17. Mai 2016
Zum Start der Deutschen Jugend-Einzelmeisterschaften (DJEM) am 15. Mai in Willingen, einer kleinen nordhessischen Gemeinde, hat die Deutsche Schachjugend (DSJ) ihre Spieler des Jahres 2015 bekanntgegeben. In der U20 siegten U16-Weltmeister Roven Vogel und Fiona Sieber, in der U14 Vincent Keymer und Lara Schulze. Von den vier sind nur Lara (U14w) und Fiona (U16w) in Willingen dabei. Und statt Vincent spielt seine Schwester Cecilia in der U10w.
Die DSJ, die mit einem vielköpfigen Team 680 Spieler und deren Begleiter verwalten muß, hat für eine Woche alle Hände voll zu tun. Zwei der vielen Helfer sind Raphael Müdder und IM Jonas Lampert die am Pfingstmontagvormittag die Daheimgebliebenen mit Schnappschüssen aus den laufenden Partien versorgten.
Bei der internationalen deutschen Jugendmeisterschaft in Ströbeck machte Roven seinen IM-Titel perfekt. Er wurde 2015 Weltmeister U16 in Porto Carras. Mit einem unwiderstehlichen Endspurt von 6 aus 6 schüttelte er alle Verfolger ab und zeigte dabei seine physische und psychische Stärke.
Die Deutsche Meisterin U16 2015 erzielte bei mehreren Turnieren gut Performances. Mit ihrem kämpferischen Spiel und taktischem Geschick belegte sie bei der Weltmeisterschaft 2015 einen guten vierten Platz. Fiona trainiert im Landeskader Sachsen-Anhalt mit WGM Tatjana Melamed.
Vincent ist im letzten Jahr Deutscher Vizemeister U16 in Willingen geworden. Damit startete er zwei Altersklassen höher. Beim Pfalz-Open im Februar erspielte er sich die erste IM-Norm und eine Performance von über 2550. Bei der Mannschafts-EM U18 gewan Vincent mit seiner Mannschaft die Goldmedaille. Im Oktober traf er mit Ex-Weltmeister Garri Kasparow zusammen.
Lara wurde 2015 Deutsche Meisterin U14w. Im Januar konnte sie in Bad Zwischenahn ein Open-Turnier mit 6,5 aus 7 vor 150 gestandenen Spielern für sich entscheiden. Bei der EU-Meisterschaft in Mureck belegte sie einen sehr guten zweiten Platz. Lara spielt aufmerksam, durchdacht und gut strukturiert.
Texte: Deutsche Schachjugend
Chronik der Spieler des Jahres
Nachfolgend jetzt die beiden ersten Berichte von der DJEM.
Selten gab es zum Auftakt einer DJEM so viele Überraschungen und Favoritenstürze wie in diesem Jahr - diese Meisterschaft verspricht besonders spannend zu werden. Was ist passiert?
Topfavorit Leopold Franziskus Wagner gewann seine beiden Partien sehr sicher, aber der an 2 gesetzte Jeremy Hommer wurde durch Christian Gluma mit einem schönen Schlusszug aus dem Ring genommen. Hätten Sie‘s gesehen?
32. Sh6+! da 32. ... gxh6 33. gxh6+ Kh8 34. Txf8+ Dg8 35. Tfxg8 zum Matt führt, gab Schwarz auf.
Die Nr. 1 Phuong Thao Vivien Nguyen hat in der ersten Runde ein Remis eingestreut, die meisten anderen Spielerinnen aus der Top-Ten haben ihre beiden Auftaktpartien gewonnen - alles noch offen!
Titelverteidiger Andrei Ioan Trifan und sein nominell schärfster Rivale Ruben Gideon Köllner haben sich noch keine Blöße gegeben, aber das gleiche gilt noch für 11 andere Spieler.
Hier haben noch sechs Spielerinnen eine weiße Weste, darunter auch die U10-Meisterin des Vorjahres Antonia Ziegenfuß. Die Überraschungsspielerin des Turniers war am ersten Tag Jana Basovskiy, die mit Klaudia Ortlepp und Isabel Otterpohl zwei Spielerinnen aus der Top-Ten besiegte.
