29. Oktober 2013
Heute war bereits nach 20 Minuten eine Partie entschieden, und zwar durch die berühmte Karenzregel. Zur Erläuterung für nicht Eingeweihte: Jahrzehntelang bestand im Schach die Regelung, dass eine Partie dann verloren ist, wenn ein Spieler mehr als 1 Stunde zu spät kommt. Dann entschloss sich die FIDE zu einer totalen Kehrtwende, und führte die berühmte Nullkarenzregel ein, was bald darauf zur Folge hatte, dass Spieler die nicht punktgenau zum offiziellen Spielbeginn am Brett saßen, genullt wurden, auch wenn sie bereits zuvor am Brett saßen, und gerade nur ein Glas Wasser geholt hatten oder auf die Toilette gegangen waren.
Diese Nulltoleranzregel, wie man sie auch nennen könnte, stieß begreiflicherweise auf große Kritik unter den Spielern und auch in der Schachpresse. Die meisten Turnierveranstalter ziehen sich inzwischen dergestalt aus der Affäre, dass sie eine Karenzzeit irgendwo zwischen einer Stunde und der Nullkarenz festlegen, und so hat man sich in Bad Wiessee auf 15 Minuten geeinigt. Und genau diese 15 Minuten hat heute der Münchner Spieler Winfried Basener gerissen, indem er 20 Minuten zu spät kam. Ob das eine schlechte oder gute Regelung ist, mag jeder für sich selbst beantworten, aber wir meinen, dass man es im Sport mit der Toleranz nicht übertreiben sollte, denn in welcher anderen Sportart könnte es sich ein Athlet erlauben, nach Beginn des Wettkampfs anzutreten?
Die Partie des Tages war eindeutig der Sieg der Deutschen Damenmeisterin Hanna Marie Klek gegen den renommierten Großmeister Igor Khenkin. Hier begeisterte vor allem der Kampfgeist BEIDER Spieler, die eine der ungewöhnlichsten Stellungen produzierten, die der Chronist in seinem fast 40-jährigen Schachleben zu Augen bekommen hat (Stellung nach dem 31. Zug von Schwarz). Hanna Marie entschied hier beginnend mit 32. La5! die Partie zu ihren Gunsten, und ließ dem in unzähligen Kämpfen gestählten Großmeister keine Chance mehr!
Herr Rozentalis, wie fast jedes Jahr nehmen Sie hier wieder in Bad Wiessee teil. Das wievielte Mal ist es denn genau?
Ich habe gezählt, es ist das neunte Mal. Insgesamt bin ich zum 10. Mal in Bad Wiessee, weil ich einmal mit meiner Mannschaft hier gespielt habe.
Und wie gefällt es Ihnen hier in Bad Wiessee im Allgemeinen und das Turnier im Besonderen?
Wenn ich hierher komme und die Frischluft spüre, dann merke ich den großen Unterschied, wieso es wirklich gut ist, hierher zu kommen. Bad Wiessee ist ein gutes und starkes Turnier - auch ohne Doppelrunden, also kann man sich vernünftig auf seinen Gegner vorbereiten, die Partie in Ruhe spielen, und dazu noch den Aufenthalt genießen.
Was war bisher Ihre beste Platzierung?
Letztes Jahr wurde ich geteilter Erster bis Sechster. Ich platziere mich natürlich in allen Jahren fast immer unter den besten 20, und meistens sogar unter den besten 10 Teilnehmern.
Jetzt interessiert uns natürlich noch die Frage, ob man heutzutage als GM über 2600 noch vom Schach leben kann, da ja die Preisgelder im Schnitt relativ niedrig sind, und die Konkurrenz sehr stark geworden ist.
Ja in der Tat ist das nicht so einfach, und es gibt keinen großen Unterschied zwischen 2600 und 2550. Wichtig ist, dass man für Mannschaften in verschiedenen Ländern spielt. Auf Turnieren ist es sehr hart geworden, ins Preisgeld zu kommen, auch weil viele junge starke Spieler nachwachsen.
Von wo aus sind sie denn diesmal angereist?
Kürzlich habe ich drei Turniere in den skandinavischen Ländern Norwegen, Island und Dänemark gespielt. Dann fuhr ich für eine knappe Woche nach Hause in Vilnius, und bin anschließend nach München geflogen.
Und wie viele Turnierpartien spielen Sie pro Jahr?
Normalerweise 100 Partien pro Jahr, aber dieses Jahr habe ich bereits 130 Partien gespielt. Dieses Jahr bin ich 50 geworden und ich denke, ich werde so was Verrücktes in Zukunft nicht mehr machen!
Die letzte Frage. Verraten Sie uns das Geheimnis Ihres Erfolgs – da Sie doch seit Jahren auf einem Niveau von 2600 Elo spielen.
Vielleicht ist ja mein Ergebnis besser als die Qualität meiner Partien. Ich kann es leider nicht besser erklären, wo mein Erfolgsgeheimnis liegt.
Herr Rozentalis, vielen Dank für das interessante Interview!
Quelle: Turnierbulletin Nr. 3/Information Gerald Hertneck
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9208