2. Oktober 2024
„Die stärkste Liga der Welt wird noch stärker“, schreibt das Schach-Magazin 64 in der September-Ausgabe. „Schach-Bundesliga als Spielplatz der Millionäre“, titelte die Deutsche Welle. Zwei Schlagzeilen, die die Themen für die neue Bundesliga-Saison sehr gut auf den Punkt bringen. Geld und Weltstars. Da fällt es IM Markus Schäfer, dem Präsidenten der Schachbundesliga e.V., nicht schwer, den ohnehin schon großen Reiz der Liga vor dem offiziellen Saisonstart am Wochenende, noch um einen Aspekt zu ergänzen: „Man sollte nicht nur auf die Top-Vereine schauen. Das Schöne an der Bundesliga, die trotz Eigenständigkeit ein wichtiger Teil des Spielbetriebs beim Deutschen Schachbund bleibt, ist ihre Vielfältigkeit“, so Schäfer: „Das Aufeinandertreffen von Profis und Amateuren, die Durchlässigkeit von der ersten zur zweiten Liga - das ist es, was sie für viele so interessant macht.“
So mancher Verein, wie in der vergangenen Saison der Tabellenletzte HSK Lister Turm, sehen das Mitspielen in der höchsten Klasse als Abenteuer. Das womöglich aufgrund des begrenzten Budgets nur ein Jahr dauert, aber trotzdem nachhallt in Sachen Erlebniswert. Anderen ist vor jeder Saison klar, dass es wieder nur um den Klassenerhalt geht – aber auch das hat seinen Reiz für Vereine wie den SV Mülheim Nord, den Schäfer stellvertretend nennt, weil die Malocher aus dem Ruhrgebiet mit überschaubarem Budget und vielen einheimischen Spielern seit Jahren gut mithalten können. „Auch diese Klubs sehen den großen Nutzen der Liga: Dass von so vielen internationalen Top-Spielern auch deutsche Talente einiges lernen können“, sagt Schäfer.
Der Schachbundesliga-Präsident aus Solingen ist denn auch voller Vorfreude auf den Kampf um den Titel: „Das wird eine spannende Saison.“ Vorbei die Zeiten, als es ab der Spielzeit 2005/06 mit der Ooser Schachgesellschaft Baden-Baden einen Serienmeister gab, dessen Phalanx lediglich 2016 durch die SG Solingen und in der vergangenen Saison durch den SC Viernheim durchbrochen wurde. In diesem Jahr kommt ein weiterer Big Player dazu, oder um es mit der Schlagzeile der Rheinischen Post zu sagen: „Der Aufsteiger hat den Titel im Visier.“
Die Rede ist vom Düsseldorfer SK, wo mit dem Unternehmer Wadim Rosenstein ein Sponsor schon in der vergangenen Saison in Liga zwei ein Starensemble aus dem Boden stampfte – um der vom Unternehmer Wolfgang Grenke gesponserten OSG Baden-Baden dauerhaft Konkurrenz zu machen. Düsseldorf hat neun Spieler der Weltranglisten-Top-20 unter Vertrag, darunter einige indische Olympiade-Sieger. Allen voran ein Name wie GM Dommaraju Gukesh, das erst 18-Jährige Schach-Wunderkind. Als Gewinner des Kandidatenturniers wird er bei der Weltmeisterschaft als Herausforderer gegen den amtierenden Weltmeister GM Ding Liren antreten. „Einfach super, dass dann womöglich der Weltmeister in unserer Liga spielen wird“, sagt Schäfer: „Wer weiß, wie verrückt die Inder nach Schach sind, der kann erahnen, mit wie viel Aufmerksamkeit sie in Indien auch die Bundesliga verfolgt werden.“ Düsseldorf hat weitere prominente Namen zu bieten: GM Ian Nepomniachtchi, GM Wesley So, GM Wei Yi und, und, und. Eloschnitt an den ersten zehn Brettern: 2744. Viernheim kommt mit 2717 Elo. Baden-Baden, mit US-Star GM Fabiano Caruana und der deutschen Nummer eins, GM Vincent Keymer erreicht im Schnitt 2725 Elopunkte.