Der Setzlistenerste Luis Engel konnte zwar beide Partien gewinnen, benötigte dafür aber 128 Züge. Ein Beleg dafür, dass auch ein hoer DWZ-Vorteil noch keine Garantie für einen schnellen Sieg bedeutet. Nicht unbedingt besser, aber zumindest schneller war Fatih Baltic, der in der ersten Runde einen Turm präsentierte, der nach zwei Seiten fürchterliche Wirkung entfaltete:
Hier spielte Fatih 18. Td3 mit der offensichtlichen Drohung 18. ... Tg3#. Nach 18. ... f6 19. Ta3! schwenkte der Turm plötzlich zum Damenflügel und die schwarze Dame war gefangen.
Aus dem erwarteten Führungstrio Jana Schneider, Annmarie Mütsch und Lara Schulze musste Annmarie sich am gestrigen nachmittag mit einem Remis gegen Madita Mönster begnügen. Außer der Setzlistenvierten Rachela Rosenhain konnte überraschend auch Mareike Wastian zwei Punkte einfahren - sie war erst für die ODJM gemeldet und kam erst hier vor Ort als Nachrückerin zum Zuge.
Favoritensterben in der U16: Dier ersten sieben Spieler der Setzliste konnten ihre Auftaktpartie nicht gewinnen. Schauen wir uns einige der Dramen an:
Kevin Schröder, der an Nr. 1 Gesetzte, entkorkte hier gegen Alexander Rieß 16. Dd3?? Der Damentausch ist doch erzwungen, oder gibt es noch ein Damenfeld? 16. ... Dxc5 Autsch! 17. dxc5 Txd3 und wenig später 0-1
Nicht besser erging es dem Zweiten der Setzliste Noam Bergauz, der in der Begegnung mit Christian Polster feststellen musste, dass auch ein nominell schlechter Läufer immer noch ein Läufer ist, besonders wenn der sich so komfortabel auf dem Feld f6 einnisten kann:
26. Kf2! Gegen die Besetzung der h-Linie durch die weißen Türme findet Noam kein Konzept. 26. ... Th6 27. Th1 Sg8 28. Lg5 Txh1 29. Txh1 Sa5 30. Th8 Dxa4 Dieser nun folgende Raubzug am Damenflügel mutet schon etwas verzweifelt an. 31. Dh4 Dxc2+ 32. Kg3 f4+ 33. Kh2 Dxc3 34. Txg8! Kxg8 35. Dh7+ Ka6 36. Dxg8 De3 37. e6 Sc6 38. Dc8+ Kb5 39. Dd7 De4 40. e7 1-0
Schauen wir mal, was die weiteren Runden in diesem Turnier noch bringen! Der Auftakt macht Lust auf mehr, auch wenn die gestrauchelten Favoriten das sicher anders sehen werden.
Die Spielerin des Jahres Fiona Sieber fuhr am ersten Tag zwei hart erkämpfte Siege ein, während die direkten Verfolgerinnen bereits halbe oder ganze Punkte abgaben. Teodora Rogozenco war mit dem Remis gegen Sindy Kail noch gut bedient, wie Jonas Lampert bereits während der Live-Reportage zeigte:
16. ... Kd7? Dieser Versuch, den weißen Turm ausgerechnet mit dem König zu fangen, geht nach hinten los: 17. g4! Df7 18. Txe5 Dxf2+ 19. Kh1 Tf3 Bis hierhin dürfte Teodora bei ihrem 16. Zug gerechnet haben. Sindy ist ihren Drohungen jedoch nicht so hilflos ausgeliefert, wie sie wohl vermutet hatte:
20. Te3? Weiß gibt den Läufer zurück. Statt dessen hätten sowohl 20. Tf5! als auch 20. Te2! den schwarzen Angriff zurückgewiesen und die Mehrfigur behauptet. Das Turmendspiel nach 20. ... Txe3 21. Lxe3 Dxe3 22. Dxe3 dxe3 endete Remis.
