11. Juli 2006
Mal abgesehen von ein paar wirklich winzigen Pannen, die kaum der Rede wert sind, war der Women-Chess-Cup "nach FIFA-Regeln" eine rundum gelungene Veranstaltung. Die Organisatoren ließen zwar selbst im Nachhinein durchblicken, dass mancher Ablauf nicht haarklein der Planung entsprach - aber das fiel überhaupt nicht auf. Ganz im Gegenteil. Wenn man sich Susan Polgars Blog so ansieht, kann man von einer Profispielerin erfahren, was sie über die Organisation der Dresdener denkt: Professionell.
Der WCC war von Anfang an bis zum gemeinsamen Ende perfekt durchorganisiert. Neben Dirk Jordan waren jede Menge Helfer unterwegs, die gemeinsam im Team eine genau abgestimmte Aufgabenteilung hatten, unter ihnen zum Beispiel der unermüdliche André Martin, der an beiden Tagen für die breitenschachliche Stimmung vorm Kaufhaus sorgte. Was der Präsident des sächsischen Landesverbandes freitags und samstags an den Tischen und Bänken in der Fußgängerzone leistete, war phänomenal. Das ihm dabei nicht die Stimme versagte, ist verwunderlich.
Bernd Salewski und Katja Breuer aus dem Organisationsbüro waren die gesamte Strecke über anwesend und hatten alle Hände mit der Betreuung von Teilnehmern und Turnier zu tun. Aber wenn ich nun alle wirklich großartigen Leistungen zum WCC würdige, die mir einfallen, würde ich zum einen nicht mehr zum Turnierbericht kommen, zum anderen garantiert doch wieder jemanden vergessen. Stellvertretend seien Familie Jordan, Egmont Pönisch als Schiedsrichter und Turnierleiter nach FIDE-Regeln, Hans Bodach, Jörn Verleger, Dr. Detlef Schmidt und der arme Wicht genannt, der ständig im Chessy-Kostüm schwitzte - damit die Kinder was zu greifen hatten, nämlich Chessys große Nase.
Auch das Rahmenprogramm war richtig gut gestaltet, ich glaube nicht, dass sich auch nur eine Teilnehmerin langweilte. Alle waren sie im selben Hotel untergebracht und nach dem ganz besonderen Auftakt auf Schloss Albrechtsberg, wurden die Spielerinnen rundum versorgt.
Sowohl während als auch nach den Spielen. Am Freitagabend gab es eine Sightseeing-Tour mit dem Bus, anschließend gemeinsames Essen und am Samstagabend fuhr man gemeinsam zu einer extra präparierten Elbufergaststätte, um dort gemeinsam das Spiel um Platz Drei der Kicker zu verfolgen. Das Auftaktprogramm war hier schon an anderer Stelle zu lesen und randvoll bepackt.
Die Spiele selbst wurden auf einem erhöhten Plateau in einer Art Arena ausgetragen, die Karstadt innerhalb seiner riesigen Cafeteria mit Fahnen ausgeschmückt hatte. Passend dazu war eine Schautafel mit allen Ergebnissen zu bewundern, sowie mehrere Monitore über die Cafeteria verteilt, an denen zum Teil zwei, drei Dutzend Zuschauer das Spiel verfolgten. Rechnet man alle Zuschauer zusammen, auch die Teilnehmer der Rahmenprogramme vor dem Haus, kommt man locker auf eine vierstellige Zahl. Eine hervorragende Werbung für das Schach, mitten in einer Großstadt.
Die Spiele hielten, was sie versprachen. In allen Begegnungen wurde gekämpft bis zum bitteren Ende. Und da mit 25 Minuten plus 10 Sekunden-Bonus gespielt wurde, dauerten manche Begegnungen länger als die geplante Stunde, da wirklich alles ausgespielt wurde. Das Niveau war enorm hoch und die Kiebitze kamen auf ihre Kosten.
In der A- und B-Gruppe setzten sich beide Favoritinnen durch. Die enorm schwere C-Gruppe meisterte die Argentinierin Carolina Lujan, sowie Ketino Kachiani-Gersinska, die für die Elfenbeinküste antrat. Maric (2420) und Peng (2402) blieben draußen. In der D-Gruppe war alles favoritengerecht und in der E-Gruppe mit Polgar, Jackova und Sedina nahm Elena Winkelmann immerhin zwei der Favoritinnen ein Remis ab, darunter Polgar. Die Italienerin durfte mit Polgar ins Achtelfinale.
In der F-Gruppe bewies vor allem Suzana Chang (2091) aus Brasilien ihre Schnellschachqualitäten. Mit ihr schaffte es die Kroatin Macek. Gundula Heinatz und Marie Sebag hießen die Sieger in G, während es hier Jessica Nill für Togo traf. Richtig klasse dann die für Tunesien startende Judith Fuchs, die zusammen mit Anna Ushenina die Qualifikation schaffte. Monica Calzetta-Ruiz aus Spanien ärgerte sich über das abschließende Remis der beiden, dass beiden das Weiterkommen bescherte. Aber das soll ja auch im Fußball mal vorkommen.