Experten sind sich einig: In diesen engen Dreikampf wird keiner eingreifen können. Das erste Top-Duell findet am 11. Januar 2025 in Baden-Baden statt, gegen den SC Viernheim. Der wird von der Unternehmensberatung d-fine gesponsert. Deren Partner Markus von Rothkirch sagte dem Manager-Magazin, er sehe Schach als gute Gelegenheit, um Personal zu rekrutieren: Der Sport sei „positiv assoziiert, insbesondere bei den akademisch herausragenden und leistungsorientierten Studenten“. Das Duell Düsseldorf gegen Viernheim ist dann womöglich die Kirsche auf der Torte beim gemeinsamen Finale mit der Frauen-Bundesliga am 27. April 2025 in Deggendorf. „Das wird eine Top-Veranstaltung“, schwärmt Markus Schäfer heute schon.
Einziger Wermuttropfen, kurz vor Saisonstart: SK Doppelbauer Turm Kiel zog zurück – somit gibt es nur 15 Vereine, was den Spielplan durcheinanderbringt, der durch Doppelrunden organisiert ist. Die Finanzierung der Bundesliga-Mannschaft an der Förde war durch einen Sponsor zwar gewährleistet, aber der Verein mit vielen organisatorischen Aufgaben überfordert. „Es sind eben nicht nur immer Rückzüge von Sponsoren, die Probleme auslösen - sondern an einigen Standorten hängt vieles oft an wenigen Leuten“, sagt Schäfer, der aber nicht verschweigen will: Der Einfluss von Geldgebern regelt auch auf dem Schachbrett vieles. Es ist halt Profisport. Siehe Hamburg.
Dort ist der Stadtteil St. Pauli eine neue Kiezgröße. Hier hat bereits die Verpflichtung des weltbesten Schachspielers GM Magnus Carlsen viel Euphorie ausgelöst. Was wird erst los sein, wenn der Norweger zu den Klängen von Hells Bells (wie die Bundesliga-Kiezkicker) ans Brett marschiert? Möglich machte dies Carlsens Beziehung zu Jan Henric Büttner, der sehr viel in den Schachsport investiert – auf vielen Ebenen, bei den Profis, aber auch im Nachwuchsbereich. Selbst wenn Carlsen („St. Pauli ist eine coole Marke“) womöglich nur zwei Mal einschweben wird – sein Name löst bereits einen Schach-Hype an der Elbe aus. Zu den Terminen, wo er erwartet wird, haben sich bereits jetzt viele Medienvertreter angesagt. „Jede Partie, die er spielt, wird unheimlich viel Aufmerksamkeit auf die gesamte Liga lenken, die Reichweite enorm erhöhen“, sagt Schäfer, „deshalb freut sich nicht nur die Schachabteilung des FC St. Pauli.“
Nach Hamburg lohnt aber ein weiterer Blick: Zum Dino der Liga, dem Hamburger SK, wo auch die deutschen Nationalspieler GM Frederik Svane und GM Rasmus Svane antreten. Für den HSK, seit 1980 in der Bundesliga, von dem Schäfer sagt, dieses Projekt mit vorbildlicher Jugendarbeit beeindrucke ihn: „Das ist das Vorbild schlechthin für Talente-Entwicklung.“ Das freue ihn besonders, weil die Bundesliga derzeit intensiv an Regularien arbeite, um die Nachwuchsarbeit in den Vereinen mehr zu fördern. „Erstligavereine sollten auf diesem Gebiet prinzipiell eine Vorbildfunktion haben.“ Stars und noch mehr Nachhaltigkeit - das wäre die perfekte Mischung. (mw)
// Archiv: DSB-Nachrichten - Spielbetrieb // ID 11524