22. Oktober 2018
Gestern ging in Dresden die 1. Mannschafts-Weltmeisterschaft für Menschen mit Behinderungen zu Ende. Sieger und Goldmedaillengewinner wurde die hochfavorisierte Mannschaft der körperlich Behinderten von Russland. Die Gehörlosen Polens erreichten Silber vor der Vertretung von Niedersachsen. Erfreulich ist auch die Goldmedaille für die deutsche Jugendmannschaft.
Bei der Siegerehrung waren als Gäste FIDE-Vizepräsident Akaki Iaschwili, der Sportbürgermeisters von Dresden, Dr. Peter Lames und der Schatzmeister des Gehörlosen-Weltverbandes ICCD, Holger Mende anwesend, die auch Grußworte an die Teilnehmer richteten.
Der neue Weltmeister Russland spielte mit IM Andrej Obodschuk (Elo 2323, 5½ aus 7), IM Dmitrij Scerbin (2264, 6½/7), Denis Palin (2133, 5½/7) und Ilja Lipilin (2070, 6½/7). Nur in Runde zwei gegen den späteren Bronzemedaillengewinner Niedersachsen kam Russland in Not. Die Deutschen führten sensationell 2:0 und hätten fast den nötigen halben Punkt für den Mannschaftssieg geschafft. Russland rettete sich zum 2:2 und gewann die anderen sechs Begegnungen souverän, darunter auch ein beeindruckendes 4:0 gegen das zweitplazierte Polen.
Die deutsche Jugendmannschaft war neben der Russlands die einzige Vertretung in der Juniorenwertung. Hinzu kam, das Russland nur zu zweit antrat, dafür jedoch erstaunlich viele Brettpunkte einheimste. An den ersten beiden Brettern waren deutsche Spielerinnen gemeldet, die aber nur in den Runden 2-7 zum Einsatz kamen. Ihre Ergebnisse wurden allerdings nicht gewertet und sie erhielten auch keine Medaillen.
Der nur eine Mannschaftspunkt für Russlands Jugend erklärt sich dadurch, das ihre spielfreie Runde nur mit 1:1 gewertet wurde.
Pl. | Mannschaft | Land | TWZ | MP | BP | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1. | Russland Behinderte | 2151 | 13:1 | 24,0 | x | 4 | 2 | 3 | 4 | 4 | 4 | 3 | |||
2. | Polen Gehörlose | 1969 | 12:2 | 19,5 | 0 | x | 3½ | 4 | 2½ | 3 | 3 | 3½ | |||
3. | Niedersachsen | 1941 | 11:3 | 20,0 | 2 | ½ | x | 3 | 3½ | 3½ | 3½ | + | |||
4. | Russland Gehörlose | 2055 | 9:5 | 17,5 | 1 | 0 | x | 4 | 2 | 2½ | 4 | + | |||
5. | Ungarn | 1765 | 7:7 | 13,5 | 0 | 1½ | 0 | x | 2 | 3½ | 2½ | + | |||
6. | Russland Frauen Gehörlose | 1935 | 7:7 | 13,0 | 0 | 1 | 1 | 2 | x | 2½ | 2½ | + | |||
7. | DGSV 1920 | 1854 | 5:9 | 12,0 | 0 | 1 | ½ | 2 | 1½ | x | 3 | + | |||
8. | Deutschland Jugend | 1718 | 4:10 | 11,5 | 1 | ½ | 1½ | ½ | 1½ | x | 2½ | + | |||
9. | Russland Jugend | 1598 | 1:12 | 7,0 | ½ | ½ | 0 | 1½ | 1 | 1½ | x | + |
Der Wettkampf der deutschen Jugend gegen den späteren Weltmeister ging bei Weitem nicht so für Russland glatt aus, wie es erwartet wurde. Die beiden Internationalen Meister kamen gegen die deutschen Spitzenbretter nicht über Punkteteilungen hinaus. In der nebenstehenden Stellung hat Obodschuk Probleme mit seinem rückständigen d-Bauern. Weiß hat viele gute Züge, um den Druck darauf weiter zu erhöhen. Doch statt z.B. e4 entschied sich der 15-jährige Lukas Koll für einen Abtausch auf d5, worüber der erfahrene Russe sehr erfreut gewesen sein dürfte. 17. Sd5? Sxd5 18. Dxd5 Dxd5 19. cxd5 Lh6 Der schöne Vorteil ist dahin. Die Stellung nähert sich dem Friedensschluß. 20. Kf2 f5 21. Lc3 e4 22. Tfd1 Tfc8 23. Tbc1 Lf8 24. Ke2 exf3+ 25. Kxf3 ½-½
Noch weitaus kniffligere Probleme hatte Obodschuk's Kollege Dmitrij Scerbin am Brett daneben gegen Lukas Knoll's 14-jährigen Bruder Linus zu lösen. Gelinde gesagt steht er auf Verlust. Die Stockfish-Engine favorisiert mit weitem Abstand und einem Riesenvorteil von +11(!) den Zug Db7. Linus entschied sich für 42. ... Dc6 was per se nicht schlecht ist, aber entscheidende Unterschiede zu Db7 aufweist: a) Der Bauer c5 ist praktisch wertlos und kann vernachlässigt werden. b) Der Bauer auf b3 bleibt angegriffen und Schwarz bekommt im Fall des Schlagens Zugriff auf d1. c) Der Bauer f7 wird nochmal überdeckt, um weiße Angriffe auf den König zu unterbinden. Trotzdem erstaunlich das die Engine-Bewertung gleich um 8 Punkte abweicht. Aber die Hauptdrohung nach dem wahrscheinlichen 43. Ke2 ist 43. ... Td4!, wonach Weiß die Dame geben muß und sicher verlieren sollte. Nach 44. Dxc5 De4+ steht nämlich ein Matt in 11 Zügen auf dem Brett. Aber okay, so ist halt Maschinenschach. 43. Ke2 Dd6 44. Kf1 De5 45. Df4 Dd5 46. De3? Damit nähert sich Weiß erneut der Verlustzone. 46. ... Td6 Entschieden hätte hier 46. ... Dh1 47. Ke2 Db7!! Wegen der Drohung Te7 verbietet sich jetzt Ke1. Das ist das Heimtückische an Db7. 48. Dc3 c4! Räumt die c-Linie, wodurch der weiße König nicht in diese Richtung fliehen kann. 49. Dxc4 Te7+! und Weiß muß sich in allen Varianten von Material verabschieden. 47. Kg1 Te6? Verliert den schönen Freibauern, der soviel Möglichkeiten eröffnet hätte. In ein paar Jahren mit ein paar hundert Elopunkten mehr, würde sich Linus nicht mehr die Butter vom Brett nehmen lassen. 48. Dxd2 Dxb3 49. Tc1 Db4 50. Dd5 ½-½
Die deutsche Jugendmannschaft mit den beiden Brüdern aus Karlsruhe sowie Minh Dat Tran und Duc Huy Tran aus Schleswig-Holstein war übrigens eine Idee der Schachjugend Baden, die mit Hilfe der Deutschen Schachjugend das Duo im Norden fand.
Offizielle Turnierseite | Bericht im Sachsen-Fernsehen
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 8709