Im Achtelfinale zeigte sich erneut das Durchsetzungsvermögen von Suzana Chang aus Brasilien, die ihre weitaus stärker bewertete italienische Gegnerin im Tiebreak überspielte. Das zweite Tiebreak musste Judith Fuchs spielen, die zuvor Marie Sebag in einem wirklich sehenswerten Matt die Grenzen aufzeigte. Sie selbst stand einen Zug vor dem Ende, den Angriff mit Dg6+ hatte Sebag wahrscheinlich unterschätzt. Allerdings reichte es für Fuchs im Tiebreak gegen die später Drittplatzierte nicht. Übrigens durften die Tiebreakspielerinnen ihre Spielfarben auskicken an der Torwand. Mit Weiß bekam man fünf Minuten (+2), mit Schwarz vier (+2), dafür reichte Schwarz ein Remis zum Weiterkommen.
Lujan ließ Vera Jürgens keine Chance - und das obwohl Jürgens sie hatte. Denn im Rückspiel stand Vera dermaßen überlegen, dass man auf ein 1:1 wetten wollte. Die Argentinierin blieb jedoch die Ruhe selbst und als die Deutsche für Angola die Felle davon schwimmen sah, geriet der Angriff zum Bumerang. Ushenina aus der Ukraine stand ebenfalls nicht gut im Rückspiel gegen die Schweizerin Heinatz. Aber was auch immer die Schweizerin zum Ausgleich versuchte, es schlug fehl. Auch hier ein 2:0.
Die ELO-Setzlisten-Nr. 1 aus den USA ließ der Kroatin keine Chance und gewann beide Partien souverän. Ebenso die Polin Socko gegen die Engländerin Hunt. Mit 1,5:0,5 gewann Elisabeth Pähtz ein unglaublich spannendes Duell gegen Pia Cramling, die ja selbst auch zu den Favoriten des Turniers zählte. Ketino Kachiani für die Elfenbeinküste gewann gegen Portugals Vertreterin Leite und nährte so die Hoffnungen auf ein deutsch-afrikanisches Happyend.
Im Viertelfinale wurde nochmal eine Portion Kampfgeist obenauf gelegt. Die Spannung war greifbar nahe und alle Bretter waren von Kiebitzen umlagert. Interessant war das deutsch-deutsche Duell unter den Flaggen Germaniens und der Elfenbeinküste. Hier setzte sich Elisabeth gegen Ketino durch. Für Chang war dann gegen Sebag Schluss und Lujan setzte ihre unheimlich werdende Siegesserie gegen die Polin Socko fort. Susan Polgar schließich, gewannn gegen Ushenina. Auch die Ukrainerin wurde von vielen als mögliche Siegerin getippt.
Das Halbfinale. Jetzt lief Elisabeth Pähtz zur Hochform auf. Die nur einmal strauchelnde (gegen Fuchs) aber wohl niemals fallende Französin Sebag musste sich im zweiten Spiel mit einem Remis begnügen und rutschte so ins kleine Finale. Nicht nur für mich der beste Auftritt der deutschen Nummer Eins. Susan Polgar schließlich zeigte gehörigen Respekt vor der noch ungeschlagenen Carolina Lujan, konnte sich aber mit dem gleichen Resultat und 1,5 Punkten durchsetzen. Im kleinen Finale zeigte sich Lujan auch Sebag ebenbürtig und zwang sie in die Verlängerung. Wohl noch gestählt vom Duell gegen Judith Fuchs, gewann Sebag.
Das Finale schließlich eines der furiosen Art. In der ersten Partie kommt es zu einem Springerendspiel mit Mehrbauer für Pähtz, den sie aber nicht verwerten kann. Im Rückspiel schließlich bewies Susan Polgar die besseren Nerven und besiegte Elisabeth in einer hochklassigen Partie, die sicher noch in der ein oder anderen Fachzeitschrift zu sehen sein wird.
Alles in allem ein rundum gelungenes Ereignis. Mit einem hohen Preisfonds (15.000 Euro!), einem richtig guten Werbeauftritt für das Schach, zwei neue und hoffentlich zufriedene Sponsoren mit Honda und Karstadt, mehreren Zeitungsauftritten und mehrmalige Berichterstattung im lokalen Fernsehen. Dr. Dirk Jordan hat mit seinem Team bewiesen, dass neben Organisationstalent ein feines Näschen für die besonderen Dinge dazugehört. Dinge, die man so schnell nicht wieder vergisst.
Übrigens gibt es ALLE Bilder vom WCC in Dresden in einer weiteren Gallerie des Deutschen Schachbundes. Alle Bilder sind wie immer ohne weitere Nachfrage frei weiterverwendbar, sollten aber das Wasserzeichen oder "Quelle: Deutscher Schachbund" als Unterschrift tragen.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 4535