Rührende Solidarität im Schachsport: Wie der kleine Moritz doch noch zur Jugend-WM reisen kann

7. September 2024

Moritz spielt im Juni 2024 beim Wandern auf dem Wallberg (Bayern) mit Christian, einem Freund der Familie

Eine wunderschöne Schach-Geschichte gibt es aus München zu vermelden. Die dortige „Abendzeitung“ hat, gemeinsam mit der „Schachstiftung München“, eine Spendenaktion für einen kleinen Spieler gestartet - und konnte nun titeln: „Danke, liebe AZ-Leser: Deswegen fährt Moritz (7) jetzt zur Weltmeisterschaft.“ Die Rede ist von Moritz Benischke. Der ist zwar noch kein Kaderspieler des Deutschen Schachbundes, aber ganz offensichtlich ein Talent, das seinen Sport über alles liebt. Sagt er doch: „Schach ist spannender als Schule."

Moritz Benischke mit seinem Team vom MSA Zugzwang e.V. bei der DVM 2023; Quelle: Deutsche Schachjugend

So fangen Erfolgsgeschichten an. Nehmen wir nur mal unsere deutsche Nummer eins, GM Vincent Keymer, der in der Schule nach eigener Angabe kein Lieblingsfach hatte – aber so begeistert für Schach war, dass Bundesnachwuchstrainer IM Bernd Vökler einst über den damals achtjährigen Keymer urteilte: „Der kann mal Weltmeister werden.“ Bernd Vökler glaubt daran übrigens bis heute. Vökler spielte auch im Fall von Moritz Benischke, der aufgrund besonderer Regeln und Solidarität in der Schachwelt zur Jugend-Weltmeisterschaft in Italien fahren kann, eine entscheidende Rolle.

Der Bundesnachwuchstrainer führte vor einigen Jahren die sogenannte Leistungsregel ein. Davor galt noch: Wer zur WM fahren will, der muss sich über die Deutschen Meisterschaften qualifizieren. Doch wurden Spielerinnen und Spieler krank, war die Chance auf die WM dahin. Das empfand Vökler als unfair. „Ich vergleiche das mit einem Hochspringer“, sagt er, „beim entscheidenden Wettkampf schafft er die Qualifikationsnorm von 2,20 Metern nicht – aber eine Woche drauf bei einem Leichtathletik-Meeting überspringt er plötzlich 2,25 Meter. Das muss belohnt werden.“ Im Schach bedeutet dies: Als Selbstzahler können solche Talente an der WM teilnehmen.

Moritz Benischke hatte sich über diesen Weg qualifiziert. Beim württembergischen Jugendpokalturnier in Jedesheim holte er im Juli fünf Punkte aus fünf Partien – und erreichte damit die geforderte Norm. Der normale Weg zur WM wäre über die Bayerische und Deutsche Jugendmeisterschaft (an Pfingsten) gewesen – aber als diese Turniere liefen, lag Moritz mit Grippe im Bett.

Doch die WM in Montesilvano im November dauert 13 Tage – dafür ist (mit Begleitung durch Mutter und Trainer) eine Stange Geld nötig. Sarah Benischke, alleinerziehende Mediengestalterin, fehlten die rund 3000 Euro für die Turnierteilnahme ihres Sohnes. Vökler gab ihr den Tipp: Versuche es mal bei der Schachstiftung München. Zumal: Deren Schatzmeister GM Gerald Hertneck ist Mitglied im Verein „MSA Zugzwang 82", für den auch Moritz spielt. GM Stefan Kindermann hatte vor fast 20 Jahren die „Münchener Schachakademie" gegründet und danach die Schachstiftung, die Kinder und Jugendliche fördert. „Moritz hat diese ganz besondere Leidenschaft für Schach, er brennt dafür", wird Kindermann von der Abendzeitung zitiert, „das ist eine entscheidende Voraussetzung, um ein großer Champion zu werden."

In seinem Zimmer kann man sehen, was Schach dem Jungen bedeutet. 14 Pokale, die der Siebenjährige in den letzten zwei Jahren in Turnieren erspielt hat, sind auf einem Regalbrett aufgereiht. Darunter hat Moritz 26 Bronze-, Silber- und Goldmedaillen an Haken gehängt. „Ich wollte das einfach: Schach lernen", sagt Moritz, "und zwar jetzt gleich im Kindergarten, nicht erst, wenn ich größer bin." Seitdem fährt seine Mutter mit ihm von Turnier zu Turnier.

Und nun auch zur WM. Bei der „Münchener Schachstiftung“ wurde ein Spendenkonto eingerichtet, die Aktion flankierte die „Abendzeitung“ medial. Die Schachstiftung, der Verein, eine Firma, Bekannte und Freunde haben nun sogar rund 5000 Euro gespendet. Insgesamt 43 Einzelspenden gingen laut Gerald Hertneck ein. „Ich bin so gerührt und dankbar, das macht mich völlig sprachlos", sagt Sarah Benischke.

Ob die Story als Blaupause für andere dienen kann? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht – aber es ist in jedem Fall eine rührende Geschichte von Mitgefühl im Schachsport. (mw)

// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 11483

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