Titelverteidiger Spartak Grigorian führt mit 2 aus 2, zusammen mit drei Konkurrenten. Demnächst mehr aus dieser Altersklasse!
Die Vorjahreszweite Jana Böhm gab sich noch keine Blöße, das gleiche gilt aber für vier Konkurrentinnen, die ihr sicher auch im weiteren Turnierverlauf das Leben schwer machen wollen.
120 Teilnehmer in diesem Open sind ein neuer Rekord. Eine Weste haben noch 17 von ihnen, darunter auch der Setzlistenerste Philipp Wenninger. Die auf Rang 2 und 3 gelisteten Felix Meißner und Xianliang Xu gaben aber schon einen halben Zähler ab.
Hier gibt es ebenfalls sensationelle 116 Teilnehmer, die beiden Führenden der Setzliste Susan Reiher und Marie Oberhofer haben aber schon je ein Remis abgegeben. Wir drücken die Daumen, dass es hier mal eine Teilnehmerin ganz nach oben schafft - die Mädchen sind jedenfalls stark vertreten in diesem Turnier.
Bernd Rosen
Das Favoritensterben ging auch am zweiten Turniertag munter weiter - Schach ist eben doch Sport und die Ergebnisse lassen sich nicht mit dem Rechenschieber vorhersagen!
Nach der vierten Runde führt Gino Rössel aus Hoyerswerda in Sachsen die Tabelle allein mit 4 Punkten an. Den Favoriten Leopold Franziskus Wagner erwischte es in der 3. Runde gegen Robert Prieb: In einem Grünfeldinder fand er kein Mittel, um den gegnerischen Freibauern zu stoppen. Auch die Spieler auf den Plätzen 2 bis 6 der Setzliste haben schon mindestens einen Punkt abgegeben.
Svenja Butenandt vom TV Tegernsee und Anna Schneider führen hier mit 4 aus 4. Die Setzlistenerste Phuong Thao Vivien Nguyen liegt mit einem halben Punkt in Lauerstellung.
Titelverteidiger Andrei Ioan Trifan musste in der 4. Runde in einer schwerblütigen Blockadepartie eine Niederlage hinnehmen. Nachdem er zugunsten eines Königsangriffs seinen Damenflügel seinem Schicksal überlassen hatte, wurde er genau an diesem Brettabschnitt von seinem Gegner Tobias Kölle ausgekontert, der damit die alleinige Tabellenführung mit 4 aus 4 übernahm:
38. ... c3 39. bxc3 b3 40. Tf1 b2 41. Tb1 Ta1 42. De1 Da8 43. e6 Txb1 44. Dxb1 Da1 0-1
In dieser Altersklasse mussten schon alle Spielerinnen Federn lassen: Luise Schnabel, Vitalia Khamenya und Antonia Ziegenfuß führen einträchtig mit 3,5 aus 4. Dahinter folgen fünf Spielerinnen mit 3 Punkten. Expertin Hanna Marie Klek erwartet hier ein besonders umkämpftes Turnier.
Die ersten 9(!) Spieler der Setzliste haben schon mindestens einen halben Punkt abgegeben, nach drei Runden führen Jonas Roseneck (AE Magdeburg) und Ruben Mantel (Zabo-Eintracht Nürnberg) mit dem Punktemaximum von drei Zählern. Einen Big Point machte Jonas gegen den Mitfavoriten Fatih Baltic, den er in einem sehenswerten Finale bezwang:
38. ... Lf5 39. Txd6 Txe4 40. Dc1 Te1 41. Lxf5 Dxb2# 0-1
Jana Schneider (Spvgg Stetten) hat sich nach dem ersten Turnierdrittel einen kleinen Vorsprung von einem halben Punkt erarbeitet. Nach Annmerie Mütsch gab gestern auch Lara Schulze den ersten halben Zähler ab und hatte dabei noch Glück: Gegen Mareike Wastian rettete sie nur ein Remisangebot in letzter Sekunde vor dem sicheren Verlust.
