11. August 2014
Bisher weitgehend unbeachtet vom Medienrummel ist ein elfter deutscher Spieler in Tromsø geblieben, Oliver Müller aus Bremen. Der Vizeweltmeister im Blindenschach steht im Aufgebot der Mannschaft der IBCA, der "International Braille Chess Association". Er spielt an Brett vier hinter IM Pjotr Dukaczewski (Polen), IM Juri Meschkow (Russland) und FM Jacek Stachanczyk (Polen). Der eigentlich für Brett 1 vorgesehene Venzuelaner IM Marin Daniel Pulvett konnte leider nicht anreisen, so daß die vier Verbliebenen alle Runden durchspielen müssen. Besonders Oliver Müller scheint das zu schlauchen. Aber geben wir ihm selbst das Wort.
Hallo Schachfreunde,
direkt aus Tromsø sende ich Euch mal ein paar Nachrichten. Zu den Ergebnissen muss ich nichts weiter sagen, wir hoffen, das es jetzt mal langsam bergauf geht! In den ersten Tagen haben wir uns noch Hoffnung gemacht, dass unser Spitzenspieler Daniel Pulvett aus Venezuela doch noch kommen wird. Laut Aussage seines Trainers - der auch unser Kapitän sein sollte - haben sie es noch versucht, einen Flug zu bekommen. Nun wissen wir, dass dies nicht mehr klappen wird. Der Grund dafür war wohl dass die dortigen Behörden oder Organisationen zwar zuerst die Finanzierung der Reise zugesichert haben, dann aber doch nicht zahlten.
Für die nächste Olympiade wird sich die IBCA Gedanken machen müssen, wie man die Mannschaft aufstellt bzw. organisiert, damit so etwas nicht wieder passiert. Keiner von uns ist besonders glücklich darüber, dass er jetzt alle elf Partien durchspielen muss, was erfahrungsgemäß recht anstrengend werden kann,siehe die Olympiade 2010 in Chanty Mansijsk.
Dann hatte ich noch ein Problem mit den Schiedsrichtern. Diese haben mir nicht erlaubt, meine Uhr mit der Sprachausgabe zu benutzen. Wenn ich meine verbleibende Bedenkzeit wissen wolle, sollte ich die Schiedsrichter fragen, und die würden es mir dann sagen. Meine Anmerkung, dass ich die Uhr schon bei den letzten beiden Olympiaden benutzt hätte, zog nicht, der Oberschiedsrichter hätte das so bestimmt.
In der zweiten Runde war ich so genervt von dieser Fragerei, dass ich später darauf verzichtete. Leider verschätzte ich mich einmal und überschritt in ausgeglichener Stellung die Zeit. Daraufhin ging Nikos, der Kapitän der Damenmannschaft, zum Oberschiedsrichter und schilderte ihm mein Problem. Und siehe da, am nächsten Tag durfte ich die Uhr benutzen. Ich frage mich, warum immer erst etwas passieren und man immer hinter seinem Recht herbetteln muss. Sieht so die Inklusion aus?
Ähnliche Ignoranz legten die Organisatoren an den Tag, als sie uns in der zweiten Runde einen anderen Tisch zulosten. Auch hier musste ich mich erst wieder beschweren, damit das aufhört und wir wie üblich immer am selben Tisch spielen "dürfen".
Immerhin, das Spiellokal ist in Ordnung, und es gibt die üblichen beknackten Sicherheitskontrollen, die letztendlich doch nicht konsequent durchgeführt werden. Wenn ich da irgendwas mit reinbringen wollte, könnte ich das ohne Probleme tun.
Das Wetter ist durchwachsen, mal Sonne, mal Wolken und nachmittags oft Regen, der dann abends wieder nachlässt. Empfehlung: Für die zehn Minuten Fußweg zum Turniersaal Regenschutz mitnehmen!
Gestern, am freien Tag, hatten wir eine spezielle Führung im Arktis-Museum, wo wir auch verschiedene Exponate befühlen durften, das war ganz gut gemacht.
Nachmittags machte ich mit Ludwig und Christine Beutelhoff einen Schiffsausflug rund um die Insel Tromsø. Leider gab es dazu keine Erklärungen, so dass man nicht erfuhr, wo genau man gerade war und was es dort eventuell zu bestaunen gab, schade.
Hotel und Essen sind gut und man kann alles Wichtige zu Fuß erreichen, so gesehen ein durchaus geeigneter Ort für diese Veranstaltung - wenn er nicht so abgelegen wäre! Abends und nachts bleibt es noch ziemlich hell, daran muss man sich erstmal gewöhnen. Aber ist irgendwie auch schön.
Das war's erstmal, drückt uns weiterhin die Daumen! Gruß Oliver
Oliver Müller
9. August 2014
Quelle: Info-Mail Schach Nr. 1424 - Notizen aus Tromsø von Anton Lindenmair
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Frank Hoppe
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