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"Wenn die Frauen stärker spielen ..."

4. November 2014

Dennis Wagner bei der Jugend-WM in Südafrika in diesem Jahr

"... und verdient gewinnen, habe ich kein Problem damit" - Interview mit Dennis Wagner

Wer wird im Duell "Königinnen gegen Prinzen" bei der 9. Schachgala 2014 der Tageszeitung "neues deutschland" (nd) am 6. November in Berlin triumphieren? Im Zweierteam mit dem Werderaner Matthias Blübaum hat der 17-jährige Internationale Meister Dennis Wagner aus Söhrewald Wellerode bei Kassel die spannende Herausforderung angenommen. Und verrät dem Hamburger Autor René Gralla im Interview, wie er mit der ungewöhnlichen Konstellation des Turniers klar kommt.

René Gralla: Sie werden zusammen mit Ihrem IM-Kollegen Matthias Blübaum bei der diesjährigen nd-Schachgala gegen die internationalen Spitzenspielerinnen Walentina Gunina und Elisabeth Pähtz antreten. In diesem Zusammenhang fällt einem ein Statement von Kasparow ein, der mal in Bezug auf Judit Polgár behauptet hat: Wegen "der Unvollkommenheit ihrer Psyche" sei "die Frau an sich dem zähen Kampf eines Schachspiels nicht gewachsen", weil angeblich "ihre Natur ... unweigerlich gegen sie arbeite". Stimmen Sie Kasparow zu?

Dennis Wagner: Ich denke nicht, dass Frauen von Natur aus schlechter Schach spielen. Sie finden nur schneller Interesse an anderen Dingen im Leben und wenden sich dann vom Schach ab, so dass die wenigsten ihr volles Potenzial ausschöpfen.

René Gralla: Offenbar scheinen die Mädels ohnehin nicht unbedingt schlechter zu sein als die Jungs. Beispiel die diesjährige Jugend-WM 2014 im südafrikanischen Durban: In der Gruppe U-18 hat die Deutsche Filiz Osmanodja die Vizeweltmeisterschaft geholt, während Sie in der parallelen U18-Konkurrenz der jungen Männer auf Platz 10 gelandet sind und Matthias Blübaum, Ihr Mitstreiter in Berlin, mit dem undankbaren Platz 4 ebenfalls eine Medaille verfehlte. Und dass, obwohl Sie beide - Matthias Blübaum und Sie - gerade in einem besonderen Schachjahr vom DSB gefördert werden, die Mädels aber nicht. Warum sind insofern die üblichen Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern in Durban geradezu auf den Kopf gestellt worden?

Dennis Wagner: Bei der Jugend-WM waren die Frauenaltersklassen deutlich schlechter besetzt, so dass ein gutes Ergebnis wahrscheinlicher gewesen ist.

René Gralla: Sie selber waren bei der Jugend-WM in der Gruppe U-18 als Nr. 4 gesetzt worden, trotzdem hat das am Ende "nur" für Platz 10 gereicht. Sind Sie enttäuscht?

Dennis Wagner: Ich hatte mir natürlich mehr erhofft. Aber weil gleich die ersten beiden Partien nur Remis ausgegangen sind, ist mir kein guter Einstieg in das Turnier gelungen.

René Gralla: Sie gelten als größte deutsche Nachwuchshoffnung im Schach. Empfinden Sie das als Belastung oder spornt Sie das an?

Dennis Wagner: Natürlich versuche ich immer, den in mich gesetzten Erwartungen gerecht zu werden. Aber primär spiele ich Schach, weil ich Freude daran habe. Besonders gefällt mir der Facettenreichtum, die Ästhetik und die eröffnungsanalytische Arbeit.

René Gralla: Der norwegische Schachweltmeister Magnus Carlsen, der in Kürze seinen Titel verteidigen wird, hat neue Maßstäbe gesetzt für das Image Ihres Sports. Dank Carlsen gilt Schach jetzt als frisch und modern. Was bedeutet der junge Champion für Sie?

Dennis Wagner: Magnus Carlsen ist natürlich ein Vorbild. Da er zum einen wichtige Qualitäten wie Kampfgeist verkörpert und zum anderen den Schachsport auf der ganzen Welt populärer macht.

René Gralla: Bei der nd-Schachgala am kommenden Donnerstag sind alle vier Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sowohl die Frauen als auch die Männer, dem Elo-Rating nach ungefähr gleich stark. Ihre Prognose für den Turnierausgang?

Dennis Wagner: Ich erwarte einen offenen und spannenden Kampf. Jeder Ausgang ist denkbar.

René Gralla: Manche Männer sind seltsam befangen, wenn sie gegen Frauen spielen sollen. Wie ist das bei Ihnen? Wie werden Sie mit der besonderen Situation in Berlin umgehen?

Dennis Wagner: Während einer Schachpartie sollte man sich nicht zu sehr darauf konzentrieren, wer einem gegenübersitzt, sondern vielmehr versuchen, die besten Züge am Brett zu finden.

René Gralla: Was ist Ihr Plan für Berlin? Kompromisslos auf Sieg? Oder werden Sie und Matthias Blübaum zäh wie Magnus Carlsen eine Art Abnutzungsstrategie fahren?

Dennis Wagner: Unsere Strategie werde ich nicht vor dem Kampf verraten. Darüber können wir uns später nochmal unterhalten.

René Gralla: Aktuell absolvieren Sie zusammen mit Matthias Blübaum ein Schachjahr, das der DSB für Sie beide konzipiert hat. Erklärtes Ziel: dass Sie zur nationalen Leistungsspitze aufschließen können. Was heißt das konkret? Welche Elo-Zahl peilen Sie an? Wollen Sie auch den Großmeistertitel holen? Und wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, die gesteckten Ziele zu erreichen?

Dennis Wagner: Zielsetzung des Schachjahres ist es, die Spielstärke zu steigern und die Elo-Zahl der 2600-Marke anzunähern. Der GM-Titel wird bei konstant guter Leistung dann damit einhergehen.

René Gralla: Eigentlich kann man im Leistungsschach nur nach ganz oben kommen, wenn man Profi wird. Ist das auch für Sie eine Option?

Dennis Wagner: Stellen Sie mir diese Frage nach dem Ablauf des Schachjahres noch einmal.

René Gralla: Falls Sie sich nicht für die Profikarriere entscheiden: Was wollen Sie studieren?

Dennis Wagner: Bei Aufnahme eines Studiums würde ich mich wahrscheinlich auf den naturwissenschaftlichen Sektor konzentrieren.

René Gralla: Falls Sie - als junger Mann und damit als Vertreter jenes Geschlechts, das wenigstens im Schach noch das angeblich stärkere sein soll - beim bevorstehenden nd-Turnier zusammen mit Matthias Blübaum von Ihren beiden Gegenspielerinnen geschlagen werden sollten: Würden Sie das als Demütigung empfinden?

Dennis Wagner: Wenn sie stärker spielen und den Kampf verdient gewinnen, habe ich kein Problem damit.


Das Interview mit IM Dennis Wagner ist in gekürzter Form auch in der Tageszeitung "neues deutschland" veröffentlicht worden.

Einen Vorbericht mit weiteren Informationen zur 9.nd-Schachgala "Königinnen gegen Prinzen" am Donnerstag, dem 6.11.2014, ab 15 Uhr in Berlin, Verlagsgebäude des "neuen deutschland" (Münzenberg-Saal), Franz-Mehring-Platz 1 (Eintritt frei) finden Sie hier.

René Gralla

// Archiv: DSB-Prinzen // ID 19066

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