28. Mai 2021
Mit Arik Braun, Matthias Blübaum, Alexander Donchenko, Rasmus Svane und Dmitrij Kollars werden heute sage und schreibe fünf deutsche Spieler bei der europäischen Qualifikation um die Teilnahme am prestigeträchtigen FIDE-Weltcup spielen. Gesellschaft leistet dem Deutschland-Quintett weiterhin Noël Studer. Der sympathische Schweizer gewann seine gestrige Schwarzpartie gegen Ilja Smirin und steht nun ebenfalls im Gruppenfinale. Er darf sich mit dem Weltklassemann und Spieler der Zukunft Wladislaw Artemjew messen.
Die Nerven der deutschen Zuschauer:innen wurden am gestrigen Donnerstag geschont: Alle auf zwei Partien begrenzte Matches mit deutscher Beteiligung fanden eindeutige Sieger, ein Tiebreak war somit nicht nötig. Der ehemalige Jugendweltmeister Arik Braun drehte den Spieß gegen seinen Gegner Ivan Rosum herum: Verteidigte sich Arik in der ersten Partie noch erfolgreich mit zwei Bauern gegen einen Springer, zeigte er nun, wie er Stellungen mit Mehrspringer behandelt. Im Endspiel setzte sich dieses Mal nämlich der Springer des Deutschen gegen die zwei russischen Bauern durch. Mit 1,5:0,5 steht Arik damit im Finale.
Noch schneller war da nur die deutsche Nummer eins, Matthias Blübaum. Dessen Gegner Sebastian Mihajlov sah bereits mit Schwarz nach wenigen Zügen kein Land mehr. Das frühzeitige Remisangebot des Norwegers kam der Aufgabe des Matches gleich, sodass Matthias keinen Anlass dafür sah, noch weiterzuspielen. Auch hier steht es zum Schluss: 1,5:0,5
Ebenfalls gute Neuigkeiten können wir von Alexander Donchenko vermelden. Nachdem er in der ersten Partie seinen tschechischen Gegner Tadeas Kriebel aus besserer Position noch ins Remis entschlüpfen ließ, machte er es im Rückspiel mit den schwarzen Steinen umso besser. Im Mittelspiel überspielte der Gießener seinen Kontrahenten, gewann Material und verwertete dies gewohnt souverän. Mit 1,5:0,5 gewinnt Alex damit wie Matthias sein erstes Hybrid-Match des Turniers.
Bedeutend spannender machten es Rasmus Svane und Dmitrij Kollars. Mutmaßten wir gestern noch an gleicher Stelle, dass es für Rasmus nach seinem Auftaktsieg ja „nur noch“ eine Routineaufgabe werden sollte, mit Weiß den nötigen halben Punkt einzufahren, musste ausgangs der Eröffnung bereits gezittert werden. Sein Gegner Imre Balogh (2578, Ungarn) lenkte die Partie bereits zu Beginn auf ausgetretene Pfade und überspielte den Lübecker nach und nach, sodass Rasmus mit dem Rücken zur Wand stand. Im Übergang zum Endspiel ließ Balogh aber einen taktischen Konter zu, der es Rasmus erlaubte, die Stellung ins Gleichgewicht zu bringen. Remis nach langem Kampf lautet hier das Ergebnis und damit ebenfalls ein 1,5:0,5-Matchsieg.
Lange dauerte es auch bei Dmitrij. Dort sah es im Endspiel eigentlich lange Zeit nach einem Remis aus. Doch mit Erreichen des Endspiels begann sein Gegner, sich selbst mehr Steine in den Weg zum Remishafen zu legen, als das zwingend notwendig gewesen wäre. Dmitrij hingegen nutzte seine Chance, zog die Daumenschrauben an und gewann schlussendlich noch im Endspiel mit Läufer und Bauer gegen Läufer! Das fünfte 1,5:0,5 zu Gunsten der Deutschen war damit perfekt. Das bedeutete auch: Keine Tiebreaks notwendig, sodass unsere Spieler ihre Kräfte für den heutigen Tag schonen konnten. Zu seiner Partie hatte Dmitrij die folgenden Weisheiten mit uns zu teilen:
Du hast zwischendurch ein Remisangebot Deines Gegners abgelehnt. Was war der Grund dafür?
