Der Beitrag ist älter als 1 Jahr und der Inhalt möglicherweise nicht mehr aktuell!

Ein historischer Moment in Paris

6. April 2023

Der Moment der Enthüllung der Plakette

In Paris wurde am Dienstag feierlich eine Gedenkplakette an jenem Gebäude enthüllt, in dem sich das berühmte Café de la Régence befand. Der DSB-Beauftragte für deutsch-französische Beziehungen und ehemalige Präsident des Deutschen Schachbunds, Herbert Bastian, war vor Ort und berichtet.

„Wenn das Wetter zu kalt oder zu regnerisch ist, suche ich Zuflucht im Café de la Régence. Dort amüsiere ich mich, wenn ich den Schachspielern zuschaue. Paris ist der Ort der Welt, und das Café de la Régence ist der Ort in Paris, an dem man dieses Spiel am besten spielt". Mit diesen Worten hat Denis Diderot dem im 19. Jahrhundert weltberühmten Café in seinem satirischen Werk Le Neveux de Rameau, das er zwischen 1761 und 1774 schrieb und das erst 1805 von Johann Wolfgang von Goethe auf Deutsch erstmals publiziert wurde, ein literarisches Denkmal gesetzt.

„Hier befand sich von 1855 bis 1955 das Café de la Régence, welches 1718 am Place du Palais Royal gegründet worden war. Dieses Café war weltbekannt wegen seiner Schachspieler und der Berühmtheiten, die es besuchten: Philidor, Rousseau, Robespierre, Bonaparte, Musset, Grévy ...“

Jean-Olivier Leconte hat die Geschichte des Cafés in seinem lesenswerten Blog Le Café de la Régence (lecafedelaregence.blogspot.com) umfassend aufgearbeitet und über eintausend Seiten Text in zwei Büchern veröffentlicht. Dank glücklicher Umstände und mehrjähriger Ausdauer hat Jean-Olivier es nun geschafft, dass an dem Gebäude, wo sich die Pariser Schachspieler bis 1955 trafen, am 4. April 2023 eine Gedenkplakette angebracht und somit auch ein physisches Denkmal gesetzt wurde.

Die namensgebende Zeit der Régence war die Zeit von 1715 bis 1723, als Philipp von Orléans anstelle des noch jugendlichen Louis XV. (* 1710) die Regierungsgeschäfte führte. Der junge König wurde schon früh mit Hilfe des Schachspiels in einem Vortrag von Nicolas Fréret am 24. Juli 1719 in der Académie des sciences auf seine Pflichten hingewiesen. Fréret hatte die Sissa-Legende von der Entstehung des Schachspiels für seinen Vortrag ausgewählt. In der Legende wird ein Herrscher darüber belehrt, dass er ohne seine Untertanen nichts wert ist, und dass er deshalb gut für sie sorgen muss.

Als Beauftragter für deutsch-französische Beziehungen entschloss ich mich spontan, an der Zeremonie teilzunehmen, nachdem ich einen Tag davor davon erfahren hatte. Die Zugverbindungen von Saarbrücken nach Paris sind gut und funktionieren. Die eigentliche Zeremonie war mit einer partiellen Sperre der rue de Saint-Honoré, mäßiger Polizeipräsenz und vielen Blumen gut vorbereitet.

Es fanden sich ca. 30 Personen ein, darunter Éloi Relange, der Präsident der französischen Schachföderation (FFE), dem ich das vom Deutschen Schachbund geförderte und in einer deutsch-französischen Kooperation (Bastian, Hoffmeister, Leconte) produzierte Buch zum 100sten Geburtstag der FFE (2021) überreichen konnte. Ferner Alain Barnier, Präsident der Kommission für Geschichte und Kultur der FFE, Christophe Bouton, langjähriger Mitarbeiter von Europe Échecs, und die Frauen-GM Maria Leconte, Ehefrau von Jean-Olivier, sowie Tatiana Dornbusch (in konsequent schwarz-weißer Kleidung). Die Reden der anwesenden Politiker zeigten, dass man sich der großen Tradition des französischen Schachs bewusst ist. Im nächsten Jahr feiert die am 20. Juli 2024 in Paris auf Betreiben von Pierre Vincent gegründete FIDE ihren hundertsten Geburtstag. Aber während die gleichzeitig stattfindende Olympiade damals mit den Anstoß zur Gründung der FIDE gab – Pierre Vincent war Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees in Frankreich - wird die 2024 erneut in Paris stattfindende Sommerolympiade einer angemessenen Feier des FIDE-Jubiläums diesmal zumindest im Juli im Weg stehen, einfach weil die Stadt überlaufen sein wird.

Im Anschluss an die Veranstaltung besuchte ich gemeinsam mit Jean-Olivier den Pionier der Deschapelles-Forschung, Pierre Baudrier (* 1935). Pierre ist trotz seines hohen Alters und gesundheitlichen Einschränkungen immer noch als Schachhistoriker aktiv und gehört für mich zu den stillen Stars der Szene. Ihm habe ich es zu verdanken, dass das „Rätsel Montigny“ (Schach, 8/2020, S. 32-42) nach halbjähriger Forschungsarbeit aufgeklärt werden konnte. Pierre spricht etwas Deutsch, er hat in den 80er-Jahren mehrere schachhistorische Artikel in der damaligen Rochade geschrieben.

So endete ein spannender Tag, an dem interessante Gespräche geführt, neue Kontakte geknüpft und Verabredungen zur Zusammenarbeit getroffen wurden.

Herbert Bastian
DSB-Beauftragter für deutsch-französische Beziehungen

// Archiv: DSB-Nachrichten - Schachgeschichte // ID 24504

Zurück