24. September 2014
Vom 23. – 30. August fand in Bern (Schweiz) der 57. Weltkongress für Schachkomposition statt. Etwas profaner ausgedrückt trafen sich dort diejenigen Schachfreunde, die gerne Probleme erschaffen, um sie dann gleich selbst zu lösen.Eingeladen hatte die World Federation for Chess Composition (www.wfcc.ch, auf der Homepage findet man auch das Kongressbulletin mit Einzelergebnissen), und etwa 200 Teilnehmer waren dem Ruf gefolgt, darunter 27 Deutsche, welche damit das größte Kontingent stellten.
Neben der üblichen Kongressarbeit, z.B. in Subkommitees für Computerangelegenheiten, Kodex/Richtlinien, Bücherveröffentlichung oder Löseturniere (Mitmachen erwünscht!), gab es auch etwa ein Dutzend privat organisierte (Schnell-)Kompositionsturniere sowie als Highlight des Ganzen die Löseweltmeisterschaften im Einzel und mit der Mannschaft, geleitet vom deutschen FIDE-Schiedsrichter FM Axel Steinbrink. Hier gingen für Deutschland GM Arno Zude, GM Boris Tummes, FM Dr. Ronald Schäfer (alle Einzel und Mannschaft), sowie Andreas Rein (Einzel) und IM Dr. Hemmo Axt (Einzel und Senioren) an den Start. Sie hatten sich über die diesjährige nationale Lösemeisterschaft qualifiziert.
Bei der Weltmeisterschaft bilden 3 Löser ein Team, von denen in jeder Runde das schlechteste Ergebnis gestrichen wird; gut verteilen ist also fast so wichtig wie gut lösen! Ziel war ein Medaillenplatz mit der Mannschaft, Seriengewinner Polen schien von der Spitze nicht zu verdrängen zu sein. Nach der vierten von 6 Runden (mit je drei Aufgaben), welche das deutsche Team gewinnen konnte, war der dritte Platz vorübergehend erreicht und die führenden Polen schienen sogar in Schlagdistanz, dann aber gaben diese nochmals Gas und siegten souverän, während Deutschland etwas zurückfiel. Der letztlich achte Platz mag auf den ersten Blick etwas enttäuschend scheinen, aber zwischen Platz 2 und Platz 11 lagen nur 10 Punkte, das entspricht genau 2 Aufgaben. Andersherum gerechnet hätte Deutschland mit nur einer mehr gelösten Aufgabe den Bronzerang erreicht, ein Schreibfehler kann da schon ausreichen. In der Einzelwertung belegten die deutschen Löser (in der oben genannten Reihenfolge) die Plätze 10, 14, 65, 42 und 68.
Bei den Mannschaften kamen überraschend (aber mit guter Verteilung der Streichergebnisse!) die relativen Newcomer aus Aserbaidschan vor Israel auf die Medaillenplätze, im Einzel siegte Kacper Piorun (Polen) vor Piotr Murdzia (Polen) und Bojan Vuckovic (Serbien) im Fotofinish. Alle 3 sind übrigens auch hervorragende Schachspieler, ein deutlicher Hinweis darauf, dass gelegentliches Problemlösen der Schachkarriere kaum schaden wird!
Wie kommt es aber nun, dass die Polen nun schon zum 6. Mal in Serie gewonnen haben? Nun, zum einen haben sie mit das jüngste Team von allen, zum anderen legt ihr Verband Wert auf eine entsprechende Förderung bei jungen Spitzenspielern.
Hier nun eine Kostprobe aus dem Löseturnier zum selber analysieren:
Die beiden weißen Figuren auf b5 und e6 sind nicht nur unnütz, sie stören sogar die Matts durch Sb5/Se6#, ein deutlicher Hinweis, dass es sich hier um keine Partiestellung handeln kann!
Es liegt also nahe, im ersten Zug einen der beiden Störenfriede wegzuziehen! Aber welchen? Und wohin? Ein guter Löser sollte hier in etwa 10 Minuten den Durchblick haben!
Ein guter Komponist wird übrigens immer versuchen, einer scheinbar überflüssigen Figur (eine der beiden genannten Figuren wird ja nach dem Schlüssel immer noch keine Funktion haben) im Lösungs- und/oder Verführungsspiel noch eine Rolle zuzuweisen, so auch hier.
Wer noch ein bisschen Turnieratmosphäre erleben möchte, kann sich die Filmsequenz bei youtube zu Gemüte führen; sie wurde bei den Deutschen Meisterschaften im Problemlösen 2014 von den Verantwortlichen des ausrichtenden Vereins SV Jedesheim erstellt:
Der nächste Weltkongress wird übrigens vom 01. – 08. August 2015 in Ostroda (Polen) stattfinden. Ja, Siege mehren zwar den Ruhm, aber auch die Pflichten!
Zuvor gibt es im Mai noch die Europameisterschaft in Rumänien und vor allem die Deutsche Meisterschaft 2015 vom 17. – 19. April 2015 in Lehrte bei Hannover (Näheres dazu demnächst unter www.dieschwalbe.de).
Wilfried Neef, Die Schwalbe
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