18./19. Oktober 2008 im Hotel Flora in Fredersdorf
Zum Schluß ließ "Potz-Blitz" die linke Hand zum Triumph in der Luft kreisen. Der Ärger über drei Mal Schwarz hintereinander war verflogen. Torsten Lang mußte die Überlegenheit des Blitz- und Schnellschachspezialisten Karl-Heinz Podzielny anerkennen. Im Endspiel versagten ihm mit Weiß die Nerven. Er übersah eine Springergabel und gab sofort auf.
Dabei war selbst Podzielny alles andere als cool, als die Auslosung der 11. Runde an der Wand stand. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen: Schwarz in Runde 9 gegen Till Wippermann, Schwarz in Runde 10 gegen Ralf Kotter und nun wieder Schwarz! Als ihm die zahlreich anwesenden Experten aus der Schiedsrichterzunft die Richtigkeit der Auslosung bestätigten, trollte sich "Potz-Blitz" laut fluchend an sein Brett. Sollte der halbe Punkt Vorsprung vor Womacka noch in Gefahr geraten?
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Es ging alles gut. Als sich die Bretter lichteten und die Kiebitze dicht an dicht standen, kam "Potz-Blitz" das Ergebnis von Brett 2 zu Ohr. Er stand auf, wälzte sich durch die Umstehenden, schaute zufrieden auf's Womacka-Areal und bahnte sich den Weg zurück an seinen Tisch. Ein Remis würde jetzt schon reichen. Es wurde mehr. Eineinhalb Punkte Vorsprung sehen nach einer Deklassierung des Meisterschaftsfeldes aus!
Pl. | Teilnehmer | Elo | DWZ | Verein/Ort | S | R | V | Pkt. | Buch |
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1. | IM Karl-Heinz Podzielny | 2431 | 2369 | Schachfreunde Essen Überruhr 46/ | 8 | 2 | 1 | 9.0 | 68.0 |
2. | IM Mathias Womacka | 2429 | 2386 | USG Chemnitz | 6 | 3 | 2 | 7.5 | 71.0 |
3. | Ferenc Langheinrich | 2421 | 2379 | SV Empor Erfurt | 5 | 4 | 2 | 7.0 | 73.5 |
4. | IM Michael Kopylov | 2457 | 2423 | SK Norderstedt von 1975 | 5 | 4 | 2 | 7.0 | 71.5 |
5. | IM Erik Zude | 2397 | 2369 | SV 1920 Hofheim | 7 | 0 | 4 | 7.0 | 70.5 |
6. | FM Gunter Spieß | 2399 | 2386 | SV Lok Leipzig-Mitte | 5 | 4 | 2 | 7.0 | 70.0 |
7. | FM Josef Gheng | 2315 | 2233 | SC-HP Böbl.1975 e.V. | 6 | 2 | 3 | 7.0 | 69.0 |
8. | IM Srdjan Panzalovic | 2471 | 2414 | SF Bad Mergentheim | 5 | 4 | 2 | 7.0 | 63.5 |
9. | Boris Grimberg | 2362 | 2311 | SAbt TSV Haunstetten | 6 | 1 | 4 | 6.5 | 52.5 |
10. | IM Till Wippermann | 2459 | 2430 | SG Heidelberg-Kirchheim | 5 | 2 | 4 | 6.0 | 72.0 |
11. | FM Stefan Breuer | 2334 | 2286 | SVG Salzgitter e.V. | 6 | 0 | 5 | 6.0 | 63.5 |
12. | IM Lars Thiede | 2464 | 2420 | Sfrd. Berlin 1903 e.V. | 4 | 4 | 3 | 6.0 | 63.0 |
13. | FM Torsten Lang | 2340 | 2286 | SK Landau | 5 | 2 | 4 | 6.0 | 61.0 |
