29. August 2014
Dorian Rogozenco ist ein vielbeschäftigter Mann, seit 1. Januar ist der in Hamburg lebende Rumäne Bundestrainer. Nach der Olympiade war es an der Zeit mit Dorian ein längeres Gespräch zu führen, ihn nach seinen bisherigen acht Monaten als Bundestrainer zu fragen, bzw. mit Fragen zu löchern.
Nun kenne ich Dorian schon seit einiger Zeit, einiges wusste ich also über seine Einstellung zum Schach schon vor dem Gespräch, dass er von sich selber immer 100% verlangt, dass er erst mit der Perfektion zufrieden ist. Sich so lange verbessern will, bis es nichts mehr zu verbessern gibt, so habe ich Dorian in den letzten Jahren kennengelernt. Bevor wir das Gespräch jedoch auf die Nationalmannschaft, die Schachprinzen, den Kader und nicht auf mehr oder weniger als das Leben richten (wobei dieser Teil hier zum größten Teil ausgespart wird), kann ich es nicht lassen und befrage Dorian nach den Partien „seiner Mädels“. Frau Ileana und Tochter Teodora gehen derzeit beim Frauenschachfestival in Erfurt an den Start. Dorian verfolgt die Partien, diesmal vor allem von Ileana, die das erste Mal seit Jahren wieder am Schachbrett sitzt.
Zunächst interessiert mich Dorians Sicht auf die Olympiade, das wichtigste Turnier im Kalender des Bundestrainers. Wenig überraschend, dass das Abschneiden der Männer auch ihn enttäuscht hat, auch wenn der 30. Platz nicht wiedergibt, dass man bis zur neunten Runde noch um vordere Plätze gespielt hat. In den letzten 3 Runden ging dann eine Menge schief. Wie es im Schach eben manchmal läuft, ein einziger Zug in Runde 9 verspielt den Sieg und die Abwärtsspirale beginnt. Dorian ist nicht der Typ, der sich mit „Pech gehabt“ zufrieden gibt. Eine abschließende Analyse, was genau an welcher Stelle schief gelaufen ist, braucht noch einige Zeit.
Bei den Damen ist das Ergebnis und die Bewertung anders, der neunte Platz ist ein Erfolg. Aber auch hier gibt es einiges aufzuarbeiten, denn vor der letzten Runde standen die deutschen Frauen auf dem vierten Platz. „Man kann das Turnier in zwei Hälften Teilen, Runde 1 bis 10 ist das eine Turnier. Runde 11 das andere.“ Wenn man weiß, möglicherweise ist sogar eine Medaille drin, dann verändert sich die Situation, das „Turniergefühl“ schlagartig. Die Georgierinnen ließen ihr Spitzenbrett Nana Dsagnidse in der letzten Runde pausieren, eine große Überraschung für das deutsche Team, denn nun war auf ein Mal die ganze Vorbereitung, die am letzten Ruhetag gemacht wurde, nichts mehr wert. Spukt diese letzte Runde immer noch im Kopf des Bundestrainers? „Im Moment habe ich so viel zu tun, dass ich nicht wirklich daran denke. Aber ich werde diese letzte Runde genau analysieren und klar, das Gefühl der letzten Runde ist immer noch da.“
Im Resümee schrieb Dorian, Elisabeth und Arkadij seien großartige Leader gewesen, was bedeutet das genau und was macht einen guten Leader eines Teams aus? "Das Wichtigste sei, dass sie gut spielen", sagt Dorian nach kurzem Überlegen. "Die Mannschaft muss wissen, dass an Brett 1 ein starker Schachspieler sitzt, der gut und solide punktet. Hinzu kommt, dass beide die Mannschaft unterstützt haben, einerseits durch ihre Art, aber auch indem sie schachliche Hinweise gegeben haben. Außerdem haben beide dazu beigetragen, dass die Stimmung in den Mannschaften gut ist, der Zusammenhalt habe funktioniert. Alle wollten das Beste für die Mannschaft geben."
Der Sieg von Arkadij gegen Magnus Carlsen hat in der Presse ein großes Echo hervorgerufen. Selber habe ich zwei Mal gegen Magnus Carlsen gespielt und weiß, wie sehr ich damit prahlen würde, hätte ich ein Mal gegen Carlsen gewonnen (auch wenn er damals 10 Jahre alt war). Ob es denn anlässlich des Sieges gegen Carlsen eine kleine Party gegeben hätte?!
