23. Februar 2014
Der Herr der mit steinerner Miene auf die Schachspieler am Wochenende in Berlin herabschaute, überragte und überwog diese noch um ein Vielfaches. 3,40 Meter hoch und 500 Kilogramm schwer ist die Bronzestatue, die im Atrium des Gebäudes steht, das auch seinen Namen trägt: Willy Brandt (1913 - 1992).
Brandt war von 1969 bis 1974 Bundeskanzler und von 1964 bis 1987 SPD-Parteivorsitzender. Entsprechend wurden seine Verdienste mit der Namensgebung als "Willy-Brandt-Haus" - welches 1996 nach zwei Jahren Bauzeit als neue Parteizentrale in Betrieb ging - geehrt.
Ein durch und durch würdiges Ambiente für ihre zwei Bundesliga-Heimspiele haben sich die Schachfreunde Berlin ausgesucht. Und sie waren hier nicht das erste Mal zu Besuch, wie Rainer Polzin in seiner Ankündigung beim Berliner Schachverband schrieb. Für mich war es allerdings eine Premiere, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht. In den ersten Jahren meiner seit 1996 wieder etwas aktiveren Verbandsarbeit war ich allerdings nur selten bei den Bundesliga-Gastspielen.
Auch in der Jetztzeit klappt nicht immer ein Besuch, so daß ich am Sonnabend nur kurzzeitig einen Blick auf die Live-Übertragung im Internet werfen konnte.
In dieser wechselvollen Partie ist Weiß inzwischen auf die Siegerstraße eingeschwenkt. Um jetzt aber nicht in einem zweizügigen Mattdesaster zu stranden, mußte mit 47. Dxf4 natürlich das schwarze Gaul entsorgt werden. Das Vorzeichen bei der Materialbilanz kann aber schnell wieder gedreht werden, weil der c-Bauer ja unaufhaltsam zur Umwandlung strebt. 47.... Txf4 48.c7 Tg4+ Oops... Dauerschach? 49.Kh1 Nein, zum Glück nicht. 49.... Ta2?
Die Partie ist eh verloren, aber sich erst um den a-Bauern zu kümmern war der falsche Weg. Dadurch bekommt Weiß Zeit zu 50.c8D+ Kg7 51.Tf1! Tgg2 Das kommt jetzt zwei Züge zu spät. Hätte Schwarz bereits im 49. Zug den Turm hierher gezogen, wäre 51. Tf1 wegen Matt nicht mehr möglich gewesen. 52.Db7 Txh2+ 53.Kg1 Kh6 54.Txf7 1-0
Dem Sieg gegen Reich ließ Stefan Frübing heute ein Remis gegen den 200 Elo-Punkte stärkeren ungarischen GM Robert Ruck folgen. Damit gehört er zu den erfolgreicheren Tegeler Spielern, die heute allerdings wenig gegen Eppingen zu bestellen hatten. Deshalb blicken wir schnell wieder zurück auf das Match gegen Bayern München, welches mit 5:3 sehr erfolgreich für die Berliner endete.
In der nachfolgenden Stellung hatte sich IM René Stern seinen Gegner IM Alexander Beletskij zurechtgelegt.
Der Berliner hatte mit zuletzt 45.Td8 den Druck auf die schwarze Stellung weiter erhöht. Die Online-Engine Houdini 2 spuckte trotzdem nur mickrige 0,33 Punkte Vorteil für Weiß aus und favorisierte für den Nachziehenden Th5, um die andersfarbigen Streitkräfte zurückzudrängen. Beletskij bevorzugte menschlich verständlich 45.... Kh7 und sah nach 46.Td5 g6?? seine Stellung bereits zusammenbrechen. Mit dem Bauernzug hatte er Weiß schöne neue Perspektiven auf der langen Diagonale und der siebten Reihe eröffnet. So kam es dann auch: 47.Txc5 Th5 48.Dd8 Kg8 49.Tc7 1-0
Sehr optimistisch hörte ich am Sonntagmorgen einen SFB-Spieler noch sagen, daß es wohl ein 8:0 gegen München geben würde. Die Rechnung war aber allzu einfach: Tegel hat 5:3 gegen die Bayern gewonnen und wir (SF Berlin) sind an allen Brettern deutlich stärker als Tegel besetzt.
Nun, vom 8:0 waren die Schachfreunde so weit entfernt, wie Berlin einmal einen funktionierenden neuen Flughafen bekommt. Als ich diese Zeilen schrieb, stand es bereits 4:2 - für München! Und die zwei verbliebenen Partien ließen eigentlich keine zwei vollen Punkte für Berlin vermuten. Agopov stand zwar auf Gewinn, aber Melkumjan quälte sich in einem Turmendspiel mit Mehrbauern. Bei Kiebitz Horst-Peter Kurbel dürfte das Herz höher hüpfen, angesichts der zu erwartenden Sensation. Der Berliner ist so sehr Bayern-Fan, daß er seine Aktivmitgliedschaft im DSB der Schachabteilung des FC Bayern München vermacht hat. Ein Grund für den Wechsel war die ausgesprochen gute Mitgliederbetreuung, die sich u.a. bei den verschiedenen Bayern-Devotionalien ausdrückt.
Die Sensation - ein Sieg gegen die Schachfreunde Berlin - blieb aus. Dafür war aber wenigstens ein Mannschaftspunkt für die Münchener nach sechs Partien eingemeißelt. Die letzten beiden Partien gingen verloren. Darunter die von Andreas Schenk, der sich Chrant Melkumjan beugen mußte. Dem Armenier, den Levon Aronjan einst zu den Schachfreunden gelotst hatte.
Schenk hätte in der Stellung gern die Endspieldatenbank zur Unterstützung herangezogen, doch das ist leider in der Bundesliga nicht erlaubt. Aber auch ohne diese technische Hilfe wäre 69.... e3+?? wohl eher nach menschlichem Ermessen nicht in Frage gekommen. Wer wirft schon gern sein letztes Faustpfand dem Gegner freiwillig in den Rachen? Untenrum kommt der weiße König nicht an den schwarzen Turm ran und obenrum bekommt der e-Bauer flinke Füße. Mit dem schwarzen Textzug ist das weiße Problem, das den Gewinn verhindert, beseitigt.
Fotogalerie
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Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 9454