Konstantin Urban (SK Heidenau) heißt hier der Glückliche, der allein alle drei Partien gewinnen konnte. Die beiden Setzlistenersten Kevin Schröder und Noam Berguz haben ihre Aufholjagd fortgesetzt und stehen nun bei 2 Punkten. Julian Martin (Setzliste Nr. 4) schaffte heute seinen ersten Sieg.
Zu den gestrauchelten Favoriten zählt auch Fiona Sieber, die in einer französischen Partie feststellen musste, dass der vermeintlich so schlechte weißfeldrige Läufer ihrer Gegnerin Katrin Leser (SV Weingarten) sich als quicklebendig erwies:
22. ... Lb5!? 23. Dh3 23. Sxe6 führt nur zum Ausgleich nach 23. ... Dxc4 24. Dg3 (Das Turmendspiel nach 24. Dxc4 Lxc4 25. Sxf8 Lxf1 26. Txf1 Kxf8–+ wäre glatt verloren, weil die schwarzen Freibauern zu stark sind.) 24. ... Tf7 25. Sg5 Tfc7=. Das ist der Favoritin natürlich zu wenig, und so nimmt das Unheil seinen Lauf: 23. ... Dxc4 24. Sxe6? 24. Dxe6+ Kh8 25. Sxb5 axb5 26. Dxd5 bot Chancen auf einen kleinen Vorteil. 24. ... Ld7! 25. Tfe1 Vielleicht hat Fiona übersehen, dass 25. f5 nicht hilft wegen 25. ... Lxe6 - der f-Bauer ist ja gefesselt! 25. ... Txf4 26. Dg3 Tf7 und Schwarz gewann.
Gemeinsam mit der Siegerin dieser Partie führt Inken Köhler (TuRa Harksheide) die Tabelle mit 3 aus 3 an. Inken besiegte gestern Selina Moses - aus dieser Partie nur zwei Szenenbilder, die eine wunderbare Metamorphose des weißen Läuferpaares illustrieren:
Stellung nach dem 10. Zug von Weiß. Die beiden Läufer auf b2 und c2 fristen ein karges Dasein.
Nur 17 Züge später beherrschen die beiden Läufer das Brett. Weiß eroberte auch noch den Bauern e6 und gewann sicher.
Spartak „der Unerschütterliche“ Grigorian (SV Werder Bremen) gab zwar einen ersten halben Zähler ab, aber da seine Tabellennachbarn ebenfalls nicht über Remisen hinauskamen, bleibt er mit 2,5 aus 3 vorne, muss sich den Platz an der Sonne aber mit Denis Gretz (SV Königsbrunn), Mats Beeck (SK Doppelbauer Kiel) und Thilo Ehmann (SF Sasbach) teilen.
Emily Rosmait von TuRa Harksheide besiegte in Runde 3 Sarah Hund vom SK Zähringen und liegt nun allein an der Spitze, da Jana Böhm in ihrer Partie mit Paula Wiesner den möglichen Gewinn nicht fand und remisierte.
Philipp Wenninger (SC Erlangen) bleibt auch nach der 3. Runde vorn, muss sich die Pole-Position aber mit vier Konkurrenten teilen: Moritz Greßmann (BSV 63 Chemie Weißensee), Henrik Meyer (TuRa Harksheide), Alexander Pluska (SK Doppelbauer Kiel) und Jari Reuker (SK Wildeshausen).
Auch in diesem Turnier haben die Favoriten einen schweren Stand: Nach drei Runden führen hier ebenfalls fünf Spieler, von denen keiner unter den ersten 10 der Startrangliste zu finden ist. Es handelt sich um Lukas Rapp (SG Stadtilm), Ludwig Roth (Spvgg Stetten), Marius Fromm (SG Jasmund), Marvin Müller (Hamburger SK) und Erik Wu (SK Mannheim-Lindenhof).
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 20943