Mal wieder lerne ich, dass man nicht von sich selber auf Andere schließen soll, denn Arkadij habe den Sieg gegen den amtierenden Weltmeister nüchtern und realistisch eingeschätzt und kein großes Aufheben darum gemacht.
Abschließende Frage zur Olympiade, auf die Dorian mit einem russischen Sprichwort antwortet. Wird Deutschland irgendwann Olympiasieger? „Ein guter Soldat träumt immer davon General zu werden.“
Neben der Nationalmannschaft hat Dorian ein weiteres wichtiges Projekt, das Schachjahr der Prinzen Dennis Wagner und Matthias Blübaum. Die Idee entwickelte sich Ende letzten Jahres/Anfang dieses Jahres, im Mai wurde der Vertrag geschlossen und seit 1.7.2014 hat das Schachjahr offiziell begonnen, mit dem Ziel beide Spielern mit einer Elozahl von über 2600 zu etablieren. "Man muss klar verstehen, dass Schachjahr ein neues und sehr ambitioniertes Projekt ist. Es kann einfach nicht von Anfang an alles glatt laufen, aber wir alle bemühen uns sehr." Die nächste Station der Prinzen ist ein stark besetztes Rundenturnier in Baden-Baden, wo sie sich auch mit deutschen Spitzenspielern messen sollen. Der Schachbund wird regelmäßig über die Ergebnisse der Beiden und das Schachjahr insgesamt berichten.
Ein weiteres größeres Event für die Prinzen, zu denen auch Filiz Osmanodja zählt, ist die Jugendweltmeisterschaft Ende September in Durban. Dort betreut Dorian Dennis, Matthias und Filiz. Wenn man ein solches Turnier mitspielt und zu den Mitfavoriten zählt, wird auf ein gutes Ergebnis hingearbeitet. Um das Beste aus Matthias und Dennis bei der Jugend-WM raus zu holen, gibt es deshalb im Schachzentrum des Hamburger Schachklubs ein fünftägiges Trainingslager. Auch Filiz wird vor der WM noch in den Genuss einiger Trainings kommen. Am 17.9. geht es dann auf in Richtung Durban, um vielleicht sogar mit einem Weltmeistertitel zurück zu kommen.
Wenig ist bekannt über die tägliche Arbeit des Bundestrainers. Dorian hat beim DSB eine halbe Stelle, es ist allerdings kein Bürojob von 9 bis 13 Uhr, wie sieht der Alltag des Bundestrainers aus?
„Ich stehe im ständigen Kontakt mit den Nationalspielern und den erwachsenen Kaderspielern. Es geht um die Turnier- und Trainingsplanung, Organisation von Trainingslehrgängen mit anderen GMs und selber gebe ich natürlich auch Training. Aktuell zum Beispiel arbeiten wir mit Matthias und Dennis 8 Stunden täglich, aber regelmäßig gebe ich auch Training für andere Kaderspieler.“
Dabei verrät mir Dorian, dass vor allem das Zusammenstellen von Material für die Trainingseinheiten eine Menge Zeit frisst. "Täglich muß man die Partien von Kaderspielern anschauen und passendes Trainingsmaterial finden." Denn er möchte aus der zur Verfügung stehenden Trainingszeit das Maximale erreichen.
Es ist 23.10 Uhr als wir uns verabschieden und das Skype-Telefonat beendet wird. Ein für mich beeindruckendes Gespräch. Es freut mich zu sehen, dass Dorian ein akribischer Arbeiter ist, mit Erfahrung und einem riesigen Wissensschatz. Am Positivsten ist aus meiner Sicht jedoch, dass Dorian die Spieler nicht als irgendwelche Schachspieler sieht, mit denen man alle paar Monate mal zu einer Meisterschaft fährt. Es sind „seine“ Nationalspieler, für die er alles tut, damit das Potenzial jedes Einzelnen ausgeschöpft wird. Als einigermaßen ambitionierter Spieler weiß ich, wie wichtig das ist und bin gespannt, wie weit nach vorne es für unsere Mannschaften bei den kommenden Turnieren gehen wird.
Jonathan Carlstedt
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 10228