14. | FM Ralf Kotter | 2310 | 2242 | Schachclub Hansa Dortmund e.V. | 5 | 1 | 5 | 5.5 | 65.5 |
15. | Moritz Koch | 2286 | 2228 | SV Puschendorf | 4 | 3 | 4 | 5.5 | 54.5 |
16. | FM Alexander Markgraf | 2463 | 2459 | SC Tempo Göttingen | 2 | 7 | 2 | 5.5 | 50.5 |
17. | FM Jürgen Brustkern | 2297 | 2251 | SK Langen | 5 | 0 | 6 | 5.0 | 65.0 |
18. | IM Ralf Schöne | 2311 | 2224 | SV Marzahna 57 e.V. | 3 | 4 | 4 | 5.0 | 62.0 |
19. | IM Thies Heinemann | 2490 | 2475 | Hamburger SK von 1830 eV | 4 | 2 | 5 | 5.0 | 61.5 |
20. | IM Herbert Bastian | 2365 | 2289 | SV Saarbrücken 1970 e.V. | 4 | 2 | 5 | 5.0 | 61.5 |
21. | Hannes Knuth | 2260 | 2201 | SC Neukloster | 4 | 2 | 5 | 5.0 | 61.0 |
22. | FM Dr. Kai Wolter | 2234 | 2181 | Schachklub Münster 32 e.V. | 4 | 2 | 5 | 5.0 | 53.5 |
23. | FM Karsten Schulz | 2278 | 2231 | VBSF Cottbus e.V. | 4 | 2 | 5 | 5.0 | 51.5 |
24. | Thomas Frotscher | 2183 | 2132 | TuS 1860 Magdeburg | 3 | 3 | 5 | 4.5 | 52.0 |
25. | Hans-Peter Urankar | 2250 | 2130 | Schachclub Unterhaching e.V. | 2 | 5 | 4 | 4.5 | 48.0 |
26. | FM Lothar Schnitzspan | 2305 | 2235 | SC Bad Nauheim | 3 | 2 | 6 | 4.0 | 57.5 |
27. | Oliver Weiß | 2202 | 2168 | SAbt TG Biberach | 1 | 6 | 4 | 4.0 | 49.0 |
28. | Michael Schulz | 2279 | 2213 | SC Zitadelle Spandau 1977 e.V. | 1 | 4 | 6 | 3.0 | 51.5 |
29. | Martin Jäger | 2049 | Polizeisport-Verein Duisburg 192 | 2 | 1 | 8 | 2.5 | 51.0 | |
30. | Michael Sebastian | 1990 | 1919 | TSG Rot-Weiß Fredersdorf/Vogelsd | 2 | 0 | 9 | 2.0 | 50.5 |
Als Nummer 7 der Startrangliste ging Podzielny ins Rennen. Wer ihn deshalb nicht auf seinem Tipschein als Bank ankreuzte, kennt den Meister der flinken Hände nicht. Allenfalls der einzige gemeldete Großmeister, Robert Rabiega, hätte ihn an diesem Wochenende stoppen können. Doch Rabiega sagte eine Stunde vor Turnierbeginn ab - mit einer Krankmeldung.
Die ersten drei Runden waren geprägt vom Favoritensterben. Von den neun 2400ern blieb nur Ferenc Langheinrich von Punktverlusten verschont. Bereits einen halben Punkt hatte Mathias Womacka abgegeben. Podzielny unterlag in Runde 3 (mit Weiß...) dem zukünftigen Internationalen Meister Gunter Spieß aus Leipzig und hatte wie Michael Kopylov und Lars Thiede erst zwei Punkte. Von einem klassischen Fehlstart kann man bei Srdjan Panzalovic und Till Wippermann sprechen: 1½ Punkte. Noch krasser erwischte es Thies Heinemann (1) und Alexander Markgraf (½). Besonders Markgraf konnte dieses Trauma am ersten Tag nicht mehr überwinden. Mit mageren zwei Pünktchen beendete er die ersten sechs Runden auf Platz 27! Heinemann, Thiede und Panzalovic - drei Spieler aus den Top-Vier! - erging es nicht viel besser: 3 aus 6 und nur ein Platz im Mittelfeld.
