10. Januar 2020
Wenn ein Spiel über 1500 Jahre lang gespielt wird, sich über die ganze Welt verbreitet und immer mehr Menschen begeistert, dann muss das ein ganz besonderes Spiel sein – und das ist das Schachspiel auch.
Über die Besonderheiten und Vorzüge des Schachspiels ist an vielen Stellen schon ausführlich berichtet worden. Während andere Spiele längst als langweilig oder „gelöst“ in Vergessenheit geraten sind, wird Schach immer mehr und auch immer besser gespielt. Trotz der immer tiefer in das Wesen des Schachs eindringenden Computerprogramme bleibt das Spiel voller Rätsel, die noch gelöst werden müssen. Das Knacken dieser intellektuellen Nüsse macht einfach Spaß. Und wenn man eines dieser Rätsel, die das Schach oder der Gegenspieler einem stellt, nicht lösen kann, dann kann man es vielleicht beim nächsten Mal. Schließlich hat man etwas dazu gelernt. Dazu passt ein berühmtes Zitat von Samuel Beckett: „Ever tried. Ever Failed. No Matter. Try again. Fail better.“ ("Jemals versucht. Jemals gescheitert. Ganz gleich. Versuch es noch einmal. Besser scheitern.") Samuel Beckett war ein begeisterter Schachliebhaber und hatte eine ansehnliche Schachbibliothek. In seiner Zeit in Paris spielte er gelegentlich mit Marcel Duchamp. Das Stück „Fin de Partie“ ist von Beckett nach dem Vorbild eines Endspiels im Schach geschrieben worden. Beckett war bei Weitem nicht der einzige Künstler, den das Schachspiel zu künstlerischem Schaffen inspiriert hat.
Das Schachspiel hat überall in der Welt vielfach zu Kunst und Kultur beigetragen, sich aber auch mit Hilfe der Menschen, die sich damit beschäftigt haben, seine eigene Kultur und damit seine eigene Geschichte geschaffen. Über kaum ein Gebiet wurde so viel Literatur veröffentlicht wie über das Schachspiel. Die Beschäftigung damit hat wissenschaftlichen Charakter angenommen.
Eine weitere Besonderheit des Schachspiels ist es auch, dass man sich auf so verschiedene Weise damit beschäftigen kann. Wenn Schach im Wettbewerb gespielt wird, dann ist es Sport. Die systematische Untersuchung einzelner Phasen der Schachpartien, Eröffnung, Mittelspiel und Endspiel, ist eine Wissenschaft. Schön gespielte Schachpartien mit besonderen ästhetischen Motiven gelten als Kunst. Im Problemschach werden solche Motive kultiviert. Das Komponieren von Schachproblemen ist eine eigene Kunst, die aber auch im Wettbewerb ausgeführt werden kann. Die Organisation der Problemschachfreunde, „Die Schwalbe“, ist neben den Landesverbänden einer der Mitglieder des Deutschen Schachbundes.
Um Schach zu spielen, muss man sich heute nicht mehr unbedingt organisieren, es hilft aber. In früheren Zeiten trafen sich die Stadtbürger nach Feierabend oder an den arbeitsfreien Tagen in den Cafés und Lokalen und an einigen Tischen saßen die Schachfreunde beieinander. Aus diesen Zirkeln entstanden die Schachgesellschaften und Klubs. Das Ziel war Geselligkeit, Schach war das Vehikel. Die Lust auf Geselligkeit ist heute in Teilen etwas verloren gegangen. In einer sich immer schneller drehenden Welt fehlt oft einfach die Zeit. Heute gibt es zudem vielerlei alternative Angebote. Das Internet bietet auch viele schnelle Möglichkeiten zum Schachspiel. Als zusätzliche Spielmöglichkeit sind die Plattformen im Internet eine Bereicherung, aber wer nur noch im Internet spielt, der verzichtet auf den geselligen Aspekt. Man hat Spaß und lernt vielleicht auch etwas, bleibt aber allein. Wer Schach in geselliger Runde erleben will, sich mit anderen über seine Partien austauschen möchte, wer systematisch Schach lernen möchte, der findet dieses Angebot immer noch in den Schachklubs.
Die ersten Schachklubs in Deutschland wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegründet. Die ältesten noch bestehenden Schachvereine in Deutschland sind die Berliner Schachgesellschaft 1827 Eckbauer, der Hamburger Schachklub von 1830 und Münchener SC von 1836 - das sind nur drei von vielen weiteren großen Schachklubs mit langer Geschichte.
Die Schachklubs sind natürlich nicht der einzige, aber ein sehr wichtiger Baustein der Schachkultur. Deswegen lohnt es sich immer wieder, den Blick auf die Schachvereine zu werfen, auf ihre Geschichte, aber auch auf ihre aktuellen Aktivitäten. Das möchte ich hier mit Hilfe der Schachfreunde in den Vereinen machen, ohne den Blick auf die anderen Pfeiler der Schachkultur in Deutschland aus den Augen zu verlieren. Eine große Geschichte ist schön, reicht aber natürlich nicht. Wer als Organisation mit seiner Idee fortbestehen will, muss sich immer wieder über neue Mitglieder verjüngen und sich auch den äußeren Veränderungen anpassen.
Ich lade alle Schachfreunde ein mitzuwirken. Einige spannende Hinweise habe ich (andreschulz@hamburg.de) schon erhalten.
Die Internetarchive des Deutschen Schachbundes und der Deutschen Schachjugend enthalten übrigens eine Reihe von interessanten Verzeichnissen, Dokumenten und Texten zum Schachgeschehen in Deutschland und laden zum Stöbern ein:
Außerdem sei an dieser Stelle auf die famose Seite www.schachmuseum.com verwiesen und in diesem Zusammenhang auf den Beitrag zu den Schachvereinen.
André Schulz
Beauftragter für Schachgeschichte und Schachkultur
André Schulz, geb. 1959, hat in Bonn Germanistik und Philosophie studiert und arbeitet seit 1991 für ChessBase. Seit 1998 betreut er als Redakteur die Nachrichtenseite www.chessbase.de und hat seitdem etwa 20.000 Meldungen, Berichte und Artikel veröffentlicht. 2015 erschien sein Buch über die Geschichte der Schachweltmeisterschaften („Das große Buch der Schachweltmeisterschaften“). Anfang Dezember 2019 hat ihn das Präsidium des Deutschen Schachbundes einstimmig zum Beauftragten für Schachgeschichte und Schachkultur ernannt.
// Archiv: DSB-Nachrichten - Schachgeschichte // ID 10196