4. August 2014
Nachdruck aus dem Hanauer Anzeiger vom 2. August 2014
Die schnellsten Denker der Welt, insgesamt rund 1500 Aktive aus mehr als 170 Nationen, kämpfen um Edelmetall bis zum 14. August 2014 im nordnorwegischen Tromsø. Botschafterin der diesjährigen Schacholympiade ist, neben Promis der Szene wie dem Ex-Weltmeister Anatoli Karpow und dem aktuellen Champ der Champs Magnus Carlsen, auch die junge Deutsche Melanie Ohme, die für die Schachfreunde Neuberg in der 2. Bundesliga punktet. Dem Autor René Gralla berichtet die 24-jährige Großmeisterin der Frauen, die momentan im niederländischen Groningen Psychologie studiert, über ihren neuen Nebenjob als Werbeträgerin des Großereignisses am Rand der Arktis und über die Medaillenchancen des deutschen Damenteams.
René Gralla: Die Fußball-WM in Brasilien hat vor wenigen Wochen einen Medienrummel ohnegleichen ausgelöst. Wer wird sich jetzt noch für die Schacholympiade interessieren?
Melanie Ohme: Klar, mit Fußball kann Schach nicht konkurrieren. Obwohl es schön wäre, wenn wir eine ähnliche Aufmerksamkeit kriegen würden wie die Rasensportler. Aber bis dahin ist es leider noch ein sehr weiter Weg.
René Gralla: Und dann wird die Schacholympiade obendrein quasi am Ende der Welt ausgetragen, nämlich nördlich des Polarkreises. Ist das nicht eine etwas unglückliche Wahl, wenn die Öffentlichkeit Ihr Spiel wahrnehmen soll?
Melanie Ohme: Das finde ich wiederum nicht. Die Gegend um Tromsø ist super toll. Und das macht gerade den besonderen Reiz der Stadt aus, dass sie so weit nördlich liegt. Das ist doch richtig spektakulär!
René Gralla: Nun sind Sie zur Botschafterin der Schacholympiade ernannt worden. Was bedeutet das praktisch?
Melanie Ohme: Vor allem habe ich einen Werbefilm gedreht, der während der Olympiade gezeigt wird. Für die Produktion habe ich verschiedene Aktivitäten ausprobiert, die besonders beliebt sind in der Gegend, vom Schlittenfahren mit dem Snowmobil bis zum Eisfischen.
René Gralla: Sie sind, wie aus Kreisen der Organisatoren zu erfahren ist, in den Kreis der Olympiabotschafter nicht zuletzt deswegen berufen worden, weil Sie als Schachspielerin aktiv gegen Rassismus kämpfen. Welchen Beitrag kann Ihr Sport in diesem Zusammenhang leisten?
Melanie Ohme: An der entsprechenden Kampagne, die vom Bundesinnenministerium zusammen mit Spitzensportlern wie dem Fußballer Asamoah gestartet worden ist, beteilige ich mich mit dem Slogan "Zug um Zug gegen Rassismus". Und dass Schach die Menschen verbindet, ungeachtet von Herkunft und Religion, beweist jetzt die Schacholympiade, bei der viele hundert Leute friedlich am Brett zusammensitzen.
René Gralla: Magnus Carlsen, der amtierende Weltmeister, hat in Norwegen einen richtigen Schachboom ausgelöst. Ist das der Beginn einer neuen Ära, um ihr Spiel, das die meisten Menschen als reichlich schwer empfinden, zu einem Massensport zu machen?
Melanie Ohme: Auf jeden Fall tut Magnus Carlsen dem Schach sehr gut. Weil er jung ist und auch in anderen Bereichen präsent, zum Beispiel als Model. Jetzt ist Schach in allen norwegischen Medien präsent, so etwas würde Deutschland ebenfalls guttun.
René Gralla: Was können wir von den Norwegern lernen?
Melanie Ohme: Wenn man einen Vorzeigespieler wie Magnus Carlsen hat, hilft das zweifellos. Deutschland hat zwar keinen Carlsen, aber trotzdem gibt es auch hier positive Ansätze, vor allem der Aufwärtstrend im Schulschach lässt mich hoffen.
René Gralla: Andererseits will das Bundesinnenministerium dem Deutschen Schachbund die Fördermittel streichen, trotz eines Bundestagsbeschlusses, der sich dagegen ausgesprochen hat. Ihr Kommentar als Olympiabotschafterin?
Melanie Ohme: Ein derart negatives Signal finde ich äußerst traurig. Der Schachsport sollte unbedingt unterstützt werden, denn das Spiel hilft gerade Kindern und Jugendlichen, viele wertvolle Kompetenzen auszubilden.
René Gralla: Welche Kompetenzen sollen das sein?
Melanie Ohme: Schach fördert die Konzentrationsfähigkeit und steigert die Problemlösungskompetenz. Indem es dazu anregt, Probleme nicht nur von einer Seite zu betrachten, sondern nach alternativen Lösungswegen zu suchen. Wie im Schach, das man auch nicht nach Schema F runterspielen kann.
René Gralla: Und jetzt zur sportlichen Seite in Tromsø. Welches Ziel haben Sie sich mit der deutschen Damenauswahl gesetzt?
Melanie Ohme: Mindestens Rang zehn sollte drin sein. Aber wenn es gut läuft, können wir die Top Five erreichen. Das ist natürlich unser Wunschtraum.
Weitere Informationen zu Melanie Ohme auf ihrer Website: www.melanie-ohme.net
Quelle: Hanauer Anzeiger, Samstag, 2. August 2014
Original-Artikel als PDF
Der Artikel erschien am 2. August auch im "neuen deutschland".
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