Ich habe vor allem wegen meiner Vorerfahrung gegen Kantor Remis abgelehnt. Beim Mitropa-Cup 2018 hatten wir dieselbe Situation, wo er in ausgeglichener Stellung Remis angeboten und dann später in Zeitnot die Nerven verloren hat. Auch diesmal hatte er wenig Zeit. Außerdem dachte ich, dass die Stellung sehr nah am Remis, aber etwas einfacher für mich zu spielen war.
Bisher hast Du jedes Match ohne Tiebreak gewonnen. Wer wird also im Finale der Kürzeren gegen Dich ziehen dürfen?
Heute spiele ich gegen Sanan Sjugirow. Das wird natürlich schwierig.
Br. | Wir | Elo | - | Gegner | Elo |
---|---|---|---|---|---|
27 | GM Matthias Blübaum |
2669 | 1:0, ½:½ |
IM Sebastian Mihajlov | 2384 |
32 | GM Dmitrij Kollars |
2607 | ½:½, 1:0 |
GM Gergely Kantor | 2527 |
33 | GM Alexander Donchenko |
2660 | ½:½, 1:0 |
IM Tadeas Kriebel | 2527 |
42 | GM Arik Braun |
2609 | ½:½, 1:0 |
GM Ivan Rosum |
2549 |
49 | GM Vincent Keymer | 2591 | 0:1, ½:½ |
GM Viktor Laznicka |
2647 |
52 | GM Rasmus Svane |
2615 | 1:0, ½:½ |
GM Imre Balogh | 2578 |
62 | FM Frederik Svane | 2438 | 0:1, 0:1 |
GM Velimir Ivic |
2581 |
Eine weitere gute Nachricht dürfen wir unseren schweizer Schachfreunden übermitteln: Noël Studer, der in Magdeburg unser Gast ist und von dort die europäische Qualifikation für den Weltcup bestreitet, gestaltete seine Partie gegen den ehemaligen Weltklassespieler Ilja Smirin aus Israel siegreich. Smirin opferte bereits früh eine Figur, um dem schweizer König zu Leibe zu rücken. Doch Studer wehrte den Angriff erst gekonnt ab und setzte dann zu einem unwiderstehlichen Konter an. Mit ihm haben wir nach der Partie kurz gesprochen und ihn nach den Aussichten für das Finale befragt:
Herzlichen Glückwunsch zum Sieg! Der heutige Sieg gegen Ilja Smirin war ein heißer Ritt. Können Sie kurz die Partie aus Ihrer Sicht beschreiben?
Smirin spielte eine riskante Variante, wo ich glücklicherweise etwas mehr wusste als er. Das Opfer auf h6 funktioniert häufig nicht, wenn Schwarz mit Sd4! kontern kann. Als ich den Springer auf d7 mit Schach zurückgab war ich mir dann sicher, dass nicht ich, sondern er Matt gesetzt wird :-).
Im Finale Ihrer Gruppe wartet mit Artemjew ein Weltklassegroßmeister. Muss er sich nach Ihrem gestrigen Sieg warm anziehen?
Natürlich ist er der klare Favorit. Dennoch zählt an diesem Turnier nur die Qualifikation. Ich werde mich also nicht einfach so geschlagen geben.
Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie von Magdeburg aus spielen?
Leider bin ich der einzige Schweizer, der sich für diese Qualifikation interessierte. Und nur für mich wollte der Schweizerische Schachbund nicht einen so großen Aufwand betreiben. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass ich hier in Deutschland Unterschlupf gefunden habe.
Schluss hingegen ist in Magdeburg für unsere Youngster. Sowohl Frederik Svane als auch Vincent Keymer treten die Heimreise an und werden nicht beim Weltcup dabei sein. Frederik suchte gegen Velimir Ivic (2581) einen scharfen Kampf, zog aber schlussendlich den Kürzeren und verlor damit glatt mit 0:2. Dennoch darf der Lübecker mit erhobenem Haupt Magdeburg verlassen, denn mit seinem Matchsieg gegen Alexander Moisejenko (2620) in Runde 1 ließ er sein unbestrittenes Talent ein weiteres Mal aufblitzen. Für uns lässt Frederik sein Turnier Revue passieren:
Mit Moisejenko hast Du einen bärenstarken GM in Runde 1 rausgeworfen, nun bist Du leider ausgeschieden: Wie fällt Dein Fazit zu Deinem Abschneiden in Magdeburg aus?
