22. Februar 2007
Eine Reportage von Axel Dohms
Schach in Kindergärten
Eine Initiative des Schachvereins Hattingen e. V. (NRW)
An dieser Stelle wurde vor drei Monaten das erstaunliche Mannheimer Modell beschrieben, das Uwe Brandenburger, unterstützt von seinem Verein, der Stadt und dem Badischen Schachverband, als Einzelkämpfer in wenigen Jahren auf die Beine gestellt hat.
Heute ist eine landes- und bundesweit wohl einmalige Aktion vorzustellen, die mit einem ganz anderen Ansatz sich einem ähnlichen Ziel mit ähnlichem Erfolg, der ihr zu wünschen ist, verschreibt. Sie wurde im Kindergarten "Kindernest", Lessingstr. 23, Hattingen, Mitte Februar auf einer Presskonferenz offiziell in Anwesenheit von Landrat Dr. Arnim Brux, dem Schirmherrn der Veranstaltung, und anderen Honoratioren aus der Taufe gehoben.
Dazu eingeladen hatte der seit 60 Jahren bestehende Traditionsverein Hattingen e. V., allen voran sein rühriger zweiter Vorsitzender Ralf Schreiber, zugleich Marketingbeauftragter des Schachbundes Nordrhein-Westfalen. Der Grund? Schach soll als Spielangebot in allen Kindergärten (173) von Hattingen, Witten und dem gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis Eingang finden. Auf die Idee brachte den passionierten Schachspieler Ralf Schreiber sein zweieinhalbjähriges Töchterlein Sarah, das aus eigenem Antrieb das Schachspiel erkunden wollte; verlockt von auf dem Brett verteilten Smarties-Ködern, erlernte es in kürzester Zeit die Gangarten der Figuren und die Grundregeln des Spiels.
Der Schritt vom persönlichen Erlebnis, dass Kleinkinder durch die Beschäftigung mit dem komplizierten Schach keinesfalls überfordert sind, zur generellen Nutzanwendung war vorprogrammiert. Ralf Schreiber entwickelte dafür, zusammen mit Freunden, ein Konzept, mit dem sich sein Verein unter 44 Konkurrenten an dem 2006 ausgelobten Wettbewerb "Junges EN" des regionalen Energieversorgers AVU beteiligte und auf Anhieb einen Förderpreis erhielt. Eine Unternehmenssprecherin, Frau Deuß-Graf, dazu: "Wir fanden die Sache spannend und innovativ. So etwas gab es zuvor nicht."
Auf dieser Grundlage konnte Ralf Schreiber ziemlich rasch weitere Sponsoren gewinnen: die Stadt Hattingen, die Sparkasse Hattingen, Stadtmarketinggesellschaft Hattingen, Stadtwerke Witten und tick-TS. Sie werden die entsprechende (gewaltige) Materialgestellung gewährleisten und dem Pilotprojekt Flügel verleihen.
Die Freude darüber war unüberhörbar. Landrat Dr. Arnim Brux: "Wir sind im Ennepe-Ruhr-Kreis, was Bildung betrifft, sehr gut aufgestellt. Dieses Vorhaben passt vorzüglich in die Landschaft." Erich Fritz, Fachbereichsleiter Jugend, Schule und Sport: "Die Stadt hat Schach schon ins Sommerferienprogramm aufgenommen. Das kommt prima an." Silvia Mahle, Leiterin des "Kindernest", das seit 40 Jahren besteht, bekennt, von Schach keine Ahnung zu haben, verhehlt indes nicht ihre Begeisterung und Erwartungen: "Aber ich glaube, dass wir Erzieherinnen und die Kinder uns gemeinsam auf den Weg machen, um voneinander zu lernen." Und zwar nicht (ein wesentlicher Unterschied zu Mannheim) durch eine fest eingerichtete Unterrichtsstunde einer externen Lehrkraft, sondern durch spielerische Annäherung. "Wir müssen dann selbst erspüren, wie und wann die Kinder darauf eingehen. Nur so kann es funktionieren."
Eine entscheidende Hilfestellung wird ihr und allen anderen Interessierten dabei das Lehrmaterial geben, das Bernd Rosen, Landestrainer des SB NRW, eigens für dieses Projekt in einer 90 Seiten umfassenden Loseblattsammlung von Arbeits- und Lösungsblättern zusammengestellt hat. Er wird auch das Eröffnungsseminar für Erzieher/Innen Anfang März leiten.
Weitere flankierende Maßnahmen, die sich der Schachverein Hattingen e. V. ausgedacht hat, sind eine Internetseite "Schach-fuer-Kids.de" und eine Hotline die ab dem 1. März freigeschaltet werden; über sie können Fragen und Schwierigkeiten vor Ort zum Teil sofort gelöst werden.
Bis zum Sommer läuft die erste Phase des Vorhabens. Dann werden die Ergebnisse und Erfahrungen zusammengefasst, ausgewertet und darüber entschieden, ob die Maßnahme flächendeckend auf das Bundesland NRW übertragen werden soll. Nach den Voranfragen, die ihn erreichen, strahlt Ralf Schreiber große Zuversicht aus: "Zwar wären 10 % von 173 Kindergärten ein gutes Ergebnis. Aber ich erwarte weitaus mehr." Glück auf!
Axel Dohms
Zum Download: Zwei Pressemitteilungen in der "On Ruhr":
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 5093