12. Februar 2015
Die ersten beiden Turniere der FIDE Grand Prix Serie 2014/2015 gab es im Doppelpack. Dann war einige Zeit Pause, und ab Sonntag geht es weiter. Als Austragungsort des dritten Turniers war zunächst Teheran vorgesehen, dann Tiflis, dann Batumi und jetzt offenbar doch wieder Tiflis. Die offiziellste Quelle dazu ist ein Tweet von Anish Giri - der sollte es wissen und auch die anderen Teilnehmer haben hoffentlich passende Flüge gebucht. Eine Turnierseite gibt es noch nicht - vermutlich wird es dieser Link. Wo genau gespielt wird, verraten sie den Spielern sicher auch noch, ebenso wann die Runden jeweils beginnen. Als Titelbild daher ein zufällig ausgewähltes (bzw. bei Wikipedia vorhandenes) Foto der Rustaveli Avenue in Tiflis (Fotograf George Nikoladze). UPDATE: Inzwischen gibt es die Turnierseite - oder vielleicht gab es sie schon gestern abends aber der richtige Link ist nicht tbilisi2015.fide.com sondern tbilisi2015.fide.com/en/main-page. Das muss man wissen - FIDE selbst weiss es offenbar noch nicht, denn bei ihnen steht unter Turnierkalender noch der falsche Link.
Spielen werden - alphabetisch geordnet - Andreikin, Dominguez, der bereits erwähnte Giri, Grischuk, Jakovenko, Jobava, Kasimdzhanov, Mamedyarov, Radjabov, Svidler, Tomashevsky und Vachier-Lagrave. Das ist natürlich weder die Reihenfolge nach Elo, noch nach dem derzeitigen Stand in der GP-Gesamtwertung.
Vor Beginn der Serie, und ein bisschen nach wie vor kann man dieses Turnier als "Grand Prix light" einstufen - auch wenn man damit einigen Spielern, die sich zwischenzeitlich in der Weltrangliste stark verbessert haben, Unrecht tut. Es fehlen mit Caruana und Nakamura die beiden momentan Führenden. Es fehlt Karjakin, der vor der Serie und +- immer noch auch zum Favoritenkreis zählt(e). Es fehlt auch Gelfand, der beim ersten Turnier in Baku gross aufspielte. Dafür gibt es zwei Gründe, die jeweils wohl drei dieser vier betreffen: 1) Anfangs war als Austragungsort ja Teheran vorgesehen. 2) Parallel läuft ein kleines aber feines Superturnier in Zürich mit u.a. Caruana, Nakamura und Karjakin. Aber es hat auch seinen Reiz, wenn es beim vierten und letzten GP-Turnier in, nach derzeitigem Stand, Khanty-Mansiysk zum grossen Showdown der Favoriten kommt. Soweit ist es noch nicht, Thema heute Vorschau auf das Turnier in Tiflis:
Die Teilnehmer in Tiflis kann man grob so unterteilen: für vier ist es ihr drittes und letztes GP-Turnier, und acht andere spielen danach noch in Sibirien. Weiterhin gibt es Kategorie a) noch gute Chancen in der GP-Gesamtwertung sowie b) schlechte bis gar keine Chancen mehr auf einen der beiden ersten Plätze, sprich Qualifikation für das Kandidatenturnier.
Andreikin, Mamedyarov, Radjabov und Kasimdzhanov spielten bereits Baku und Taschkent. Andreikin war überraschender Sieger in Taschkent und hat damit, trotz mässiger Leistung in Baku, durchaus noch Chancen in der Gesamtwertung. Diesmal gibt es kein Streichresultat, aber vielleicht haben (fast) alle Spieler am Ende ein "Streichresultat" - sprich keiner, oder höchstens einer erwischt drei gute bis sehr gute Turniere. Nakamura kann jederzeit auch mal ein schlechtes Turnier (konkret hiesse das 50% oder weniger) spielen, und auch Caruana ist zumindest nicht so dominant bis unfehlbar wie einige nach seinem grandiosen Auftritt in St. Louis vermuteten. Im Falle des Falles wäre es natürlich eine noch grössere Überraschung bis Sensation als letztes Mal die Qualifikation als Weltcup-Halbfinalist. Mamedyarov spielte in Baku ebenfalls schlecht und war dann in Taschkent immerhin geteilt Zweiter. Wenn er in Tiflis ein vergleichbares Ergebnis erreicht, kann auch er noch Caruana und/oder Nakamura ein- und überholen - nicht nur nach dem dritten, sondern auch nach dem vierten Turnier. Das wäre dann für ihn deja vu: schon in der zweiten GP-Serie war er beim letzten Turnier Zuschauer und drückte allen die Daumen, ausser seinen Konkurrenten Grischuk und ... Caruana. Radjabov und Kasimdzhanov spielen dagegen wohl nur noch um Ehre, Preisgeld und Elopunkte. Radjabov konnte zwar seine Talfahrt beenden, aber er hat sich etwas unterhalb der absoluten Weltspitze stabilisiert. Und Kasimdzhanov war ohnehin Aussenseiter und konnte diese Einschätzung in den ersten beiden Turnieren nicht widerlegen.