Es ist natürlich nett, gegen Moisejenko gewonnen zu haben. Ich bin auch zufrieden mit der zweiten Partie. Da hat er versucht zu mauern, eine Festung aufzubauen. Aber ich habe das dann gut gespielt. Ab und an habe ich aber nicht sauber gerechnet und war ein wenig fahrig bei der Variantenberechnung insgesamt. Gestern war nicht viel zu machen. Ich wollte Spannung auf dem Brett behalten, aber das hat nicht so gut geklappt. Ich hätte hier und da anders spielen können, aber Weiß war zu solide. Das hat er auch mein Gegner einfach gut gemacht, das muss ich sagen.
Was nimmst Du aus Magdeburg an Erkenntnissen für das weitere Training mit?
Ich muss mir meine Varianten besser merken und an den Eröffnungen arbeiten. Auch an meiner Chancenverwertung muss ich arbeiten, die wenigen darf ich nicht wegwerfen. Und natürlich die Variantenberechnung, die geht immer besser.
Rasmus hat es gestern mit etwas Dusel ins Finale geschafft. Unterstützt Du ihn jetzt oder ist der große Bruder auf sich allein gestellt?
Ich drücke allen die Daumen, die jetzt weitergekommen sind. Ich hoffe, dass sich alle gut schlagen und sich qualifizieren, wenn es gut läuft. Aber was passiert, werden wir sehen. Aber Rasmus speziell unterstützte ich jetzt schachlich nicht. Die Daumen drücke ich ihm natürlich schon!
Auf SchachdeutschlandTV drückten Vincent Keymer viele deutsche Fans die Daumen, was man den diversen Sympathiebekundungen im Chat ablesen konnte. Vorgestern ließ der Saulheimer seine Puppen tanzen und spielte eine grandiose Partie, die er leider im Endspiel in hochgradiger Zeitnot noch unglücklich verdarb. Gegen den ehemaligen Weltklassespieler Viktor Laznicka war mit den schwarzen Steinen dann nicht mehr als ein Remis zu holen. Das bittere Endergebnis: 0,5 zu 1,5 aus deutscher Sicht.
Apropos SchachdeutschlandTV! Viele Fragen erreichten uns, wie es zu unserer Präsenz auf Twitch kam und was demnächst alles noch auf SchachdeutschlandTV zu sehen sein wird. Daher haben wir beim Kanal-Admin und hauptamtlichen Mitarbeiter des DSB für Öffentlichkeitsarbeit Arne Jachmann nachgefragt!
Wann wurde SchachdeutschlandTV ins Leben gerufen?
Unsere erste Sendung lief zum Start der zweiten DSOL-Saison am 22. Januar dieses Jahres. GM Sebastian Siebrecht hat an jedem Freitagsspieltag Partien kommentiert und teilnehmende Vereine vorgestellt.
Was war eigentlich die Idee zu diesem Angebot des Deutschen Schachbundes auf Twitch?
Mit SchachdeutschlandTV wollen wir die Schachspieler dort erreichen, wo sie – nicht erst seit Beginn der Pandemie – im Internet unterwegs sind, egal ob Vereinsspieler oder interessierte Anfänger. Twitch hat sich in den letzten Jahren als perfekte Plattform für Schach herausgestellt. Schach lässt sich mit relativ einfachen Mitteln streamen, über den Chat steht man direkt mit den Zuschauern in Verbindung. SchachdeutschlandTV soll eine Plattform für unsere Mitgliedsverbände für Live-Schachinhalte aller Art sein, ein Kanal auf dem immer was los ist. Damit wollen wir Schach noch mehr in die Öffentlichkeit bringen.
Wo kann ich SchachdeutschlandTV empfangen und die Sendungen verfolgen?
Unseren Kanal findet man unter https://www.twitch.tv/schachdeutschlandtv. Zuschauen kann man vom PC über den Browser und von Smartphones, Tablets oder Smart-TVs über die Twitch-App. Mit einem eigenen Twitch-Account steht auch der Chat zur Verfügung. Alte Sendungen können auf unserem YouTube-Kanal angesehen werden.
