvereins, der Schachgemeinschaft Siemens (SGS) Erlangen, geradezu mit Begeisterung aufgenommen. Es handelte sich, wohlgemerkt, nicht um neue, sondern um durchaus betagte Sätze: Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, junge Ugander mit jenen Figuren spielen zu sehen, mit denen ich als SGS-Jugendspieler Anfang der 80er Jahre meine ersten Turniererfahrungen gesammelt habe. Und das allermerkwürdigste ist, dass diese Uralt-Figuren von meinen ugandischen Schachfreunden überschwänglich als ‚geradezu neuwertig’ bezeichnet wurden! Unterstützung des ugandischen Schachsports kam auch von der Bundesregierung: Es bedurfte keiner großen Überzeugungsarbeit meinerseits, um das Auswärtige Amt von der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer großzügigen ‚Sportgerätespende’ zu überzeugen. Ich übertreibe nicht, wenn ich berichte, dass bei der Übergabe der 50 (diesmal neuen) Schachsätze die eine oder andere ugandische Träne floss…
Die ersten Schritte sind also getan, doch es fehlt noch an so vielem:
1) So sucht die Uganda Chess Federation nach Sponsoren, die den Erwerb von Computerhardware (idealerweise samt Chessbase- und Fritz-Programm) für das UCF-Büro ermöglichen.
2) Ugandischen Topspielern bietet sich nur selten die Möglichkeit, an ELO-ausgewerteten Turnieren teilzunehmen (sowas gibt es in Ostafrika nicht). Zwar hat der ugandische "Erfolg" bei Olympia die hiesigen Sponsoren zufrieden gestellt, die daher wohl auch nicht abgeneigt wären, dem einen oder anderen Spieler einen Flug nach Europa zu spendieren – doch wer trägt die Kosten vor Ort? Die Deutsche Botschaft ist diesbezüglich auch schon mit dem Deutschen Schachbund in Kontakt - vielleicht lässt sich ja ein Weg finden, ugandische Nachwuchsspieler zu einem Turnier nach Deutschland einzuladen?
3) Weiterhin möchte Ugandas Schachverband gerne seine Sammlung mit (englischsprachigen) Schachbüchern erweitern. Zur Zeit stehen in dieser "Bibliothek" 7 alte Bücher…
Schach ist vielen jungen Menschen in Uganda ein Lichtblick in ihrem ansonsten tristen Leben. Das Spiel bietet Ablenkung, schafft Selbstbewusstsein und vermittelt Zuversicht. Sollten Sie mit mir darüber nachdenken wollen, wie sich die weitere Verbreitung des Schachspiels in Uganda fördern lässt: Ich freue mich über jede Zuschrift (holger.seubert@diplo.de).
Holger Seubert
Ständiger Vertreter
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
Kampala/Uganda
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 3435