Von den acht anderen haben sechs bis sieben noch Chancen in der Gesamtwertung, der achte ist Jakovenko. Die anderen: Grischuk, Svidler und Tomashesvsky waren beim ersten Turnier punktgleich mit Nakamura, Vachier-Lagrave und Jobava beim zweiten Mal punktgleich mit Caruana. Wenn einige Spieler nun wieder das Ergebnis des Konkurrenten kopieren (alle werden es nicht schaffen, soviel steht fest), dann herrscht Gleichstand vor Khanty-Mansiysk. Von der Papierform her haben Tomashevsky und Jobava schlechtere Karten. Bei Giri ist es umgekehrt, seine Papierform ist besser als sein Ergebnis in Taschkent- da erzielte er nur 5/11 und ist damit in der GP-Wertung relativ abgeschlagen. Aber das war sein einziges schlechtes Turnier im letzten halben Jahr, ansonsten hat er jedes Mal Elopunkte gewonnen.
Stichwort Elo: Auch wenn Giri in Tiflis nicht ganz vorne landen sollte, kann er dennoch ein paar wertvolle Elopunkte zulegen. Zum einen kann er damit Elo 2800 knacken - wenn ich ihn in Wijk aan Zee richtig verstanden habe, ist das für ihn nich sooo wichtig, Zahlenakrobatik ist eher was für die Zuschauer? Zum anderen: Das Rennen um die beiden Eloplätze für das Kandidatenturnier läuft seit Januar 2015 und ist ziemlich offen und unberechenbar. Momentaner Stand in der Live-Ratingliste hinter Carlsen: Grischuk 2810.0, Caruana 2809.5, Giri 2798.6, Topalov 2798.1 usw. . Da Caruana parallel in Zürich spielt, haben wir eventuell die nächsten Tage zweimal täglich eine neue Nummer zwei: nach Grischuks Partie in Taschkent (aufgrund der Zeitverschiebung wohl früher beendet) UND nach Caruanas Partie in Zürich. Wenn Giri in Tiflis sehr gut spielt und/oder wenn Caruana und Grischuk beide relativ schlecht spielen, haben wir vielleicht sogar dreimal täglich eine neue Nummer zwei.
Gegebenenfalls kann Giri auch darauf hoffen, dass sich Caruana und/oder Grischuk über die GP-Serie qualifizieren, und damit (diesen Gefallen tat letztes Mal Kramnik beim Weltcup Karjakin) ihn über Elo qualifizieren. Das kann er dann in Khanty-Mansiysk beeinflussen - sicher nicht durch absichtliche Niederlagen gegen diese beiden (schon weil er damit Elo einbüsst und womöglich doch leer ausgeht), aber durch Siege gegen deren Konkurrenten.
Das ist alles Zukunftsmusik, zunächst erwartet uns ein spannendes Turnier in Tiflis. Was kann ich noch schreiben? Wie gesagt, wann die Runden beginnen ist (für mich) noch unbekannt. Zeitunterschied mit Mitteleuropa ist drei Stunden, d.h. 15:00 Ortszeit ist 12:00 hierzulande. Wann die Partien in Zürich beginnen ist (wobei sie eine Homepage haben) auch noch nicht offiziell erwähnt, letztes Jahr begannen sie jeweils um 15:00 (Ortszeit in Zürich und Deutschland). Übrigens: In Tiflis wird vom 15.-28.2. gespielt, in Zürich vom 14.-19.2. (einschliesslich Schnellturnier zum Abschluss). Wer danach mehr als ein Turnier pro Tag braucht, am Wochenende darauf ist Bundesliga und ab dem 24.2. die Europameisterschaft in Jerusalem. Ob es in Tiflis Livekommentar gibt und von wem, ist mir auch unbekannt. Wird die Georgierin Sopiko Guramishvili die Partien von u.a. Giri kommentieren? Dann muss sie auf ihren anderen Partner (WM in Sotschi) verzichten, Svidler spielt selbst auch mit. Immerhin kenne ich die Wettervorhersage für Tiflis: etwa ähnlich wie in Mitteleuropa, tagsüber teilweise etwas wärmer (bis 10 Grad) aber Nachtfrost und eventuell später auch ein bisschen Schnee.
Auch diesen Teil kann ich noch ergänzen: Gespielt wird im Courtyard Marriott Hotel (siehe Foto unten) - schick wenn auch nicht so originell wie in Taschkent, da wurde in einem Museum zwischen den Bildern gespielt. Und zwar ab 15:00 Ortszeit, die letzte Runde am 27.2. ab 13:00. Für Livekommentar ist Tornike Sanikidze zuständig, georgischer Grossmeister bekannt aus Bundesliga (SG Trier) und diversen Opens. Ich nannte ihn mal "Tornado Kamikadze" da er mitunter so spielt - vielleicht hat er besonders Freude an den Partien von Baadur Jobava.
// Archiv: Nachrichten Thomas Richter // ID 19414
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