Bisher sehen wir vor allem häufig Namen wie GM Klaus Bischoff und GM Sebastian Siebrecht auf diesem Kanal. Sind auch noch weitere Streamer geplant?
Da hast Du Recht, Sebastian und Klaus sind im Moment „die Gesichter“ des Kanals und sehr präsent. Und das zurecht, beide machen das auf ihre jeweils eigene Art super! In Zukunft sollen aber noch weitere Moderatoren bzw. Kommentatoren hinzukommen.
Welche Veranstaltungen können auf SchachdeutschlandTV gesehen werden? Gibt es einen Sendeplan?
Zum einen Live-Kommentierungen unserer eigenen großen Turniere wie der German Masters oder vor Kurzem der Kader-Challenge. Auch wenn unsere Nationalmannschaften im Einsatz sind, werden wir immer versuchen etwas anzubieten. Dazu kommen unsere Shows, wie z. B. die Kader-Vorstellung. Abgerundet wird das Ganze durch Sendungen unserer Mitgliedsverbände und Kaderspieler:innen, welche die Möglichkeit zum Streamen auf SDTV auch schon zum Teil wahrnehmen. Den Sendeplan mit allen feststehenden Terminen findet man hier auf der Schachbund-Seite.
Was läuft bisher gut auf SchachdeutschlandTV und wo sieht man noch Verbesserungspotential?
Mit den Zuschauerzahlen sind wir bisher im Großen und Ganzen ganz zufrieden. Laut Twitchmetrics.net sind wir bei den deutschen Schach-Streamern in vielen Kategorien unter den Top-Ten, also bei durchschnittlicher Zuschauerzahl, den geguckten Stunden u.s.w. Der Kanal wächst auch stetig, wenn man auf die Followerzahl schaut. Bei der Technik, also Bild und Ton, müssen wir uns teilweise noch verbessern, genau wie bei der Zweitverwertung unserer Inhalte. Manche Abläufe müssen sich erst noch einspielen, da haben viele Kanäle einfach mehr Erfahrung.
Wie sieht die Zukunft von SchachdeutschlandTV aus? Kannst Du uns ein paar der Dinge verraten, die in der Pipeline stecken?
Es gibt mehrere Dinge, über die wir gerade nachdenken. Eine Übertragung der DSB-Kongresse wäre denkbar. Etwas konkreter planen wir Anfängertrainings, wie sie der niederländische Verband anbietet. Und auch einige Show-Konzepte, die vor allem unterhalten sollen und das „Schach-Erklären“ etwas in den Hintergrund stellen, würden wir gerne umsetzen. Vielleicht auch mit schon bekannten Schach-Streamern. Das alles soll aber wohlgemerkt hinzukommen und die Live-Kommentierungen nicht ersetzen. Wer weiß, vielleicht kommt demnächst auch die Schachbundesliga hinzu, das wäre ein Highlight. Bei unseren eigenen Turnieren wollen wir in Zukunft nach Möglichkeit auch eine oder mehrere Kameras aus dem Spielsaal einbinden.
Vielen Dank für das Interview, Arne!
Br. | Wir | Elo | - | Gegner | Elo |
---|---|---|---|---|---|
14 | GM Matthias Blübaum | 2669 | - | GM Ivan Ivanisevic | 2606 |
16 | GM Dmitrij Kollars | 2607 | - | GM Sanan Sjugirow | 2663 |
17 | GM Alexander Donchenko | 2660 | - | GM Aleksandar Indjic | 2607 |
21 | GM Arik Braun | 2609 | - | GM Alexander Rachmanow | 2651 |
26 | GM Rasmus Svane | 2615 | - | GM Sergej Movsesian | 2647 |
Matthias Blübaum hat heute Weiß. Die anderen vier Deutschen spielen mit Schwarz ihre erste Partie.
Informationen bei der ECU | Ergebnisse bei ChessResults | Tornelo: gestrige Runde / heutige Runde | ChessBase live | Fotogalerie | SchachdeutschlandTV mit GM Klaus Bischoff
Alle Fotos von Claudia Münstermann. Die Fragen stellte Kevin Högy.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 10656