26. Juli 2007
Egmont Pönisch ist Hauptschiedsrichter im ZMD-Open. Zusammen mit seinen Kollegen Matthias Möller und Frank Jäger, achtet der 49-jährige Sportfachwirt und internationale Schiedsrichter auf den korrekten Verlauf des Turniers. Als Geschäftsführer des TuS Coswig 1920 sind ihm organisatorische Aufgaben vertraut. Pönisch ist selbst ein passabler Schachspieler und seit vierzehn Jahren in der Oberliga im Einsatz. DNN-Mitarbeiter Klaus-Jörg Lais sprach mit dem wachsamen Auge des Festivals über Schiedsrichter im Schach und die einzig wirkliche Gefahr für den Fortbestand des Spiels: Das elektronische Doping.
Herr Pönisch, Sie sind täglich mehr als sechs Stunden hier im Turniersaal, ohne selbst zu spielen. Ist Ihnen da nicht ab und an langweilig?
Durchaus nicht. Es gibt Phasen, in denen man mehr Zeit hat, aber langweilig wird das nie. Ich liebe es, Spieler und Partien live zu studieren. Außerdem ist so ein Tag straff organisiert. Man muss das Turnier vorbereiten, Daten der Spieler überprüfen, für die Räumlichkeiten sorgen, für Licht und Belüftung, die Tischanordnung, die Uhreneinstellung und vieles mehr. Außerdem bin ich als Hauptschiedsrichter für den Einsatz der technischen Helfer verantwortlich, arbeite im Team mit meinen Kollegen. Als zertifizierter Ausbilder des DOSB und Vereinsmanager kann ich vieles hier umsetzen, was man zum Beispiel auch in der Ausbildungsoffensive des Schachbundes lernt.
Gibt es denn beim Schach überhaupt etwas zu pfeifen? Gibt es Streit oder Zwischenfälle?
Durchaus gibt es die, vermehrt in der Zeitnotphase, wenn auch nicht vergleichbar mit Ballsportarten. Die Spieler müssen mitschreiben, ich muss Zeitüberschreitungen feststellen, für Ruhe sorgen. Selbst die berühmte „berührt-geführt“ – Regel kann Streit verursachen. Oder reden wir von unsportlichem Verhalten: Das jemand einfach nicht mehr zieht oder den Saal verlässt. Wir müssen versuchen zu verhindern, dass elektronische Hilfsmittel im Raum sind.
Was verstehen Sie unter elektronischen Hilfsmitteln?
Hauptsächlich Handys, Walkmans, natürlich nicht den Herzschrittmacher.
Kann man mit Handy und Walkman denn überhaupt betrügen?
Das kann man wohl sagen. Der technische Stand ist heute schon soweit, dass komplette Schachprogramme auf den Handys laufen. Mit einer Verbindung ins Internet spielt der Amateur plötzlich wie ein Weltmeister.
Also sozusagen „elektronisches Doping“
Genau. Allerdings – gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Dopingdiskussion ein körperlich sehr ungefährliches – körperliche Schäden gibt es im Schach durch Doping faktisch nicht.
Aber das fällt doch auf, wenn jemand ständig zur Toilette läuft...
Wir haben ein wachsames Auge darauf, wer wie oft den Raum verlässt und was danach geschieht. Es gibt da zahlreiche Varianten. In einem anderen Turnier lief einer ständig zu seinem Wagen, der hatte da einen Laptop drin. Wer technisch besonders versiert ist, dem steht noch mehr zur Verfügung. Erst neulich hat man einem Inder den Großmeister-Titel aberkannt, seit er urplötzlich Weltklasseniveau erreichte. Das aber nur mit seinem Turban.
Sagenhaft. Wie konnte man ihm den Betrug nachweisen?
Die Partien werden bei starkem Verdachtsmoment auf Übereinstimmung mit den gängigen Schachprogrammen geprüft. Wenn jemand von heute auf morgen in der Lage ist, eine fast perfekte Partie zu spielen, merken wir das. Oder nehmen wir den Fall Clemens Allwermann. Der Hobbyelektroniker hatte eine Winzkamera in seiner Krawatte, einen Knopf im Ohr und einen Kollegen im Hotelzimmer. Die Computer brachten den Betrug durch ihr eigenes Rechenvermögen ans Licht. Hingegen halte ich die Diskussion um Betrug auf WM-Niveau zwischen Topalov und Kramnik für psychologische Kriegsführung – da ist nichts dran.
Also müsste man noch geschickter betrügen, damit es nicht auffällt. Auf was müssen wir uns in Zukunft gefasst machen? Auf Metalldetektoren?
Nunja, die Technik entwickelt sich auch weiter. Wenn die Detektoren da wären, gäbe es wieder andere Dinge. Auf ganz hohem Niveau sollten wir zusehen, dass wir die Partien zeitverzögert übertragen oder die Räume abschirmen. Auf Kreisklasse oder auch hier ist das nicht nötig. Wir haben das im Griff. Sehen Sie, vor 30 Jahren sind gewisse Pappenheimer mit dem Schachbuch auf die Toilette – und die haben wir auch alle gekannt. Die Computer zerstören das Spiel nicht. Sie sind einfach da und wir sollten damit verantwortungsbewusst umgehen. 99,9% der Spieler tun das auch.
Wenn ich Sie frage, was Sie schon immer über Schach loswerden wollten, was antworten Sie?
Als Geschäftsführer eines Mehrspartenvereins kann ich nur dazu aufrufen, auch mal den Kopf vom Brett zu nehmen und sich für andere Sportarten mit zu interessieren. Manche unserer Spieler sehen mir zu viel schwarz-weiß. Auch wenn Schach geistig fit hält, so geht auf die Dauer ohne Ausgleichssport nicht viel. Sich ausdauernd konzentrieren können ist nicht alles im Leben.
Herr Pönisch, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Gern geschehen!
// Archiv: DSB-Nachrichten - Schiedsrichterkommission // ID 9485