Doping und Schach – Was man über Cannabis und Medikamente wissen sollte

7. August 2024

Frage: Was haben Ruit und Paris gemeinsam?
Antwort: Es finden in diesen Tagen Dopingkontrollen statt!

Nicht nur bei den Olympischen Spielen, sondern auch in Ruit wird es zu Dopingkontrollen kommen. Bei Deutschen Meisterschaften gehören die Kontrollen der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA) mittlerweile zur Routine.

Alle Schachsportler sind verpflichtet, sich dem Anti-Doping-Reglement zu unterwerfen.

Dabei ist es - im Gegensatz zu olympischen Sportarten - überhaupt nicht erwiesen, dass durch irgendwelche Substanzen eine relevante Leistungssteigerung im Schach erreicht werden kann.

Doping beim Schach wäre eine Form des Neuro-Enhancements. Hierunter versteht man die Einnahme psychoaktiver Substanzen zur geistigen Leistungssteigerung bei gesunden Personen. Dies ist in unserer Leistungsgesellschaft durchaus nicht unüblich: So geben 7% der Erwerbstätigen in Deutschland an, Neuro-Enhancement schon einmal betrieben zu haben. Hierunter fallen zum Beispiel auch die Einnahme von Betablockern bei Lampenfieber oder Benzodiazepinen zum Abbau von Nervosität.

Substanzen, die eingesetzt werden, sind in erster Linie Psychostimulanzien (zum Beispiel Amphetamine) oder Antidepressiva, aber auch Antihypertensiva (Blutdruckmedikamente) oder Antidementiva (Medikamente bei Demenz). Betablocker und Blutdruckmittel können unter Umständen beim Schach nicht erlaubt sein (vgl. Black und White-Listen der NADA).

Gerade Stimulanzien, wozu auch Koffein gehört, sollen bei Gesunden das kognitive Leistungsvermögen steigern. Hierzu gibt es wissenschaftliche Untersuchungen auch im Schachsport. Im Rahmen einer randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Studie von Franke et al. aus Mainz spielten 39 Schachspieler insgesamt über 3000 Partien gegen ein kommerzielles Schachprogramm (Fritz 12), jeweils nach der Einnahme von Modafinil (einem Medikament gegen Narkolepsie mit stimulierenden Eigenschaften), Methylphenidat (Medikament gegen ADHS), Koffein oder Placebo.
Bei der Analyse aller Partien konnte kein relevanter leistungssteigernder Effekt nachgewiesen werden: Es zeigte sich nämlich, dass unter den Substanzen mehr Partien auf Zeit verloren wurden. In Verbindung mit zusätzlichen neuropsychologischen Testungen bestätigte sich, dass Entscheidungsprozesse unter Zeitdruck - und solche werden im Turnierschach verlangt - durch psychoaktive Substanzen auch negativ beeinflusst werden können.

Im Zusammenhang mit der Frage, ob irgendwelche Substanzen die Leistung beim Schach steigern können, sollte man sich auch die Frage stellen, welche Substanzen die Leistung beim Schach negativ beeinflussen: Auch wenn die Einnahme von Cannabis nun seit dem 1. April 2024 legalisiert worden ist, standen Cannabinoide schon immer auf der Dopingliste. Sie dürften die kognitiven Leistungen eines Schachspielers während eines Turniers klar beeinträchtigen, ebenso wie Alkohol. Abgesehen davon, dass das Trinken alkoholischer Getränke während der Partie in offiziellen Turnieren ja seit Langem verboten ist, stört Alkohol (auch das Bier oder der Wein am Abend!) sicher den Schlaf in der folgenden Nacht, was sich in einem klassischen Schachturnier über mehrere Tage auf die Leistung ungünstig auswirkt.

Falls bei Ihnen Substanzen nachgewiesen werden, die auf der Dopingliste stehen, sind Sie zunächst des Dopings mit entsprechenden Konsequenzen verdächtig und es wird das sogenannte Ergebnismanagementverfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen formal eingeleitet. Da in den letzten 5 Jahren, die ich als Beauftragter überblicke, keine positiven Fälle nachgewiesen wurden, habe ich bisher (zum Glück!) keine praktische Erfahrung mit diesem Verfahren, werde aber allen Betroffenen selbstverständlich zur Seite stehen.

Übrigens sollten wir beim Thema Doping im Schach die Kirche im Dorf lassen: Auf dem Schachgipfel In Magdeburg 2022 wurden in 3 Turnieren insgesamt 9 Urinproben durchgeführt. Zum Vergleich: Die 429 deutschen Olympia-Teilnehmenden in Paris wurden im Vorfeld 1.176 mal kontrolliert. Es wurden 1.779 Proben (1.173 Urin-, 584 Blut- und 22 Dried Blood Spot-Proben) durchgeführt. Auch die 44 Ersatzathletinnen und -athleten wurden 103 mal kontrolliert.

Für uns Schachspieler ist E-Doping wohl ein größeres Problem.

Dr. Thomas E. Wessendorf
Anti-Dopingbeauftragter des DSB

Literatur:

  1. Normann und E. Pallenbach: Neuro-Enhancement bei Gesunden, https://cme.medlearning.de/
  2. A.G. Franke et al. Methylphenidate, modafinil, and caffeine for cognitive enhancement in chess: A double-blind, randomised controlled trial. Eur Neuropsychopharmacol. 2017 Mar;27(3):248-260
  3. https://www.nada.de/service/news/newsdetail/gemeinsame-pressekonferenz-der-afld-ita-nada-austria-und-nada-deutschland

// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 11443

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