Und was machte "Potz-Blitz"? Der zeigte sich vom Favoritensterben unbeeindruckt und räumte in der 6. Runde Womacka von der Spitze um sich selbst dort zu niederzulassen. Nach dem ersten Tag hatte er 5 aus 6 und Langheinrich, Gheng, Kopylov und Wippermann folgten mit 4½ Punkten.
Die 19. Deutsche Schnellschachmeisterschaft begann bereits am Freitag mit den ersten anreisenden Spielern und Funktionären. Um 16 Uhr traf sich das Organisationsteam zur Besprechung. Tagungs- und Spielort war das Hotel Flora in der Fredersdorfer Mittelstraße, unweit vom Sportheim der TSG Rot-Weiß Fredersdorf-Vogelsdorf. Von Berlin aus ist das Hotel zwar ganz gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, trotzdem übernachteten selbst die Berliner Teilnehmer alle im Hotel. Keiner wollte 1-2 Stunden Fahrtzeit von und nach daheim investieren.
Zur Eröffnung am Sonnabend um 13:30 Uhr waren als Ehrengäste der Präsident des Berliner Schachverbandes und Vizepräsident des Deutschen Schachbundes, Dr. Matthias Kribben, der Bürgermeister von Fredersdorf-Vogelsdorf und Schirmherr der Meisterschaft, Dr. Uwe Klett und der Bundestagsabgeordnete und Schach-Vereinsspieler Wolfgang Gunkel anwesend.
Am Abend trafen sich alle Spieler, die Sponsoren und geladenen Gäste im TSG-Sportlerheim zum gemeinsamen Abendessen. Manch einer kam erst spät in der Nacht gegen Drei ins Bett!
Für die Durchführung der Meisterschaft mußte die kleine Schachabteilung der TSG rund 6.000 € aufbringen. Ein Teil davon wurde durch die Startgebühren der teilnehmenden Verbände an den DSB sichergestellt. Für die fehlende Summe im Etat kamen Sponsoren und Unterstützer auf. Hauptsponsor war die Sparkasse Märkisch-Oderland, die am Sonntag bei der Siegerehrung durch Volker Schulz vertreten wurde. Das Hotel Flora stellte die Übernachtungen zu einem günstigen Tarif bereit, Sebastian's Fahrradladen Fredersdorf spendierte 200 €. Weitere Sponsoren und Unterstützer waren die Gemeinde Fredersdorf-Vogelsdorf, das TSG-Sportlerheim, Gümus Pokal-Schmidt Fredersdorf und die Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gunkel und Dr. Dagmar Enkelmann.
Beruflich bedingt konnte ich erst am Sonntag nach Fredersdorf fahren. Ursprünglich wollte ich sogar selbst mitspielen - vorausgesetzt ich hätte die Qualifikation in der Offenen Fredersdorfer Schnellschachmeisterschaft einen Monat zuvor geschafft. Platz 6 reichte aber nicht. Jürgen Brustkern und Karsten Schulz lösten die Fahrkarten. Ebenso Michael Sebastian als Zehnter, der damals natürlich noch nicht ahnte, das er mitspielen würde.
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Der sperrige Ortsname Fredersdorf-Vogelsdorf ist das Ergebnis einer von vielen Gemeindereformen im Land Brandenburg, teilweise gegen die Mehrheit der Bürger durchgesetzt. So kämpfte das Nachbardorf Hönow - immerhin 6.000 Einwohner und der einzige brandenburgische Ort mit U-Bahnanschluß nach Berlin - vergeblich gegen die Entscheidung der Politik die drei Orte Hönow, Dahlwitz-Hoppegarten und Münchehofe zu einer Großgemeinde mit Namen Hoppegarten zusammenzulegen.
Im Gegensatz zu Hönow - dem weitaus größten Ort der Fusion - behielt Fredersdorf die Eigenständigkeit.
Michael Sebastian, der Bruder des Turnierleiters, spielte selbst mit, um die Teilnehmerzahl gerade zu machen. Damit bekam der Veranstalter TSG Rot-Weiß Fredersdorf-Vogelsdorf doch noch seinen Freiplatz, der einen Monat zuvor eigentlich bereits anderweitig vergeben wurde.
Frank Hoppe